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Warum sich Arbeit ändern muss

Wer heute in den Beruf einsteigt, hat andere Erwartungen als die Vorgänger-Generation. Firmen müssen darauf reagieren.

Von Annett Kschieschan
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Ohne Teamarbeit geht in den meisten Arbeitsfeldern wenig. Doch wo und wie man sich trifft, kommuniziert und entscheidet, ändert sich teilweise deutlich.
Ohne Teamarbeit geht in den meisten Arbeitsfeldern wenig. Doch wo und wie man sich trifft, kommuniziert und entscheidet, ändert sich teilweise deutlich. © AdobeStock

Wenn es ernst wird, werden auch die Begrifflichkeiten martialischer. Der War of Talents ist ein gutes Beispiel für das, was aktuell in der Arbeitswelt passiert. Der Kampf um Talente, um Bewerber, um Nachwuchs ist in vielen Betrieben inzwischen zum Ringen um die eigene Zukunftsfähigkeit geworden. Denn Fachkräfte sind rar und machen sich immer rarer. Der Fachkräftemangel als Entwicklungshemmnis ist aus Sicht der Unternehmen merklich angestiegen, wie unter anderem aus der Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hervorgeht. Betroffen sind zunehmend auch die neuen Bundesländer, aus denen es gut ausgebildete Männer und Frauen nach wie vor oft dorthin zieht, wo höhere Gehälter gezahlt werden.

Der War of Talents ist dadurch härter geworden. Er lehrt Unternehmen aber auch zunehmend, dass sie ihre Chancen selbst beeinflussen können. Und dass Berufseinsteiger heute mehr – und vor allem anderes – erwarten. Gleich mehrere Studien haben sich in den vergangenen Jahren mit der Generation Y beschäftigt. Gemeint sind Männer und Frauen, die zwischen den frühen 80er- und den späten 90er-Jahren geboren sind. Geld und Status, der mühsame Aufstieg auf der Karriereleiter sind vielen von ihnen nicht so wichtig wie persönliche Freiheit, Selbstverwirklichung und eine Work-Life-Balance, bei der das Leben deutlich stärker im Fokus steht.

Ganz so pauschal mag das nicht jeder mit dem Thema befasste Soziologe heute bestätigen. Fest steht aber, dass mit der ersten Generation der Digital Natives auch Arbeitnehmer am Start sind, die kein Verständnis mehr für Präsenzkultur und ausgeprägte Hierarchien haben. Wer also Vorteile haben will im Krieg um die Besten, muss ihnen vor allem eines bieten: Freiheit. Das mobile Arbeiten gehört ebenso selbstverständlich dazu wie die Chancen auf Weiterbildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die sogenannten weichen Faktoren sind heute die entscheidenden. Das musste auch so mancher Personaler erst lernen.

Manche Unternehmen gehen indes noch einen Schritt weiter. So wurde das in Johanngeorgenstadt ansässige Unternehmen Testa Motari im letzten Jahr zum besten Arbeitgeber Sachsens gewählt. Den Sonderpreis im Rahmen der Auszeichnung „Unternehmer des Jahres“ gab es auch für eine moderne Art der Unternehmensführung - mit flachen Hierarchien, viel Mitsprache und Entfaltungsmöglichkeiten für die Angestellten.

New Work für eine neue Zeit

Das Konzept dahinter hat einen Namen. „New Work“ geht auf den deutsch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Bergmanns Grundannahme beruht darauf, dass die bisherige Form der Arbeitskultur überholt sei. Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft sind für ihn die Säulen des modernen Berufsalltags. Wer New Work konsequent denkt, verabschiedet sich mittelfristig von Großraumbüros und Präsenz-Meetings. Offene Büros, in denen Menschen arbeiten und sich austauschen können, die aber nichts mehr mit festinstallierten Schreibtisch-Arbeitsplätzen zu tun haben, sind eine Umsetzungsvariante der New Work. Ruhezonen sollen den individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen. Ob man sich direkt trifft oder virtuell, entscheiden die Beteiligten selbst. Während all das vor allem guten Willen, ein stabiles Netzwerk und moderne Unternehmensarchitektur braucht, ist ein anderer Schwerpunkt der Bergmann‘schen Theorie deutlich schwieriger umzusetzen. Flache Hierarchien werden gern als Begriff bemüht, wenn Unternehmen ihre Modernität beweisen wollen.

Tatsächlich bedeuten sie im Zweifel eine komplette Veränderung der Führungskultur und nicht zuletzt auch mehr Verantwortung für die Mitarbeiter. Die sollen in der New Work im Team gemeinsam entscheiden, welchen Weg das Unternehmen einschlagen soll. New Work ist also deutlich mehr als mobiles Arbeiten. Das betont auch Dr. Ole Wintermann.

Das Büro wird bleiben – aber eher nicht als Dauer-Präsenzarbeitsort.
Das Büro wird bleiben – aber eher nicht als Dauer-Präsenzarbeitsort. © AdobeStock

Der Senior Project Manager der Bertelsmann Stiftung befasst sich mit der Zukunft der Arbeit sowie Fragen der Globalisierung und Demografie, der Netzfreiheit und Open Educational Ressources. „Die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen auf Augenhöhe, die Fähigkeit, Bereitschaft und digitale Kompetenz zur sozialen Kollaboration, die Frage nach den Werten, die mich als Menschen steuern, die Offenheit für beständige Änderungen des Arbeitsumfeldes, die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. All dies macht New Work aus“, so Wintermann.

Unternehmen, die Ansätze wie den der New Work ernst nehmen und zumindest in Teilen versuchen, umzusetzen, können vor allem bei jüngeren Menschen punkten. Ein Vorteil also im War for Talents. Der trieb übrigens schon die Wirtschafts-Visionäre der späten 90er um. Der Begriff wurde zum ersten Mal im Jahr 1997 in einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company verwendet. Autor Steven Hankin beschrieb damit die zunehmende Schwierigkeit von Unternehmen, geeignetes qualifiziertes Personal zu finden. Und das zu einer Zeit, als die Generation Y noch in den Kinderschuhen steckte.