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App, ins Freibad?

Wie voll es im Schwimmbad wird, hängt oft davon ab, was die Wetter-App sagt. Ein Tag im Stauseebad Cossebaude beweist das.

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© Sven Ellger

Von Klemens Deider

Sonnenklar: Bei diesem Wetter geht’s ins Freibad. Schon morgens um sieben zeigt das Thermometer an diesem Montag 20 Grad an, der Himmel ist blau mit wenigen Wolken, die kaum die Aussichten trüben. Hochsommer und Ferienzeit, aufgeheizte Badebecken und -seen durch die wochenlange Wärme, fast ganz ohne Regen. Dazu die Aussicht auf 29 Grad am Nachmittag. Ein Tag wie gemacht für einen Freibadbesuch, für volle Becken, dicht belegte Liegewiesen und Schlangen am Eisstand. Wäre da nicht die Wettervorhersage.

René Müller (36) und sein neunjähriger Sohn Marlon aus Coswig sind jede Woche im Stauseebad.
René Müller (36) und sein neunjähriger Sohn Marlon aus Coswig sind jede Woche im Stauseebad. © Sven Ellger
Arbeiten, wo andere ausspannen: Mitarbeiterin Josefine Meißner freut sich, draußen zu arbeiten und unter Leuten zu sein.
Arbeiten, wo andere ausspannen: Mitarbeiterin Josefine Meißner freut sich, draußen zu arbeiten und unter Leuten zu sein. © Sven Ellger
Andreas Naumann kennt das Bad von früher. „Die Leute sind freundlich. Es ist erholsam hier, sauber und nicht zu voll.“
Andreas Naumann kennt das Bad von früher. „Die Leute sind freundlich. Es ist erholsam hier, sauber und nicht zu voll.“ © Sven Ellger

Schon der Weg zum Bad lässt die Vorfreude auf die Erfrischung im Wasser steigen. Auf staubigem Weg geht’s über die Meißner Straße. Nicht stellenweise stehend, wie die Staugeplagten an der B6-Baustelle, sondern rollenden Rades Richtung Stausee. Der erste Pluspunkt ist der Stellplatz. Dutzende freie Fahrradständer stehen bereit. Dagegen kurven bereits um 14 Uhr zwei Autos vergeblich auf dem Parkplatz herum. Für eines der beliebtesten Freibäder Dresdens – vergangenes Jahr kamen 64 900 Gäste – ist er zu klein. Ein zweiter steht etwa 50 Meter stadteinwärts auf der linken Seite bereit. Die Dresdner Bäder als Betreiber des Stauseebades raten deshalb auch zur Anreise mit dem Bus.

300 000 Gäste sollen es werden

Die erste Überraschung: Die einzige Schlange, die sich am Eingang zeigt, liegt als bunt geringeltes Holzstück ein paar Meter entfernt. An der Kasse geht’s zügig. Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern sind auf den ersten Blick die häufigsten Gäste, wenn man den Blick über den Spielplatz und die schattige Liegewiese schweifen lässt. Die Lücken zwischen den einzelnen Decken sind groß.

Einige, wie Daniela Schumann, sitzen in der Sonne nahe der Schwimmbecken. Die 38-Jährige ist mit ihrer zwölfjährigen Tochter Elly und deren Freundin hier. „Das Gelände ist groß, man liegt nicht wie die Heringe zusammen.“ Auch das Nichtschwimmerbecken und die Rutsche finden sie toll. Dort, auf den Treppen zur 86-Meter-Rutsche, stehen zehn, zwölf Kinder und Erwachsene an. Sie warten auf Grün um schwungvoll abwärts zu sausen. Der einzige Ort, an dem es sich heute staut.

Nach dem Besucherrekordwochenende bleibt es an diesem Tag übersichtlich, findet auch Josefine Meißner. Die 26-Jährige schaut vom Rutschenturm über das weitläufige Gelände. Von hier aus hat die stellvertretende Badleiterin einen Überblick auf Auslauf-, Baby- und Nichtschwimmerbecken. „Wir gucken auf die Wettertrends und planen danach die Einsätze“, sagt sie. Vier Leute übernehmen heute die Aufsicht an Stausee und Becken.

„Ab 15, 16 Uhr beginnt der Nachmittagsschwung“, so die 26-Jährige. Dann kommen die Leute von der Arbeit. Wenn sie sich nicht von einer Wetter-App oder dem morgendlichen Wetterbericht im Radio haben abschrecken lassen. Was durchaus vorkomme und sich in niedrigen Besucherzahlen zeige. Ein Radiosender hatte an diesem Morgen mögliche Regenschauer verkündet. Auch manche Wetter-Apps auf dem Smartphone zeigten Regentropfen für Dresden an. Es bleibt allerdings den ganzen Tag über trocken und das Bad mit 1 150 Besuchern für diesen sonnigen Ferientag spärlich besucht.

Ein Trend, der sich oft zeige. Wer plant, ins Freibad zu gehen, höre an dem Tag besonders auf jede Wettermeldung, weiß der Dresdner-Bäder-Geschäftsführer Matthias Waurick. Ein angekündigter Schauer im Radio könne vielen den Besuch verleiden und so die Besucherbilanz an dem Tag schmälern. Und das bei bestem Sonnenschein. Alles nur wegen ungenauer Wetteraussichten.

Über die zurückliegenden Tage kann er sich trotzdem freuen. „Mit über 50 000 Gästen in allen unseren Freibädern war die vergangene Woche in dieser Saison unsere besucherstärkste Zeit“, erklärt er. „Wir hoffen bei dem anhaltend hochsommerlichen Wetter auf ein ähnliches Ergebnis in dieser und nächster Woche.“ Einschließlich Dienstagabend haben in dieser Saison 245 000 Gäste die acht Freibäder der Dresdner Bäder besucht. Das Ziel von 300 000 pro Saison könnte bereits Anfang August erreicht sein. Der besucherstärkste Tag war der 4. Juli, ein Mittwoch, zudem ohne WM-Spiel, mit 12 865 Gästen.

Kein Vergleich aber zu den 90er-Jahren. Etwa als 1995 rund 142 000 Gäste in der Saison allein ins Stauseebad kamen. Mehr als doppelt so viel wie heute. Nur noch blasse Erinnerung. Blass ist auch die Gegenwart, wenn man sich umschaut. Selbst Ende Juli, nach wochenlanger Hitze und bestem Freibadwetter sieht man becken- und wiesenweise helle Bäuche, rote Nacken und blasse Beine. Nur wenige sind durchweg gebräunt. So wie Conny. Die 54-Jährige spielt mit fünf Mitspielern Satz um Satz Beachvolleyball in der Sonne. „Ich bin oft hier bei schönem Wetter. Wir haben Spaß“, sagt sie und lacht. „Beachen und dann zur Abkühlung ins Wasser.“ Und schon ist sie – treppauf, treppab – im Stausee.

Früher wurde mehr Eis gegessen

Dort schwimmt auch Andreas Naumann seine Runden. Anfang der 90er zog der Dresdner weg. Lebt jetzt in Hannover und ist gerade auf Heimatbesuch. Auf den Nachmittag im Bad hat sich der 65-Jährige gefreut. Über mehr Gäste würde sich Eisverkäufer Uwe Türke freuen. „Es sind eher wenig Gäste in diesem Jahr“, sagt der 58-Jährige. Seit 1985 verkauft er Eis im Stauseebad. Heute bleibt die zweite Klappe am Tresen zu, die werde nur bei größerem Andrang geöffnet.

Zu DDR-Zeiten sei es deutlich voller gewesen, sagt Türke, auch noch vor zehn Jahren. Seitdem wurden andere Freibäder ausgebaut, die Leute würden mehr verreisen und zu sehr aufs Handy gucken, zählt er Gründe für den Rückgang auf. „Die Leute schauen auf ihre Wetter-App. Da waren heute früh ein paar Regentropfen zu sehen und dann kommen die Leute nicht. Sie schauen nicht mehr in den Himmel, vertrauen nicht darauf, was sie sehen“, sagt der Eisverkäufer. Auch um 17 Uhr bleibt der Abendandrang aus. Der Spielplatz ist voll, die Wiese halb leer – die Kassen gefüllt, aber da geht noch mehr.