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Gekommen, um zu bleiben?

Wer die Möglichkeit hatte, im Homeoffice zu arbeiten, will oft nicht mehr zurück zum Präsenzmodell. Größeren Unternehmen verschafft das Vorteile bei der Rekrutierung, kleine Betriebe haben öfter das Nachsehen. Und: Auch innerhalb der Arbeitswelt zeigen sich neue Konflikte.

Von Annett Kschieschan
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Effizient am heimischen Schreibtisch: Vor allem höher qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.
Effizient am heimischen Schreibtisch: Vor allem höher qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. © AdobeStock

Was noch vor wenigen Jahren in Deutschland als exotisch galt, ist inzwischen für ein Viertel aller Beschäftigten ganz oder teilweise Alltag – die Arbeit im Homeoffice. 2021 waren knapp 25 Prozent der Deutschen Heimarbeiter. Während der pandemie-bedingten Lockdowns stieg die Zahl temporär sogar auf über 40 Prozent. Nach dem Wegfall der Corona-Schutzverordnungen ist ein Teil von ihnen zurück zur Präsenzarbeit gewechselt, manchmal freiwillig, manchmal, weil Unternehmen so modern dann doch nicht sein wollten. Mittlerweile gehen Experten jedoch davon aus, dass die Abkehr vom traditionellen Präsenzmodell nicht umkehrbar ist. Hätte es nur einen Lockdown gegeben, so die Vermutung der Politikwissenschaftler Daniel Lorberg und Holger Janusch, wäre die Veränderung weniger nachhaltig ausgefallen. Chefs und Mitarbeiter hätten das Homeoffice als kurze Episode abgehakt. Doch je länger die Einschränkungen andauerten, desto mehr Beschäftigte fanden Gefallen an der Arbeit daheim. Und auch in Unternehmen erkannte man zunehmend die Vorteile der digitalisierten Arbeitswelt. Weniger Präsenzarbeitsplätze vorhalten zu müssen, spart Platz, Miete, Jobticket-Zuschüsse und Energiekosten.

Dazu zeigen Untersuchungen, dass viele Mitarbeiter im Homeoffice effizienter arbeiten und dass sie seltener ausfallen. Beschäftigte mit Homeoffice-Möglichkeit haben weniger Krankentage als Beschäftigte ohne diese Arbeitsmöglichkeit. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. Demnach hatten einer Statistik aus dem Jahr 2021 zufolge Beschäftigte im Homeoffice im Durchschnitt 7,9 Fehltage in den vergangenen 12 Monaten. Bei Beschäftigten ohne Homeoffice waren es 12,9 krankheitsbedingte Fehltage. Ist die Arbeit zu Hause per se gesünder? Pauschal lässt sich das nicht verifizieren. Wer allein oder zu zweit wohnt und im Präsenzarbeitsmodell mit Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, reduziert sein Ansteckungsrisiko durch den Wechsel ins Homeoffice signifikant. Familien mit Kindern haben indes oft auch ohne den Job so viele Kontakte, dass sich der Effekt wieder reduziert.

Vorteile für höher Qualifizierte

Und: Das Homeoffice ist nach wie vor vor allem eine Option für Besserverdienende. So zeigt die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken auch, dass im genannten Zeitraum mehr als 80 Prozent der Menschen in der höchsten Einkommensgruppe mindestens teilweise von zu Hause aus gearbeitet haben. Wo gerade mal Mindestlohn gezahlt wird, sieht es auch mit der Remote-Arbeit mau aus. Ebenfalls nachweisbar: Jüngere arbeiten lieber von zu Hause aus als ihre älteren Kollegen. Auch, weil sie den täglichen Umgang mit digitalen Formaten selbstverständlich finden, während mancher über 50-Jährige sich noch immer schwer damit tut.

Unabhängig davon gehen etwa Daniel Lorberg und Holger Janusch davon aus, dass die Pandemie als Bruchstelle der globalen Wirtschaft die Arbeitsorganisation bereits jetzt nachhaltig verändert hat. Dies gelte „für die Arbeitsweise von Angestellten, Beschäftigten mit höherer Bildung und Einkommen, in Bereichen wie Management, IT, Finanzen und Recht sowie in Industrieländern mit hohen Einkommen“, so die Wissenschaftler ihrer Untersuchung „Ein Pfadbruch? Internationale Entwicklungen der räumlichen Dimension der Arbeitswelt nach Corona“, die jetzt im WSI, der Zeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, erschienen ist.

Das sei vor allem auf eine Änderung der Einstellung vieler Mitarbeiter zurückzuführen. Drei Viertel der Beschäftigten wollen Befragungen zufolge auch weiterhin zumindest zum Teil von Zuhause aus arbeiten. Gerade einmal 15 Prozent geben an, dass ihren Vorgesetzten Anwesenheit sehr wichtig sei. Vor der Pandemie waren es noch 60 Prozent. Vor allem im Bereich der „qualifizierten Angestelltenjobs in Großunternehmen“ werde das Homeoffice deshalb sogar noch stärker an Bedeutung gewinnen. Auch, weil Unternehmen inzwischen selbst in die entsprechenden Strukturen investieren und in Stellenanzeigen heute öfter direkt für Remote-Arbeit geworben wird. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das bisweilen der ausschlaggebende Punkt für erfolgreiche Rekrutierungen.„Größere Firmen, in denen räumliche Nähe zwischen den Beschäftigten ohnehin eine geringere Rolle spielt und die größere Kapazitäten zur professionellen Umorganisation der Arbeit haben, werden beim Homeoffice die Nase vorn haben – was sie wiederum attraktiver für qualifizierte Arbeitssuchende macht. Diejenigen, die bereits heute am meisten von der Digitalisierung profitieren, können ihre Wettbewerbsvorteile weiter ausbauen“, so eine Einschätzung von Daniel Lorberg und Holger Janusch.

Weil auch davon vor allem höherqualifizierte Beschäftigte profitieren, sehen die Forscher aber auch neue Spaltungslinien innerhalb der Arbeitswelt. Wer kann es sich leisten, von zu Hause zu arbeiten? Wer muss zwingend vor Ort sein? Welche Auswirkungen das auf ohnehin gebeutelte Branchen wie etwa die Pflege haben wird, ist langfristig nicht absehbar.