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Roboter lernen das Streicheln

Eine neue Art des Internets ermöglicht künftig, dass wir Neues ganz anders lernen als bisher. Wie das geht, wird am Exzellenzcluster CeTI erprobt.

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Sie kommen aus verschiedenen Welten: Im Exzellenzcluster CeTI der TU Dresden suchen die Psychologin Prof. Shu-Chen Li und der Elektrotechniker Prof. Frank Fitzek gemeinsam nach Wegen, wie Mensch und Maschine künftig interagieren.
Sie kommen aus verschiedenen Welten: Im Exzellenzcluster CeTI der TU Dresden suchen die Psychologin Prof. Shu-Chen Li und der Elektrotechniker Prof. Frank Fitzek gemeinsam nach Wegen, wie Mensch und Maschine künftig interagieren. © Foto: Thorsten Eckert

Diese Rückenschmerzen sind wirklich schlimm. Schon seit Wochen plagt sich die Seniorin damit herum. Der Physiotherapeut soll jetzt helfen. Der Weg in seine Praxis ist allerdings lang. Sie fährt kein Auto, die Busanbindung hier im Ort ist eher dürftig. Die Frau zieht ihre neue Jacke an – und erhält Hilfe. Auf dem Tablet erscheint das Gesicht ihres Therapeuten. In der nächsten halben Stunde erklärt er ihr leichte Sportübungen, die ihr helfen sollen. Wenn sie etwas falsch macht, zeigt er ihr, wie es besser geht. Denn die Jacke, die sie trägt, ist keine gewöhnliche. Sie ist intelligent und steckt voll hochmoderner Technologie. Auch der Physiotherapeut trägt ein solches Modell. Obwohl sie viele Kilometer trennen, werden auf diesem Weg wichtige Informationen über die Bewegungsabläufe zwischen den beiden ausgetauscht. Möglich macht das eine neue Art von Internet. Die Chancen, die sich dadurch eröffnen, lotet eine Gruppe Forscher an der TU Dresden aus. Eigentlich kommen Shu-Chen Li und Frank Fitzek aus unterschiedlichen Welten. Sie ist an der TU Dresden Professorin für Entwicklungspsychologie und Neurowissenschaft der Lebensspanne. Er ist dort Inhaber der Deutsche Telekom Professur für Kommunikationsnetze. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung des Menschen und schaut dabei tief in die Vorgänge in unserem Gehirn. Er ist Elektrotechniker und forscht an der Kommunikation von morgen, die Daten noch schneller übertragen soll. Im TUD-Exzellenzcluster „Zentrum für taktiles Internet mit Mensch-Maschine-Interaktion“, kurz CeTI, arbeiten sie seit zwei Jahren zusammen. „Wenn wir uns anschauen, wie das menschliche Gehirn funktioniert, und die Art und Weise betrachten, wie künstliche Intelligenz arbeitet, gibt es durchaus viele Parallelen zwischen unseren Disziplinen“, sagt die Psychologin.

Die Streicheleinheiten: Das Alter macht den Unterschied

Das taktile Internet dürfte unsere Art zu lernen in einigen Jahren grundlegend verändern, ist sich Frank Fitzek sicher. „Heute lesen wir im Internet einen Text oder eine Anleitung, wenn wir etwas wissen wollen. In Zukunft ermöglicht die moderne Technik, dass wir Neues lernen, indem wir Neues tun und erfahren“, sagt er. Lerneffekte könnten dadurch besser und tiefgreifender ausfallen als bisher, ist er überzeugt. „Per Datenhandschuh üben wir Handgriffe ein, über die Datenjacke komplette Bewegungsmuster“, erklärt der Professor. „Wir sprechen auch von einer Demokratisierung durch diese Technologie“, ist Frank Fitzek überzeugt. Egal wie alt ein Mensch ist, welche Vorkenntnisse er mitbringt, ob er in der Großstadt wohnt oder abgelegen auf dem Land – jeder kann teilhaben. Damit das in einigen Jahren funktioniert, ist aber noch ein ganzes Stück Arbeit notwendig. Die CeTI-Forscher schauen sich genau an, was die Interaktion zwischen Mensch und Maschine gelingen lässt, welche Hürden es dabei gibt und wie sowohl der lebendige als auch der maschinelle Part an dieser neuen Art des Miteinanders von all dem lernen können. Shu-Chen Li beschäftigt dabei vor allem die Frage, wie Informationen über Berührungen übertragen werden können. „Es wäre doch toll, wenn jemand, der nicht mehr in ein Geschäft gehen kann, über einen Datenhandschuh erfahren kann, wie sich ein Kleidungsstück anfühlt.“ Wie muss die Technologie also solche Informationen komprimieren und weiterleiten? „Wir wissen zum Beispiel, dass die Berührungsempfindlichkeit im Alter nachlässt“, erklärt sie weiter. Solch ein Datenhandschuh für ältere Personen müsste also anders funktionieren als einer für jüngere. Auch bei Datenbrillen für die virtuelle Realität macht das Alter den Unterschied. Die Tiefenwahrnehmung lässt mit der Zeit nach. „Auch deshalb sind Studien notwendig, die uns letztlich sagen, wie mathematische Modelle beschaffen sein müssen, die solche Möglichkeiten für Menschen unterschiedlichen Alters zugänglich und nutzbar machen.“

Sensibel und nicht mechanisch soll sich eine Berührung der Roboterhand später anfühlen. Wie die Technik in ihr dafür angepasst und programmiert werden muss, sollen Studien herausfinden.
Sensibel und nicht mechanisch soll sich eine Berührung der Roboterhand später anfühlen. Wie die Technik in ihr dafür angepasst und programmiert werden muss, sollen Studien herausfinden. © Foto: Thorsten Eckert

Der Durchbruch: Die Maschine muss das Ziel verstehen

Wann der Mensch all das nutzen kann? „Es wird nicht den einen Zeitpunkt geben“, sagt Frank Fitzek. Stück für Stück werden Innovationen aus dem Cluster heraus in die Lebenswirklichkeit der Menschen gelangen. „Nehmen Sie Wandelbots. Die sind heute schon erfolgreich am Markt“, nennt er ein Beispiel, das aus der TU Dresden ausgegründet wurde. Das Unternehmen entwickelte ein handliches Gerät, mit dem Industrieunternehmen Roboter ganz einfach programmieren können. Der Mensch macht Bewegungen vor, die Maschine macht sie nach. Der interdisziplinäre Ansatz im Exzellenzcluster sorgt dafür, dass immer neue Impulse in die Projekte kommen. Insgesamt sind fünf Fakultäten an CeTI beteiligt, neben Elektrotechnikern und Psychologen auch Informatiker, Mediziner und Maschinenbauer. Sie alle profitieren vom Wissen der jeweils anderen. „Wir haben uns beispielsweise sehr lange mit der Latenz beschäftigt“, schildert Fitzek. Mit dem Problem, dass der Roboter nur verzögert das macht, was der Mensch von ihm möchte. Mit Hilfe der Psychologen im Zentrum fanden sie die Lösung. „Es ging nicht darum, die Maschine schneller zu machen. Sie muss vorausahnen, was passiert, um sich darauf einzustellen.“ Wenn die KI das Ziel menschlichen Handelns versteht, werden zeitliche Verzögerungen minimiert.

Das Netz: Eine Frage des Geldes und des Willens der Politik

Dass die Skepsis gegenüber solchen Technologien bei manchen groß ist, darüber sind sich die Wissenschaftler im Klaren. „Künstliche Intelligenz kann die menschliche nicht ersetzen“, sagt Shu-Chen Li. Das taktile Internet wird Menschen in nicht allzu ferner Zukunft aber unterstützen, es wird ihr Leben besser machen. Es wird Medizinern bei Operationen helfen, Schnitte noch präziser auszuführen. Es kann Musiker anleiten, bestimmte Handhaltungen am Instrument exakt einzustudieren. „Im Privaten könnten es vor allem spielerische und Lern-Ansätze sein, die die Technik dort etablieren“, vermutet Frank Fitzek. Beispielsweise über Anwendungen für den Sport und das Lernen mit Virtual-Reality- Techniken. Für all das wäre ein stabiles Mobilfunknetz bis in den letzten Winkel Deutschlands notwendig. Wie das taktile Internet funktionieren kann, darüber wisse die Wissenschaft bald Bescheid. „Der Rest ist eine Frage des Geldes und hängt stark vom Willen der Politik ab“, fügt er hinzu. Jana Mundus

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