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Messe Karrierestart lockt Lehrlinge mit Hund und Herz

Auf der Dresdner Berufemesse Karrierestart bewerben sich Firmen um Nachwuchs. Minister Dulig bekommt Geschicklichkeitsaufgaben gestellt - und Fragen.

Von Georg Moeritz
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Dieser Herzschrittmacher funktioniert mit Batterien aus Pirna: Litronik-Personalchefin Peggy Michael wirbt erstmals auf der Messe Karrierestart um Nachwuchs.
Dieser Herzschrittmacher funktioniert mit Batterien aus Pirna: Litronik-Personalchefin Peggy Michael wirbt erstmals auf der Messe Karrierestart um Nachwuchs. © Ronald Bonß

Dresden. Diese silbrig glänzenden Ausstellungsstücke sind zum ersten Mal auf der Messe Karrierestart in Dresden zu sehen. Früher hatte das Unternehmen Litronik Batterietechnologie aus Pirna es nämlich kaum nötig, nach Bewerbern zu suchen. Freie Stellen waren rasch wieder besetzt.

Doch Personalchefin Peggy Michael weiß, dass ihr Betrieb mit 370 Mitarbeitern jetzt auf sich aufmerksam machen muss: "Die jungen Leute kennen uns nicht", bedauert sie. Im Wettbewerb um Nachwuchs muss Litronik seinen Namen bekanntmachen. Also stand Peggy Michael am Wochenende mit Geschäftsführer Tim Traulsen im Messelärm und erklärte immer wieder, dass in Pirna die Batterien für Herzschrittmacher aus Berlin hergestellt werden – sowie für Sensoren und Defibrillatoren.

Die Info-Blätter am Litronik-Messestand zeigen, dass Betriebe ihre Vorteile herausstellen müssen: 38-Stunden-Woche und flexible Arbeitszeit steht in der Information für den künftigen Mechatroniker. Außerdem die hauseigene Kantine mit subventioniertem Essen, 30 Tage Urlaub sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Ein Roboter der Tiefbaufirma Rhomberg Sersa macht Messebesucher neugierig. Der Vierbeiner bewegt sich ähnlich wie ein lebendiger Hund. Er wird eingesetzt, wo es eng, dunkel oder heiß ist.
Ein Roboter der Tiefbaufirma Rhomberg Sersa macht Messebesucher neugierig. Der Vierbeiner bewegt sich ähnlich wie ein lebendiger Hund. Er wird eingesetzt, wo es eng, dunkel oder heiß ist. © Ronald Bonß

Jungen in Gruppen weniger schüchtern

Leicht hatten es die Personalwerber auf der Messe am Wochenende nicht: 480 Aussteller präsentierten sich im Gedränge. Stimmengewirr mischte sich mit den Hammerschlägen des Belgerner Dachdeckers Paul Hobeck, der Herzformen aus Schiefer zurechtschlug.

Ein elektronischer Vierbeiner lockte viele Schaulustige an: Der gelenkige Roboterhund gehört dem Tiefbaukonzern Rhomberg Sersa, der viel für die Schweizer Bahn arbeitet, aber auch in Dresden 60 Beschäftigte hat. Standortleiter Torsten Schmidt stellte fest, dass viele Jungen etwas schüchtern durch die Messehallen gingen. Kamen sie aber in Gruppen oder mit den Eltern, ergaben sich eher Gespräche. Schmidt sagte am Sonnabend zufrieden, mit 10 bis 20 Bewerbungen könne er als Folge der Messe schon rechnen.

Sein Auszubildender Paul Sturm gab am Stand auch gerne Auskunft. Er hat seine Lehrstelle noch auf altmodische Art gefunden – ein Bekannter nahm ihn mal mit in die Firma, es folgte ein Monat Praktikum. Nun lernt Paul Sturm Tiefbauer und Gleisbauer. Er ist gerne draußen unterwegs. Auf der Messe darf er auch mal den Roboterhund tanzen lassen, der sonst in Österreich zum Beispiel für Baudokumentationen an engen Stellen arbeitet.

Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig testet mit Heartucate-Gründerin Franziska Weser ein Lernspiel, bei dem man sich mit einem Ipad in einem Raum bewegt.
Sachsens Arbeitsminister Martin Dulig testet mit Heartucate-Gründerin Franziska Weser ein Lernspiel, bei dem man sich mit einem Ipad in einem Raum bewegt. © Ronald Bonß

Minister Dulig bekommt Aufgaben: Herzchen formen

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zog am Sonnabend ebenfalls von Stand zu Stand. Während andere Messebesucher Kugelschreiber und Flummibälle schnorrten, durfte der Minister beim Kühlanlagenbau-Handwerk ein Kupferrohr in Herzform biegen.

Gleich nebenan drückten ihm Zahntechniker einen Wachsdraht in die Hand, ebenfalls mit einer Geschicklichkeitsaufgabe: Wieder war ein Herz die Vorgabe. Herzen scheinen in Mode zu sein. Der Dresdner Bäckermeister Andreas Wippler zeigte einen Brotlaib, der mit Herz, Friedenstaube und ukrainischer Fahne dekoriert war.

In Unternehmergesprächen bekam Dulig auch die Frage gestellt, ob nun Arbeitsangebote für ukrainische Flüchtlinge speziell gebündelt würden. Dulig verwies auf die Arbeitsagenturen und sagte, es sollten keine Parallelstrukturen geschaffen werden. Die Kinderbetreuung müsse gesichert werden. Dulig sagte, es gebe ein wachsendes Interesse an sozialen Berufen, auch als Folge der Corona-Pandemie.

Andrang vor der Messe Dresden: Zur Berufemesse Karrierestart kommen viele Schüler, manche mit ihren Eltern.
Andrang vor der Messe Dresden: Zur Berufemesse Karrierestart kommen viele Schüler, manche mit ihren Eltern. © Georg Moeritz

Zukunftsthema Wasserstoff macht Firmen interessant

Doch auch das "Riesen-Zukunftsthema Wasserstoff" kann nach Duligs Ansicht Interesse wecken. Beim Dresdner Anlagenbauer Linde bestätigte Ausbilderin Lisa Thierbach den Eindruck: "Das Thema Wasserstoff zieht", sagte sie. Der Betrieb mit rund 350 Beschäftigten spüre, dass Bewerber sich dafür interessierten.

Linde hat laut Thierbach bisher vor allem um Studenten geworben und nun erstmals einen Stand auf der Karrierestart gebucht. Die Messe wird vom Unternehmen Ortec veranstaltet. Das gehört zur DDV-Mediengruppe, die auch die Sächsische Zeitung herausgibt.

Im vorigen Jahr war die Messe ausgefallen, und auch Praktika und Schulprojekte waren wegen Corona erschwert. Firmen suchen auch deshalb Nachwuchs auf vielen Wegen. Ende Februar waren bei den sächsischen Arbeitsagenturen 13.200 Bewerber gemeldet, aber 16.500 Ausbildungsstellen. Die Bewerberzahl ist etwa so hoch wie voriges Jahr, das Lehrstellenangebot aber um mehr als 2.200 gewachsen. 44 Prozent der sächsischen Betriebe hatten schon im Jahr 2020 gemeldet, dass sie mindestens eine Stelle nicht besetzen konnten.

Ein Modell-Pool mit Plaste-Enten macht die Messe auch für die kleine Panteha interessant. Die Pirnaer Firma ESM Edelstahl- Schwimmbad und Metallbau GmbH stellt sonst große Schwimmbecken her.
Ein Modell-Pool mit Plaste-Enten macht die Messe auch für die kleine Panteha interessant. Die Pirnaer Firma ESM Edelstahl- Schwimmbad und Metallbau GmbH stellt sonst große Schwimmbecken her. © ronaldbonss.com

Doch so mancher Betrieb hat mit Messen gute Erfahrungen gemacht, darunter auch die Pirnaer ESM Edelstahl- Schwimmbad- und Metallbau GmbH. Ihr Mini-Pool mit Plaste-Enten wurde zum Hingucker auch für die jüngsten Messebesucher. In Groß haben die 65 ESM-Mitarbeiter schon Becken für Hallenbäder in Dresden und Pirna geformt, aber auch für China und Doha. Gerade seien sie viel in Nordeuropa aktiv, sagte Geschäftsführerin Kristina Steinborn. Auf früheren Messen habe sie nicht nur Lehrlinge gefunden, berichtete sie: Auch ein Vater, der seinen Sohn begleitete, bekam im Betrieb eine Stelle als Schweißer.

Auf die Messe am Wochenende folgt ab Montag die Woche der offenen Unternehmen in Sachsen als "hybrides Angebot", dazu gibt es eine Internetseite. Die Handwerkskammer Dresden hat Lehrstellen und Praktikumsadressen ebenfalls im Internet zusammengestellt.