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Die Zukunft, die längst begonnen hat

Durch die Pandemie ist die Arbeit 4.0 in aller Munde. Dabei läuft die Digitalisierung schon lange. Warum auch kleine Firmen davor keine Angst haben müssen.

Von Annett Kschieschan
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IT-Profi Marco Graef weiß, dass die Arbeit 4.0 längst Realität ist. Ihre Umsetzung erfordert allerdings auch ein Umdenken bei Mitarbeitern und Chefs.
IT-Profi Marco Graef weiß, dass die Arbeit 4.0 längst Realität ist. Ihre Umsetzung erfordert allerdings auch ein Umdenken bei Mitarbeitern und Chefs. © Thorsten Eckert

Nicht in unmittelbarer Nähe befindlich, aber miteinander verbunden“. Wer das Wort „Remote“ nachschlägt, bekommt diese Definition. Seit anderthalb Jahren sind wir oft remote unterwegs. Die Pandemie hat die Verbundenheit auf Distanz in den Alltag gebracht. Wir treffen uns in Videokonferenzen, arbeiten von verschiedenen Orten aus am selben Projekt, stoßen virtuell auf Erfolge an. Damit tun wir vieles von dem, was man unter „Arbeit 4.0“ versteht. Vernetzung und Digitalisierung sind die Schlüsselbegriffe, die uns freilich viel neuer erscheinen als sie sind. „Im Grunde gibt es digitale Arbeit schon seit 40 Jahren. Nicht so, wie wir sie heute erleben, aber die Anfänge dieser Arbeitsform sind alles andere als neu“, weiß Marco Graef. Er ist schon lange im digitalen Geschäft, war Head of Datacenter bei einem SAP-Dienstleister und arbeitet heute als IT Service Design Manager bei SHD in Dresden.

Datenschutz und Cyberkriminalität

Dass die Arbeit 4.0 plötzlich in aller Munde ist, überrascht den IT-Spezialisten nicht. Durch Corona und den ersten Lockdown wurde das, was in vielen Firmen eher als Kann-Option gehandelt wurde, plötzlich Pflicht: Die Arbeit vom Homeoffice aus, die digitalen Meetings, die virtuellen Fachkonferenzen. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sei die Umstellung zum Teil gravierend gewesen, weiß Marco Graef. „Für Großunternehmen war es schon lange ganz normal, dass man mit Mitarbeitern und Partnern auf der ganzen Welt digital kommuniziert. Der Unternehmer von nebenan war nun erst einmal überfordert“, so der Experte. Die SHD betreut viele solcher mittelständischen Betriebe in Sachsen und darüber hinaus. Entsprechend stieg der Beratungsbedarf seit Beginn der Pandemie deutlich.

Denn so praktisch die Arbeit 4.0 auch ist, sie erfordert viel Expertise im Hintergrund. Stabile und leistungsfähige Netze, die darüber hinaus allen Sicherheitsvorgaben zu Datenschutz und Cybercrime-Prävention entsprechen, sind dabei das Eine. Die tatsächlichen Arbeitsprozesse das Andere. Mindestens ebenso wichtig wie die technischen Voraussetzungen ist die veränderte Organisation des Berufsalltags. Wer von daheim aus arbeitet, muss seinen Tag selbst strukturieren können. Wann beginnt man mit der Arbeit? Wann geht es in die Pause? Wann wird der Dienst-Laptop definitiv ausgemacht? Während mancher Schwierigkeiten hat, sich für den Arbeitstag im heimischen Umfeld zu motivieren, findet der Kollege zu Hause kein Ende und sitzt noch bis in die Nacht am Rechner.

Hologramme im virtuellen Meeting?

Das stellt auch neue Ansprüche an Chefs und Teamleiter. Auch Führung auf Distanz will gelernt sein. „Gerade Vorgesetzte müssen hybride Kompetenz vorleben, also, dass man einige Tage im Homeoffice sein kann und trotz des Hin- und Herwechselns, den Anschluss nicht verliert“, sagte der Leipziger Arbeitspsychologe Dr. Hannes Zacher in einem Interview mit dem Magazin Wirtschaft in Sachsen. Damit einher gehe auch der Wechsel zur Vertrauensarbeit, „die viel motivierender ist, als das bisherige Modell, das auf Kontrolle beruht.“

Auch dabei ist klar: Ohne Lernen, ohne die Aufgeschlossenheit für veränderte Prozesse geht es nicht. „Die Herausforderungen bleiben“, ist sich Marco Graef sicher. Schließlich geht die Entwicklung nirgendwo so rasant voran wie im Bereich der IT. Können wir in absehbarer Zeit als Hologramme im virtuellen Raum erscheinen? Ermöglicht die Künstliche Intelligenz bald so echte Bots, dass wir gar nicht merken, ob wir mit einer realen Person oder einem programmierten Gegenüber sprechen? Fragen, die längst nichts mehr mit Science Fiction zu tun haben. Schon jetzt gibt es zum Beispiel komplett digitale Influencer, die von realen Personen so nicht zu unterscheiden sind. Umso wichtiger ist es, den Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren. „Wir sind ja nun einmal soziale Wesen und brauchen auch direkten Austausch“, sagt Marco Graef.

Die Arbeitswelt verändert sich. Der Begriff "Arbeit 4.0" steht vor allem für Digitalisierungsprozesse und ihre vielfältigen Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des modernen Berufslebens.
Die Arbeitswelt verändert sich. Der Begriff "Arbeit 4.0" steht vor allem für Digitalisierungsprozesse und ihre vielfältigen Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des modernen Berufslebens. © AdobeStock


In den vergangenen Monaten haben er und seine Kollegen noch einmal besonders deutlich gemerkt, welche Vorteile – aber auch Hürden – die Arbeit 4.0 hat. Bei der Entwicklung einer neuen Softwarelandschaft etwa mussten corona-bedingt plötzlich sämtliche Prozesse von der Ideenfindung über zahlreiche Workshops bis zum fertigen Produkt auf digital umgestellt werden. Da sei allein aufgrund der Größe des Vorhabens und der Zahl der Beteiligten zunächst vieles auch weniger effizient angelaufen. „Aber wir haben auch schnell die Vorteile erlebt - individuelle Zeiteinteilung, die Möglichkeit, Workshops aufzuzeichnen und damit verhinderten Kollegen auch später noch zugänglich zu machen, zum Beispiel“, so der Fachmann. Nicht zuletzt spart es Zeit und Geld, wenn etwa Partner aus anderen Bundesländern nicht erst zum Meeting anreisen müssen.

Vorteile, die auch viele kleinere Firmen durch die Pandemie erkannt haben. Unternehmen bei der Umsetzung der Arbeit 4.0 zu begleiten und dabei auch die Sicherheit der IT im Blick zu behalten, ist einer der Schwerpunkte von SHD. Ohne Partner, auch das ist eine Erfahrung der vergangenen Monate, wird die Arbeitswelt der Zukunft schnell zu komplex. Und auch wenn Corona irgendwann hoffentlich Geschichte ist – die Veränderung der Berufswelt wird weitergehen. „Das ist wie mit der Zahnpasta, die man auch nicht wieder zurück in die Tube drücken kann, wenn sie einmal draußen ist“, so Marco Graef schmunzelnd.