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Auch Ältere wollen mehr Flexibilität

Etwa ein Drittel der Beschäftigten will noch vor dem regulären Renteneintritt aus dem Job aussteigen. Andere würden gern länger arbeiten. Dafür müssen aber auch Unternehmen umdenken.

Von Annett Kschieschan
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Im Handwerk wird oft die körperliche Belastung im Alter zum Problem. Hier kann die Automatisierung helfen. Auch klassische Bürojobs sind anstrengend, können aber oft auch im höheren Alter noch gut ausgeübt werden.
Im Handwerk wird oft die körperliche Belastung im Alter zum Problem. Hier kann die Automatisierung helfen. Auch klassische Bürojobs sind anstrengend, können aber oft auch im höheren Alter noch gut ausgeübt werden. © AdobeStock

Die einen freuen sich, die anderen machen sich eher Sorgen. Peter Gelsner gehörte vor vier Jahren zu Letzteren. Der nahende Rentenbeginn war für den Versicherungsfachmann nicht wirklich ein Grund zur Freude. „Ich habe meine Arbeit immer gern gemacht. Und wusste ehrlich gesagt nicht so wirklich, was ich künftig den ganzen Tag über tun sollte“, erzählt der gebürtige Dresdner, der viele Jahre in Berlin gelebt und gearbeitet hat. Er wohnt allein, die Tochter ist längst erwachsen, ein eigenes Grundstück, um das er sich kümmern muss, oder aufwändige Hobbys hat Peter Gelsner nicht. „Und den Tag vor dem Fernseher verbringen, wollte ich auch nicht“, sagt er.

Seine Lösung wurde schließlich das Ehrenamt. Er kümmert sich um Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen immer mal Unterstützung brauchen. Er gibt Nachhilfe in Mathe und Physik, kauft regelmäßig für eine hochbetagte Nachbarin ein, ist so ein bisschen der freiwillige Hausmeister in seiner Wohnanlage geworden. „Das hat mich gerettet, hätte ich es mir aussuchen können, wäre ich trotzdem noch ein paar Jahre in meinem Beruf geblieben“, sagt Gelsner.

Wertschätzung ist der Schlüssel

Für Arbeitgeber ist er damit eigentlich ein Traum-Mitarbeiter. Immer mehr Unternehmen bemühen sich, ältere Beschäftigte im Unternehmen zu halten. Grund ist – natürlich – der Fachkräftemangel. Doch zwischen Theorie und Praxis liegen auch bei diesem Thema oft Welten. Das zeigt ein Blick in den Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse für 2024. Er steht unter der Überschrift „Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job?“ Um diese Frage zu beantworten, hat das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) im Auftrag der TK im Januar 2024 bundesweit 1.021 Beschäftigte ab 50 Jahren sowie 311 Arbeitgeber zum Thema Renteneintritt sowie zu ihren Wünschen und den Angeboten der Arbeitgeber zur Mitarbeitendenbindung befragt. Ein Teil der Älteren kann sich, genau wie Peter Gelsner, durchaus vorstellen, länger zu arbeiten – wenn die Bedingungen dafür passen. Allerdings gab fast ein Drittel der in der Studie Befragten an, auf jeden Fall noch vor dem gesetzlichen Rentenalter aus dem Job aussteigen zu wollen. Bisher stießen sie in vielen Betrieben auf offene Ohren, wurden mit Altersteilzeitmodellen sogar zum frühen Rentenbeginn motiviert. Doch inzwischen ändert sich das. Viele Firmen können Stellen nicht mehr nachbesetzen. Das erhöht die Arbeitsbelastung der verbliebenen Mitarbeiter, was wiederum zu krankheitsbedingten Ausfällen oder direkt zur Kündigung führen kann.

In den HR-Abteilungen überlegt man daher inzwischen zunehmend nicht mehr, wie man den Älteren den Ruhestand schmackhaft machen kann, sondern wie man sie noch ein paar Jahre in der Firma hält. Der Schlüssel liegt, auch das ergab der TK-Report, bei den sogenannten weichen Faktoren. „Wer mehr Wertschätzung, Selbstbestimmung und Flexibilität am Arbeitsplatz erlebt, der arbeitet auch länger“, so Fabian Krapf, Geschäftsführer des IFBG. Die Studie zeige einen deutlichen Zusammenhang zwischen positiver Unternehmenskultur und dem Wunsch der Beschäftigten, später in den Ruhestand zu gehen. Vor allem bei der Arbeitszeit wollen die Älteren mehr Entscheidungsfreiheit und unterscheiden sich damit nicht von den oft viel gescholtenen Berufseinsteigern, für die flexible Arbeitszeiten ebenfalls ein besonders wichtiger Punkt sind.

Gesundheit im Fokus

Die Studie belegt auch, dass Gesundheit bei der Entscheidung für einen früheren oder späteren Renteneintritt ausschlaggebend ist. Wer sich mit diversen Einschränkungen durch den Arbeitstag quält, hat verständlicherweise wenig Interesse daran, länger zu arbeiten. Unternehmen sollten auch deshalb verstärkt ins interne Gesundheitsmanagement investieren, heißt es in der Auswertung. Denn: „Wer in jüngeren Jahren mehr Fehlzeiten aufweist, arbeitet im Alter seltener über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus." Ein Umdenken ist gegenwärtig in vielen Bereichen der Arbeitswelt nötig. Die zunehmende Bedeutung der KI mit all ihren Möglichkeiten der Automatisierung steht auf der einen Seite. Branchen und Betriebe, die vergeblich Mitarbeiter suchen, auf der anderen. Gleichzeitig ist Arbeit sinnstiftend und will auch so erlebt werden – auch von Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Eine Hausaufgabe vor allem für jene Unternehmen, die bisher bei der Rekrutierung vor allem die Jungen im Blick haben.