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Ein Campus für Sachsens Handwerk

Mit dem njumii- Zentrum soll in Dresden eine eigene Marke für Bildung entstehen.

Von Annett Kschieschan
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Schweißen am virtuellen Objekt: Dozent Marcel Nicklisch zeigt, was heute Teil der modernen Ausbildung ist.
Schweißen am virtuellen Objekt: Dozent Marcel Nicklisch zeigt, was heute Teil der modernen Ausbildung ist. © Andre Wirsig/Handwerkskammer

Ein Mann im Blaumann steht vor einer grasgrünen Wand, auf dem Kopf einen Helm, wie man ihn von Computerspielern kennt, die mit den futuristisch anmutenden Kopfbedeckungen in virtuelle Welten abtauchen. Genau das tut Marcel Nicklisch in diesem Moment ebenfalls. Allerdings erkundet er keine fantastische Spielewelt, jagt keine Drachen und sammelt auch keine virtuellen Schätze. Marcel Nicklisch schweißt. Die VR-Brille versetzt den Dozenten in ein Arbeitsumfeld, in dem eine Schweißnaht gesetzt werden muss. Auf einem Bildschirm ist genau zu sehen, wie er ansetzt, sich mit ruhiger Hand vorarbeitet. Im Schweißtechnischen Zentrum der Handwerkskammer Dresden hat man die Vorteile der virtuellen Aus- und Weiterbildung längst erkannt. Und mit dem njumii-Zentrum, das in den vergangenen Monaten auf dem Gelände in der Albertstadt gewachsen ist, sind nun auch die Bedingungen für eine moderne, zukunftsorientierte Ausbildung optimal. 

Auf reichlich 7.300 Quadratmetern Fläche entstanden insgesamt 176 Werkstattplätze für den praktischen Unterricht, dazu Lehr- und Seminarräume, Kompetenzzentren für Schweißtechnik, Gebäude-Energie-Effizenz und Robotik. Nicht zu vergessen der hochmoderne Veranstaltungssaal, an dem just an diesem Tag schon alle Tische festlich eingedeckt sind. Am Nachmittag werden hier die „Goldmeister“ geehrt, gestandene Handwerker und Handwerkerinnen, die vor 50 Jahren ihren Meisterbrief erworben haben. Corona-bedingt später als sonst im Jahr und mit reichlich Abstand zwischen den Stühlen.

Kompetenz in drei Zentren


Die Pandemie traf die Handwerkskammer in der letzten Phase der Arbeiten am njumii-Zentrum. Bis auf Kleinigkeiten ist nun alles fertig. Der Ausbildungsbetrieb läuft wieder regulär - gemäß der geltenden Corona-Regeln. In den Werkstätten lernen Jugendliche, was man aus Aluminium alles fertigen kann, bereiten sich Schweißer auf ihre nächste Prüfung vor, testen Azubis und Dozenten, wie das smart Home - das intelligente Zuhause - tatsächlich energieeffizient und intuitiv funktionieren kann. „Wir sehen das Handwerk als Partner der Energiewende“, sagt Kammerpräsident Jörg Dittrich. Das moderne Kompetenzzentrum im Dresdner Norden ist ein Beitrag dazu – und damit auch ein Beitrag zur Zukunftssicherung vieler Berufszweige.

Berufsorientierung für Schüler

Wie wichtig die Jobs im Handwerk sind, habe die Pandemie einmal mehr gezeigt. Nun gehe es darum, die Betriebe zu stärken und fit zu machen für eine Zukunft, die herausfordernd ist, die aber auch Chancen bietet. Etwa in der Robotik, die durchaus auch in kleinen und mittelständischen Firmen Anwendung finden kann - und das auch schon tut. – Vieles wird neu im sächsischen Handwerk. Das soll auch der Name des neuen Hauses widerspiegeln. „njumii“steht lautmalerisch für die englischen Worte „new“ und „me“. Es geht also um nicht weniger als die Suche nach Selbstverwirklichung, nach Wegen, die eigenen Stärken und Interessen in eine zukunftsfähige Aus- oder Weiterbildung zu übersetzen. Jörg Dittrich nennt das lebenslange Lernen als Kernprinzip von njumii. Das fängt bei der Berufsorientierung für Schüler an und führt über die Lehrausbildung bis zu Weiterbildungen und Spezialisierungen.

 Vor allem angehende Metallbauer, Elektrotechniker, Feinwerkmechaniker, Klempner und Landmaschinenmechaniker absolvieren hier ihre überbetriebliche Ausbildung. Sie kommen aus dem Elbland ebenso wie aus der Lausitz, aus dem Erzgebirge und natürlich dem Dresdner Land selbst. Als Referenz an die Regionen gibt es im njumii-Zentrum Räume, die den einzelnen Regionen gewidmet sind. Die „Goldmeister“ etwa feiern diesmal im Saal „Bautzen“.

Virtueller Tag des Handwerks


Die Großinvestition in der Albertstadt – von den insgesamt rund 45 Millionen Euro stemmt das Handwerk mehr als die Hälfte selbst, den Rest fördern Bund und Land – wäre ein schönes Aushängeschild für den Tag des Handwerks am 19. September gewesen. Coronabedingt sind Besuchertage und große Eröffnungsfeiern in diesem Jahr keine Option. Der Aktionstag – und das passt dann schon wieder zum Thema Zukunft – fand 2020 virtuell statt. Die Handwerkskammer hat Videos gedreht, die zeigen, was an einem Tag im Handwerk passiert – verteilt auf 24 Stunden. Und so begleitet der Zuschauer die Straßenbauer in der historischen Altstadt ebenso wie eine Malerin, die gerade die glänzende Hülle des Goldenen Reiters restauriert. Denn Digitalisierung hin oder her – wer ins Handwerk geht, will und muss anpacken. 

Das gilt übrigens auch für die Schweißer, die neben den gern genutzten Ausflügen in virtuelle Arbeitsräume natürlich ihre Nähte vor allem ganz real setzen. Die Zukunft im Handwerk hat viele Gesichter.

Für insgesamt 45 Millionen Euro entstand in der Dresdner Albertstadt ein hochmodernes Bildungszentrum.
Für insgesamt 45 Millionen Euro entstand in der Dresdner Albertstadt ein hochmodernes Bildungszentrum. © Andre Wirsig/Handwerkskammer