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Auf Umwegen zum Ziel

Nicht jeder Berufsweg verläuft geradlinig. Wer den Anschluss nicht verlieren will, kann das Angebot der Teilqualifizierung nutzen. Eine Analyse zeigt: Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigen dadurch deutlich.

Von Annett Kschieschan
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Ohne Weiterbildung läuft nichts auf dem Arbeitsmarkt. Teilqualifizierungen geben auch Männern und Frauen mit schwierigeren Startbedingungen die Möglichkeit dazu.
Ohne Weiterbildung läuft nichts auf dem Arbeitsmarkt. Teilqualifizierungen geben auch Männern und Frauen mit schwierigeren Startbedingungen die Möglichkeit dazu. © AdobeStock

Kein Bock auf Schule, kein Bock auf Ausbildung – Lernprobleme, Misserfolge und manchmal auch schwierige familiäre Situationen machen manchen jungen Leuten den Einstieg ins Berufsleben schwer. Wenn es nicht klappt mit dem Wunschberuf, die Lebensplanung in der Sackgasse steckt, ist oft auch die Motivation gering. Das ist persönlich fatal, aber mit Blick auf den Fachkräftemangel auch wirtschaftlich problematisch. Nicht selten trauen sich Betroffene den Weg auf den Arbeitsmarkt nicht so recht zu. Die Angst, neben besser ausgebildeten Bewerberinnen und Bewerbern chancenlos zu sein, lähmt oft jede Initiative.

Verschiedene Formen der Fortbildung setzen deshalb bewusst auf kleine Schritte. Und das mit Erfolg, wie eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt. Vor allem sogenannte abschlussorientierte Weiterbildungsangebote wie Teilqualifikationen und nachgeholte Ausbildungsabschlüsse verbessern demnach die Chancen auf eine sichere und besser bezahlte Beschäftigung deutlich.

Eine zwei- bis sechsmonatige Teilqualifizierung etwa hat in 72 Prozent der analysierten Fälle dazu geführt, dass der Teilnehmer beziehungsweise die Teilnehmerin tatsächlich neu oder wieder ins Berufsleben einsteigen konnte. „Mit Blick auf das Einkommen der Beschäftigten ist ein nachgeholter Berufsabschluss besonders lukrativ. Schon nach fünf Jahren liegt das Monatsgehalt dann durchschnittlich um 600 Euro über dem von Ungelernten, langfristig steigt der Vorteil sogar noch auf circa 850 Euro an“, heißt es in der Auswertung der Studie.

Starke Partner in Sachsen

Die Teilqualifikation sei damit ähnlich erfolgreich wie eine zweijährige Umschulung. „Da eine Teilqualifikation nur zwei bis sechs Monate dauert, ist ein Jobeinstieg aber früher möglich und die Maßnahme daher günstiger. Sie hat somit die beste Kosten-Nutzen-Bilanz“, sagt Roman Wink, Weiterbildungsexperte der Bertelsmann Stiftung.

Wer denkt, Beschäftigte mit Teilqualifikationen seien weniger gefragt auf dem Arbeitsmarkt, liegt falsch. Bertelsmann verweist in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage unter Unternehmern, bei der mehr als 80 Prozent der Befragten angaben, gern Menschen „mit nachgewiesenen Fähigkeiten in einer oder mehreren Teilqualifikationen“ einstellen. Das liegt auch in den Möglichkeiten des Qualifizierungschancengesetzes (QCG) begründet. Es ermöglicht eine zielgerichtete Förderung entsprechender Vorhaben durch die Arbeitsagenturen. Auch in Sachsen gibt inzwischen viele Beispiele für erfolgreiche Teilqualifizierungen, begleitet werden sie zum Beispiel vom Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft.

Deutschlandweit ist die Zahl der Teilqualifizierungen von 2010 bis 2020 von 3.000 auf 15.000 pro Jahr gestiegen. Damit gilt sie als aktuell einzige entsprechend wachsende Maßnahme unter den abschlussbezogenen Weiterbildungen. Den größten Teil machen hier traditionell Umschulungen aus. Rund 40.000 werden jedes Jahr in Deutschland absolviert. Eine hohe, aber seit Jahren stagnierende Zahl. Experten sehen auch deshalb große Chancen in den Teilqualifikationen. „Sie werden von Betrieben nachgefragt, können schnell erworben werden, sie führen zu einem erfolgreichen Jobeinstieg und – Schritt für Schritt – flexibel zu einem vollwertigen Berufsabschluss“, so Roman Wink.

Verbindliche Standards

Zudem zwinge die aktuell aufgrund der weltweiten Krisen angespannte Finanzlage „zu einer stärkeren Konzentration der Weiterbildungsbudgets auf besonders effiziente Maßnahmen“. Ein weiteres Argument für die Teilqualifikationen. Verbindliche Standards sollen sichern, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch bundeslandübergreifend passende Kurse und Anschlussangebote finden. Für Unternehmen lohnt sich der Fokus auf teilqualifizierte Mitarbeiter ohnehin. Unter anderem, weil die Arbeitsagenturen die entsprechenden Angebote fördern. 3,45 Millionen Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung wurden allein zwischen 2010 und 2020 auf diese Weise unterstützt.

Dazu kommt: Die Erwerbsquote bei den sogenannten Spät-Ausgebildeten liegt im Alter von 60 Jahren noch bei mehr als 85 Prozent, bei Ungelernten ist sie zehn Prozent niedriger. „Das ist nicht nur für die spätere Rente von großer Bedeutung. Ebenso wichtig ist der Nutzen für die Wirtschaft“, so Roman Wink. Aus- und Weiterbildung schützten demnach effektiv vor dem Fachkräftemangel.

Die Analyse basiert auf der Studie „Berufsabschluss durch Weiterbildung – Zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung“. Sie thematisiert die Beschäftigungs- und Einkommenseffekte des Erwerbs eines Berufsabschlusses im Alter über 25 Jahren sowie die Effekte von abschlussorientierten Weiterbildungen auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt.