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Welche Jobs jetzt begehrt sind

Wer baut Solaranlagen auf Dächer, installiert Wärmepumpen und hilft der Verkehrswende auf die Sprünge? Vor allem in der Baubranche schafft die Klimapolitik neue berufliche Perspektiven.

Von Annett Kschieschan
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Immer mehr Dächer werden mit Solarzellen ausgestattet. Dachdecker müssen sich damit auskennen.
Immer mehr Dächer werden mit Solarzellen ausgestattet. Dachdecker müssen sich damit auskennen. © AdobeStock

Hunderte freie Lehrstellen in der Heimatregion – an diese Situation haben sich Jugendliche längst gewöhnt. Wer heute gerade erwachsen wird, hat die Wahl. Deutschlandweit wird gegenwärtig allein in 130 Handwerksberufen ausgebildet – von der Augenoptik bis zum Zupfinstrumentenbau. Im Einzugsbereich der Handwerkskammer Dresden sind noch mehr als 80 unterschiedliche Ausbildungen möglich. Doch die Zahl der jungen Leute, die ins Berufsleben einsteigen, sinkt und mit ihr sinkt auch die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen. Lag sie im Jahr 2011 bundesweit noch bei knapp 642.000, waren es 2016 nur noch gut 600.000 und 2021 nur noch knapp 541.000.

Und trotzdem gibt es Berufe, an denen das Interesse und damit auch die Nachfrage nach Lehrstellen steigt. Ein aktueller Kurzbericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hat dafür vor allem die Baubranche ausgemacht. So wollen immer mehr junge Leute im Bereich der Sanitär-, Klima- und Heizungstechnik arbeiten. Dass dabei die stärkere Konzentration auf den Klimawandel und die Energiewende eine Rolle spielt, ist naheliegend. Auch an der Immobilienvermarktung und an der Bauelektrik steigt das Interesse.

Es falle auf, dass die genannten Berufe alle relevant für die Bewältigung der aktuell drängenden Fragen seien, heißt es in Auswertung des Berichtes. Und die inzwischen recht emotional geführte Diskussion um den Einbau von Wärmepumpen bestätigt das. Überall dort, wo im Sinne der effizienteres Energienutzung gebaut wird, braucht es auch Spezialisten, die eben diese Neu- und Umbauarbeiten umsetzen können. Das gilt ebenso für die Vermittlung von Wohnraum, der an die energetischen Vorgaben angepasst ist.

Es scheint also, als hätten viele Jugendliche – beziehungsweise ihre Eltern – die Entwicklung gut im Blick und damit auch einen klaren Plan für die eigene Zukunft. Weil schon jetzt ausgebildete Fachleute fehlen, ist die Chance, die Wunsch-Lehrstelle zu finden, hoch. Ein guter Verdienst und Jobsicherheit machen die Arbeit in Zukunftsbranchen zusätzlich attraktiv. „Die genannten Berufe haben sich insofern als krisenfest erwiesen, als in der Corona-Pandemie kein nennenswerter Einbruch bei der Beschäftigung stattgefunden hat“, heißt es zu dem beim IW. Dort verweist man allerdings auch auf die starke mediale Präsenz der Themen Energiewende und Mobilität. Den eigenen Beruf als sinnstiftend zu erleben, ist gerade den ganz jungen Erwachsenen, der sogenannten Generation Z, besonders wichtig.

MINT-Kenntnisse werden wichtiger

Diese Erkenntnis kann auch Branchen beziehungsweise Betrieben, die zunehmend Mühe haben, Ausbildungsplätze zu besetzen, helfen. Denn die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, betreffen viel mehr Berufe, als es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag. Wenn jeder Neubau mit Solarpaneelen ausgestattet wird, braucht es Dachdecker, die in der Montage fit sind. Bei energetischen Sanierungen sind ohnehin fast alle Baugewerke gefragt. Unternehmen, die diese Relevanz der eigenen Arbeit in den Fokus rücken und sich entsprechend in den Sozialen Medien zeigen, haben gute Chancen, Jugendliche auf sich aufmerksam zu machen.

Roschan Monsef und Finn Arnd Wendland weisen in ihrer aktuellen Untersuchung „Beschäftigte im Bereich Erneuerbare Energien - Renaissance der beruflichen Ausbildung“ darauf hin, dass die gewaltige Transformation, die der Wirtschaft in den nächsten Jahren bevorsteht, nur mit qualifizierten Fachkräften zu machen sein wird. „Zur Umsetzung der Klimaziele ist eine Vervielfachung des Ausbaufortschritts bei den erneuerbaren Energien in Deutschland notwendig, und auch der Anteil klimaneutraler Technologien in Verbrauchssektoren wie Industrie, Verkehr und Gebäude muss stärker wachsen als bisher“, so die Wissenschaftler, die damit auch auf Schätzungen zur neuen Klima- und Wohnungsbaupolitik des Koalitionsvertrags verweisen. Demnach werden für die Erreichung der Klimaziele „mindestens 400.000 Erwerbstätige“ benötigt, zum großen Teil in der Baubranche.

Ebenfalls klar ist aber, dass die Anforderungen an viele Berufstätige steigen werden, das gilt insbesondere auch für Berufseinsteiger. „Die Rolle von Fähigkeiten und Kenntnissen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und/oder Technik (MINT) ist für Tätigkeiten im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien von besonderer Bedeutung“, konstatiert die Studie des IW. In Sachsen bemühen sich mehrere Initiativen, darunter das Netzwerk Silicon Saxony oder die Girls Akademie, darum, Jugendliche an die sogenannten MINT-Fächer heranzuführen. Das Interesse sei durchaus vorhanden, vielen Jugendlichen fällt die Entscheidung für den passenden Berufsweg dennoch schwer. Arbeitsmarktexperten machen ihnen Mut, denn der Fachkräftemangel öffnet auch Quereinsteigern heute viel mehr Türen als noch vor einigen Jahren. Sich umzuorientieren, wenn die erste Wahl doch nicht die beste war, ist heute kaum noch ein Problem. Im Gegenteil: Viele Unternehmen bezahlen Wechslern die entsprechenden Qualifizierungen.