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Die Teams verändern sich

Aus dem Arbeitsmarkt ist ein Bewerbermarkt geworden. Zu diesem Schluss kommt eine Befragung unter 10.000 Beschäftigten sowie Top-Führungskräften. Aber was bedeutet das konkret für Mitarbeiter und Unternehmen?

Von Annett Kschieschan
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Die Teams der Zukunft werden diverser – das gilt für die Geschlechterverteilung genau wie für Internationalität und eine größere Altersvielfalt.
Die Teams der Zukunft werden diverser – das gilt für die Geschlechterverteilung genau wie für Internationalität und eine größere Altersvielfalt. © AdobeStock

Zugegeben, die Bezeichnung klingt alles andere als hoffnungsvoll. Immer öfter ist im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben von der „Great Resignation“, der großen Resignation“, zu hören und zu lesen. Geht es um die Auswirkungen von Kriegen und Inflation, von Bankenzittern und Klimakrise? Zumindest nicht direkt. Der Begriff wurde in den USA geprägt, ist aber längst auch in Deutschland Thema. Er bezeichnet die sinkende Motivation vieler Beschäftigter an ihren Arbeitsplätzen. Immer mehr Menschen stellen demnach ihren Job und dessen Perspektiven infrage, erwägen einen Unternehmenswechsel oder direkt einen Neuanfang. Das muss per se nicht schlecht sein, stellt Unternehmen aber dennoch vor Herausforderungen. Denn vor der Kündigung steht meistens eine Phase der Unzufriedenheit und Demotivation.

Können Unternehmen den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin noch halten? Oder ist die Trennung für beide Seiten der bessere Weg? Unter anderem diesen Fragen nähert sich die jüngste Stepstone-Studie an. Unter dem Titel „Future. Work. Today.“ hat der internationale Arbeitsvermittler gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute insgesamt 10.000 Personen befragt. Im Fokus standen die Einschätzung der gegenwärtigen Arbeitswelt und die Frage, wie Beschäftigte die aktuellen und die anstehenden Veränderungen hier bewerten. Unter den Befragten waren 1.800 Rekrutierungsfachleute, 600 Führungskräfte aus dem Top-Management sowie 2.000 Führungskräfte im mittleren Management.Die erste Erkenntnis ist keine neue: Aus dem Arbeitsmarkt ist zunehmend ein Bewerbermarkt geworden.

Wer gut qualifiziert ist, kann sich seinen Job und das passende Unternehmen aussuchen. Das verbessert die Verhandlungsposition der potenziellen neuen Mitarbeiter, es erhöht aber nicht zwingend die Arbeitszufriedenheit. Gerade wer die Qual der Wahl hat, findet es unter Umständen schwierig oder auch schlicht unnötig, sich langfristig auf ein Unternehmen einzulassen.Die Grundsituation, da sind sich alle Experten einig, wird sich nicht ändern, weil die Zahl der Erwerbsfähigen schrumpft. Das heißt auch: Immer weniger Menschen müssen „denselben oder besser mehr Wohlstand produzieren als zuvor“, heißt es in der Stepstone-Studie. Das erhöht den Druck auf allen Seiten, führt aber insgesamt zu einer immer stärkeren Änderung des Machtgefüges.

Mehr Diversität am Arbeitsplatz

Das, so eine weitere Erkenntnis der Befragung, ist aber offenbar so noch nicht überall angekommen. So sahen die Befragten aktuell die Unternehmen noch immer in einer etwas besseren Verhandlungsposition. Bis 2030, so die Prognose, werde sich dieses Bild zugunsten der Jobsuchenden wandeln. Schon jetzt sind Unterschiede nach einzelnen Berufsgruppen sichtbar. So sehen sich Ärzte, IT-Fachleute oder auch Handwerker bereits heute in einer vorteilhafteren Verhandlungsposition im Bewerbungsprozess. Kein Wunder, sie erleben schon seit einigen Jahren, dass der Bedarf in ihren Berufen das Angebot an Arbeitskräften übersteigt. Führungskräften und Rekrutierungsspezialisten ist die Entwicklung ebenfalls bereits heute sehr bewusst.

Eine Hoffnung verbindet sich mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: So vermutet die Mehrheit der Befragten, dass sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, etwa bei der Höhe des Gehalts oder bei grundsätzlichen Karrierechancen, reduzieren wird. Die neue Arbeitswelt wird diverser werden, das Gleiche gilt für Belegschaften. So sind 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass es in Zukunft deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern geben wird und dass mehr Menschen über 60 noch aktiv im Arbeitsleben stehen werden. Vier von fünf Befragten sehen die Automatisierung darüber hinaus als potenzielle Entlastung. Ebenfalls nicht mehr wegzudenken ist die Möglichkeit, remote – also von unterschiedlichen Orten aus – zu arbeiten.

Flexibilität im Arbeitsleben bedeutet aber nicht nur, im Homeoffice oder im Co-Working-Space zu sitzen. Die Möglichkeit, jederzeit einen beruflichen Neubeginn zu starten, oder als Quereinsteiger umzusatteln, wird das Arbeitsleben in den kommenden Jahren noch weitaus stärker prägen als bisher. Viele Unternehmen stehen indes noch am Anfang, was die Umsetzung dieser neuen, höheren Anforderungen an Flexibilität angeht. Das lässt ihre Chancen im Ringen um Bewerberinnen und Bewerber sinken.

Gibt es die große Resignation also auf beiden Seiten? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Zwar gibt es Unternehmen, die bestimmte Stellen nicht mehr ausschreiben, weil sie wissen, dass der Markt an Bewerbern leer gefegt ist. Andererseits setzen manche Betriebe gerade jetzt auf ungewöhnliche Rekrutierungsformate oder bieten Quereinsteigern die entsprechende Qualifizierung auf Firmenkosten an – durchaus mit Erfolg. Bei den Arbeitnehmern selbst dürfte entscheidend sein, ob sie die Chancen der großen Auswahl auf dem Berufemarkt für sich nutzen oder eher motivationsloses „Job-Hopping“ betreiben. Letzteres, auch das wurde bereits untersucht, lässt die Zufriedenheit spätestens mittelfristig sinken.