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Warum ein sächsischer Steinmetz Roboter beschäftigt

Im Meisterbetrieb von Sven Schubert in Dresden rotieren gewaltige Sägeblätter. Dazu kommen zwei Automaten, die alleine arbeiten – muss das sein?

Von Georg Moeritz
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Handarbeit bleibt erhalten, auch wenn nebenan Roboter arbeiten: Bildhauer Dirk Bretschneider hat es mit Herkules zu tun.
Handarbeit bleibt erhalten, auch wenn nebenan Roboter arbeiten: Bildhauer Dirk Bretschneider hat es mit Herkules zu tun. © Archivfoto: dpa-Zentralbild

Dresden. Dieser Roboter darf nicht empfindlich sein: Milchiger Steinschlamm hat sich auf seinem Arbeitsarm abgesetzt, ständig rieselt Kühlwasser an seinem Fräskopf vorbei. Auch der Boden unter dem Automaten ist schlammig von den abgetragenen feuchten Sandsteinpartikeln. Wer im Steinmetzbetrieb arbeitet, muss einiges aushalten – ob als Mensch oder Maschine.

Sven Schubert ist Chef von zwei Dutzend Menschen und zwei Robotern. Als sächsische.de Schuberts Werkstatt im Dresdner Norden besucht, ist gerade seine Sekretärin wegen Corona ausgefallen. Die Roboter dagegen hätten sogar nachts durchgearbeitet, berichtet der Dresdner Steinmetz und Steinbildhauer.

Doch der Handwerksmeister hat seine Automaten nicht angeschafft, um Menschen zu ersetzen. Er bildet auch regelmäßig Lehrlinge aus. Schubert betont aber, dass die Roboter grobe Arbeiten schneller erledigen.

Dresdner Steinmetze am Berliner Stadtschloss beteiligt

Seinen ersten Roboter mit schwenkbarem Arm und Wasserkühlung schaffte der Steinmetz 2014 an. Inzwischen hat er zwei davon. Sonst hätte der Meisterbetrieb seinen größten Auftrag nicht erfüllen können, sagt Schubert: die Mitarbeit am Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Inzwischen kann es als Humboldt Forum besichtigt werden, Besucher durchschreiten dort auch Portale aus Dresden.

Einer von zwei 5-Achs-Robotern in der Schubert Steinmetz- und Steinbildhauer GmbH in Dresden. Die Maschine mit schwenkbarem Arm und Kühlwasser bearbeitet den Stein nach Programm, danach legt ein Handwerker Hand an.
Einer von zwei 5-Achs-Robotern in der Schubert Steinmetz- und Steinbildhauer GmbH in Dresden. Die Maschine mit schwenkbarem Arm und Kühlwasser bearbeitet den Stein nach Programm, danach legt ein Handwerker Hand an. © SMWA/Ronald Bonß

Stolz zeigt Schubert in seiner Werkstatt zwischen Gipsmodellen und Sandsteinwappen Seiten aus Fachzeitschriften wie „Naturstein“, die über seine Arbeit berichten. Der Dresdner Betrieb lieferte Werksteine mit traditioneller händischer und mit maschineller Oberflächenbearbeitung, dazu Kopien barocker Skulpturen nach den Maßen von Gipsfiguren aus Berlin.

In den holzgedeckten Werkstattkojen auf Schuberts Hof arbeitet die Steinmetzmeisterin Nicole Burkhardt. Vor sich hat sie ein steinernes Bauteil für einen Renaissancegiebel, das schneckenförmig endet. Der programmierte Roboter hat den Sandstein zurechtgeschnitten und fürs Auge des Laien schon in eine schöne Form gebracht.

Steinmetzmeisterin: Maschine ist schneller

Doch Burkhardt betont: „Die Maschine kann noch nicht in die Ecken“. Fix und fertig alle Rundungen bearbeiten, das sei weiterhin die Aufgabe der Handwerkerin. „Das ist auch gut so, oder?“, erkundigt sich Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) bei einer Betriebsbesichtigung. Die Meisterin stimmt zu.

Burkhardt sieht den Vorteil der Maschine darin, schneller und effizienter die grobe Form aus dem Steinblock „zu schnitzen“. Gegen diese Hilfe des Roboters habe sie nichts: „So modern können wir schon denken“, sagt die Handwerkerin zum Arbeitsminister. Schließlich arbeite sie auch mit der Flex und mit Pressluft.

Und das sind nicht die einzigen Maschinen in der Schubert Steinmetz- und Steinbildhauer GmbH nahe der Bosch-Mikrochipfabrik. Beim Rundgang zeigt Schubert, wie grobe Blöcke verarbeitet werden: Ein Klotz aus Postaer Sandstein, groß wie ein Fiat 500, hängt unter einem gewaltigen Sägeblatt.

Die Säge fährt immer hin und her, stundenlang, und schneidet den Stein in Scheiben. Schubert scherzt über seinen „Eierschneider“ und nennt seinen 5-Achs-Roboter einen „einarmigen Banditen“. Auf dem Hof, zwischen strahlend weißem Carraramarmor und Sandstein in vielen Ocker-Tönen, wartet ein Kreissägeblatt auf den Einsatz. Es misst 2,70 Meter im Durchmesser.

Steinmetz und Steinbildhauer Sven Schubert (links) vor einer Kreissäge in seinem Betrieb, rechts Arbeitsminister Martin Dulig (SPD). Der Minister sieht Vorteile darin, körperlich schwere Arbeiten zu automatisieren.
Steinmetz und Steinbildhauer Sven Schubert (links) vor einer Kreissäge in seinem Betrieb, rechts Arbeitsminister Martin Dulig (SPD). Der Minister sieht Vorteile darin, körperlich schwere Arbeiten zu automatisieren. © SMWA/Ronald Bonß

Die Könige wollten auch schon schnell bauen

Wenn Schuberts Maschinen alle gleichzeitig laufen, brauchen sie 400 Liter Wasser pro Minute. Der Chef betont, dass seine Klärtechnik das ganze Wasser im Kreislauf halte. Für den 57-Jährigen ist der Umgang mit Technik selbstverständlich. Seinen Kunden gehe es um Qualität, Preis und Zeit, sagt er. Doch gleich fällt Schubert ein: Das war immer schon so. Auch Könige in früheren Jahrhunderten wollten, dass ihre Bauwerke schnell fertig werden.

Arbeitsminister Dulig sagt, die Automatisierung körperlich schwerer und monotoner Arbeiten habe Vorteile: Sie gebe Raum für andere produktive, kreative Tätigkeiten. Arbeitgeber wie Schubert können damit auch um neue Fachkräfte werben. Schuberts Angestellter Edgar Scheidewig beispielsweise hat Geologie in Freiberg studiert und arbeitet heute am Scanner. Damit nimmt er Maß und modelliert – am Computer – die Werkstücke.

Robot Valley Saxony plant Robotik-Festival in Leipzig

Die Handwerkskammer Dresden hat vor zwei Jahren ein „Kompetenzzentrum Robotik im Handwerk“ in Betrieb genommen. Dort gibt es Schweißroboter und ein Testfeld. Auch die Kammer betont: „Der Roboter soll den Handwerker nicht ersetzen, sondern ihm schwere, gefährliche und monotone Aufgaben abnehmen“. Sachsen hat laut Minister Dulig das Potenzial, „zu einem führenden europäischen Standort der Robotik zu werden“.

Thomas Schulz versucht als Chef des Unternehmens Robot Valley Saxony, Betriebe dieser Branche zusammenzubringen. Für Mitte September bereitet er in Leipzig ein Robotik-Festival vor, mit Entscheidern aus der Industrie, Wissenschaftlern und 30 jungen Unternehmen aus aller Welt. Voriges Jahr hat das Robotik-Festival in Dresden stattgefunden.

Meister Sven Schubert, jetzt 57 Jahre alt, möchte allerdings keine Roboter mehr anschaffen. Einen so großen Auftrag wie das Berliner Stadtschloss bekomme man nur einmal im Leben sagt er. Nun seien kleinere Brötchen zu backen. Immerhin: Seine Fahrzeuge stehen vor dem Justizministerium in Dresden, am Wasserschloss Oberau im Kreis Meißen – und am Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam ist Schuberts Betrieb auch beteiligt. Mit Menschen und Maschinen.