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Gemeinsam stärker im Job

Wie werden die Mitarbeitervertretungen in ihrer Wirkung wahrgenommen? Ein Forschungsprojekt zeigt: Vielfach besser als vermutet.

Von Annett Kschieschan
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Gemeinsam stärker: Betriebsräte und Gewerkschaften helfen Arbeitnehmern dabei, ihre Rechte durchzusetzen. Dass das auch für jüngere Beschäftigte kein alter Hut ist, zeigt eine internationale Befragung.
Gemeinsam stärker: Betriebsräte und Gewerkschaften helfen Arbeitnehmern dabei, ihre Rechte durchzusetzen. Dass das auch für jüngere Beschäftigte kein alter Hut ist, zeigt eine internationale Befragung. © AdobeStock

Zur Transformation der Arbeitswelt gehört auch ein stärkerer Fokus auf die Bedürfnisse von Beschäftigten. In Zeiten des Fachkräftemangels haben sie heute weitaus bessere Karten, wenn es um die Durchsetzung ihrer Wünsche geht als noch vor einigen Jahren. Macht das gewerkschaftliches Engagement weniger wichtig? Und wie wird die Wirksamkeit der Mitarbeitervertretungen eingeschätzt? Mit diesen Fragen haben sich Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen und der Griffith-University im australischen Brisbane beschäftigt.

Ein Ergebnis: Die Nutzung des Internets und insbesondere auch der Sozialen Netzwerke wirkt sich positiv auf die Einstellung gegenüber Gewerkschaften aus. Das zeigen die ausgewerteten Daten der Befragung aus Deutschland und Australien. Menschen, die sich über den Kurznachrichtendienst Twitter, aber auch über Facebook oder Youtube informieren, haben demnach sogar eine tendenziell bessere Meinung zum Sinn von gewerkschaftlichem Engagement als Menschen, die eher traditionelle Medien nutzen.

Soziale Medien werden wichtiger

An der Onlinebefragung hatten sich mehr als tausend Männer und Frauen in Deutschland und mehr als 2.200 Beschäftigte in Australien beteiligt. Sie waren aufgefordert, Aussagen wie „Beschäftigte brauchen starke Gewerkschaften, um ihre Interessen zu verteidigen“ auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten. Zusätzlich sollten sie ihre spontanen Assoziationen zum Thema Gewerkschaftsarbeit aufschreiben. Im Ergebnis gaben knapp 70 Prozent der deutschen Befragten an, dass sie starke Gewerkschaften für wichtig halten. Gerade einmal zwölf Prozent waren der Meinung, dass die Arbeitnehmervertretungen eher schlecht für die Wirtschaft sind. Bei den australischen Teilnehmern lagen die Werte bei 56 beziehungsweise 18 Prozent.

In Deutschland sind Gewerkschaften mehrheitlich positiver konnotiert als in Down Under. Bemerkenswert: Bei den unter 30-jährigen Beschäftigten fielen die Ergebnisse sogar noch etwas besser aus als bei den älteren Befragten. Dazu passt allerdings, dass heute vor allem auch das Internet und die Sozialen Netzwerke für die Informationsbeschaffung – auch zum Thema Gewerkschaftsarbeit – gehören. In Deutschland nutzen sie 48 Prozent der Befragten mindestens einmal täglich, um sich über politische Themen zu informieren, in Australien sind es 38 Prozent. Während die traditionellen Medien in Deutschland trotzdem noch hoch im Kurs stehen, haben sie für australische Nutzer eine deutlich geringere Bedeutung.

Werden Faktoren wie das Alter, der Beruf oder das Einkommen der Beschäftigten statistisch berücksichtigt, wirke sich die Nutzung von Social Media grundsätzlich positiv aus, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Die Wissenschaftler werten das auch als Indiz dafür, dass die sozialen Medien trotz der in den letzten Jahren stärker wahrgenommenen Fake News eine wichtige Funktion bei der Beschaffung und Bewertung von Informationen haben. Und dass sie eher traditionelle Themen wie die Gewerkschaftsarbeit durchaus auch für jüngere Leute zugänglich machen.

In Deutschland ist der DGB der größte Dachverband für gewerkschaftliches Engagement. Er umfasst acht sogenannte Mitgliedsgewerkschaften, die mit den Arbeitgebern über tarifpolitische Verbesserungen verhandeln sowie ihre Mitglieder bei arbeits- und sozialrechtlichen Problemen beraten und unterstützen, zum Beispiel bei der Gründung von Betriebsräten. Die Gründung eines solchen Gremiums ist in jedem privatwirtschaftlichen Unternehmen möglich. Im Betrieb müssen mindestens fünf aktiv Wahlberechtigte beschäftigt sein, davon drei auch passiv wahlberechtigt. Aus wie vielen Personen ein Betriebsrat besteht, hängt dabei von der Größe des jeweiligen Betriebs ab und ist im Betriebsverfassungsgesetz geregelt.

Höheres Interesse bei jungen Leuten

Laut dem IAB-Betriebspanel, einer repräsentativen jährlichen Befragung von Betrieben im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, hatten zu Beginn der Corona-Krise sachsenweit nur acht Prozent aller Betriebe einen Betriebs- oder Personalrat. Bundesweit gab es in rund jeder zehnten Firma, die einen Betriebsrat haben könnte, ein solches Gremium. 41 Prozent der Arbeitnehmer im Westen und 36 Prozent im Osten werden von Betriebsräten vertreten. Dass gerade jüngere Beschäftigte dem gewerkschaftlichen Engagement offenbar positiv gegenüberstehen, könnte dazu beitragen, diese Zahlen mittelfristig zu erhöhen. Die durchaus hohe Beteiligung an den jüngsten Betriebsratswahlen im vergangenen Jahr stützt diese Vermutung.