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Die Stadt der Zukunft

Angela Mensing-de Jong denkt berufsbedingt schon immer an das, was kommt. Für unsere Städte hat sie gleich mehrere Ideen.

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Mit ihren Studierenden ersann Angela Mensing-de Jong ein neues Quartier für Berlin. Künftig, so sagt sie, müssten wir mit schon existierenden Flächen auskommen.
Mit ihren Studierenden ersann Angela Mensing-de Jong ein neues Quartier für Berlin. Künftig, so sagt sie, müssten wir mit schon existierenden Flächen auskommen. © Steffen Unger

Als die Besatzung von Apollo 11 im Juli 1969 auf dem Mond landete, inspirierte das viele. Der Mensch hatte schließlich die Grenzen seiner bisherigen Lebenswelt hinter sich gelassen. Ein Umstand, der auch Architekten und Städteplaner von damals beflügelte. Schon sahen sie die Menschheit auf fremden Planeten siedeln und entwarfen Häuser, die wie Spaceshuttles anmuteten oder wie Wolken am Himmel schweben sollten. „Die 1960er- und 1970er-Jahre waren sehr visionär“, erklärt Angela Mensing-de Jong, seit 2018 Inhaberin der Professur für Städtebau an der TU Dresden. Über die Stadt der Zukunft wird aktuell wieder breit diskutiert. Wie wollen wir bauen? Wie wollen wir leben – und wie nicht?

Solche Gedanken sind für die Professorin allerdings nicht neu. „Städteplanung befasst sich schließlich schon immer mit Fragen der Zukunft.“ Bereits Ende des 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Überlegungen, wie Städte lebenswerter oder hygienischer gestaltet werden können und wie Mobilität neu gedacht werden kann. „Solche Veränderungen sind nicht schnelllebig, sie brauchen zwischen 20 und 30 Jahre, bis sie etabliert sind.“

Wie die Zukunft aussehen könnte, hat Angela Mensing-de Jong vor Kurzem mit ihren Studierenden gezeigt. Gemeinsam planten sie ein neues Stadtquartier, das in Berlin entstehen könnte – mit mehr als 2.000 Wohnungen, neuen Lösungen für die Mobilität von morgen und für die Kombination von Wohnen und Arbeiten. Die aktuelle Herausforderung in deutschen Städten sei es, mit integrierten Flächen auszukommen und die Städte nicht auf der grünen Wiese zu erweitern. „Mit Blick auf Klima- und Umweltfragen können wir aber auch nicht immer weiter verdichten.“. Freiräume sind klimatisch wichtig, aber auch Corona hat uns auch gelehrt, dass Menschen sie im wohnungsnahen Umfeld benötigen. Neue Konzepte sind gefragt.

Menschen in die Ideenfindung einbeziehen

Um das zu erreichen, baut die Professorin vor allem auf ein Mittel: das interdisziplinäre Arbeiten. „Wenn wir Wege für die Stadt der Zukunft aufzeigen wollen, müssen wir gemeinsam nach umsetzbaren Ideen suchen.“ So müssten etwa Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Verkehrsplaner in einem engen und konstruktiven Austausch miteinander sein. Das vermittelt sie auch ihren Studierenden. Die Digitalisierung macht Neues möglich. Dadurch könnten Prozesse sinnvoll vernetzt werden, erreiche man viel mehr Menschen.

Vor allem auch die Bürger. Ohne die wäre die Stadt die Zukunft gar nicht umsetzbar, sie müssen einbezogen werden. „Architekten und Städteplaner sind keine autarken Baukünstler“, umschreibt sie ein sich veränderndes Rollenverständnis. „Wir sind die Regisseure und die Bürger gehören zu den wichtigsten Darstellern.“ Im Studium bei ihr reicht es deshalb nicht, einen schönen Entwurf vorzulegen. Die Studierenden müssen ihn gegenüber Kommunen und Bürgern präsentieren und kommunizieren. Und sie müssen lernen, mit deren Kritik umzugehen.

Die Zukunft ist laut Angela Mensing-de Jong aber für alle auch mit Verzicht verbunden. Das Auto vor dem eigenen Haus ist ein Konzept, das in der Stadt von morgen schon überholt ist, wenn Flächen für Wohnraum oder Grün gebraucht werden. „Dann gibt es Quartiersgaragen, in denen wir unsere Fahrzeuge abstellen.“ Oder man setze gleich auf Car-Sharing-Angebote.

Ländliche Regionen gewinnen an Attraktivität

In Deutschland werden aktuell immer größere Wohnungen gebaut, brauchen die Menschen pro Kopf immer mehr Wohnraumfläche. Im Jahr 2019 waren es laut Statistischem Bundesamt 47 Quadratmeter pro Bundesbürger. „Das ist nicht nachhaltig.“ Die Gesellschaft müsse sich fragen, ob sie sich das künftig noch leisten kann. Überschwemmungen, Dürren und Starkwindereignisse würden zwangsläufig ebenfalls dazu führen, stadtplanerische Konzepte zu überdenken. „Die Frage ist beispielsweise auch in Dresden, wie viel Flächen wir in der Innenstadt verdichten sollten.“

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie dürfte den Weg für neue Entwicklungen ebnen. Tendenzen hin zum Homeoffice könnten zu Büroleerstand führen. Verstärktes Onlineshopping zu leeren Geschäften. Das wiederum hätte wahrscheinlich sinkende Mieten zur Folge. „Im Lockdown haben viele wieder die Grünräume in ihrem Wohnumfeld entdeckt.“ Der Trend ins Umland könnte einen neuen Schub erfahren, wenn dort digitale Netze vorhanden sind und man nicht mehr täglich an seinen Arbeitsplatz fahren muss. So könnten auch ländliche Regionen jenseits von Ballungsgebieten an Attraktivität gewinnen. Nicht nur die Stadt als solche wird sich also verändern. Es geht um das Leben der Zukunft.

Jana Mundus