Wirtschaft
Merken

Weniger Sachsen müssen zum Niedriglohn arbeiten

Der Mindestlohn von 12 Euro hat 314.000 Sachsen eine Lohnerhöhung gebracht. Was der Deutsche Gewerkschaftsbund jetzt fordert.

Von Georg Moeritz
 3 Min.
Teilen
Folgen
In der Gastronomie ist jeder zweite Job ein Niedriglohnjob. Doch der Anteil sinkt, auch wegen des Mindestlohns.
In der Gastronomie ist jeder zweite Job ein Niedriglohnjob. Doch der Anteil sinkt, auch wegen des Mindestlohns. © Archivfoto: Sächsische Zeitung

Dresden. Die jüngste Erhöhung des Mindestlohns hat dazu beigetragen, dass in Sachsen 17 Prozent statt vorher 22,5 Prozent der Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeiten. Das sei ein "gutes Signal", aber nicht zufriedenstellend, sagte am Donnerstag in Dresden Daniela Kolbe, stellvertretende Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Sachsen. Die hohe Inflation der vergangenen Monate habe die Steigerung der Einkünfte zum Teil wieder aufgefressen.

Kolbe bezog sich auf neue Berechnungen des Statistischen Bundesamts von demselben Tag. Demnach hat die Mindestlohn-Erhöhung auf zwölf Euro pro Stunde zum Oktober vorigen Jahres 314.027 Sachsen eine Lohnerhöhung gebracht. In ganz Deutschland bekamen laut Bundesamt 5,8 Millionen Menschen eine Erhöhung. Vorher gab es für 14,8 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland weniger als 12 Euro.

Mehr Frauen als Männer arbeiten zum Mindestlohn: Die Erhöhung nützte laut Statistik 18 Prozent der beschäftigten Frauen und gut 12 Prozent der beschäftigten Männer. Auch ein Ost-West-Unterschied lässt sich aus der Statistik ablesen: 18 Prozent der ostdeutschen und 14 Prozent der westdeutschen Beschäftigten hatten etwas von der Mindestlohn-Erhöhung. In Sachsen-Anhalt war der Anteil der Mindestlohn-Beschäftigten mit 18,6 Prozent am größten, in Baden-Württemberg mit 12,6 Prozent am kleinsten.

Mindestlohn wirkt stark in Gastronomie und Landwirtschaft

Der Niedriglohnsektor endet nach Definition der Statistiker allerdings nicht bei zwölf Euro, sondern bei 12,76 Euro pro Stunde. Denn als Niedriglohnschwelle gelten zwei Drittel des mittleren Verdienstes. Diese Schwelle ist also veränderlich und hängt auch davon ab, ob mehr Menschen einen höheren Mindestlohn bekommen. Vollzeitbeschäftigte in Deutschland bekamen im Oktober vorigen Jahres im Mittel 21,29 Euro. Auszubildende zählen dabei nicht mit.

Nach der Mindestlohn-Erhöhung sank der Anteil der niedrig entlohnten Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland von 19 auf 15 Prozent. Vor allem im Gastgewerbe bekommen viele Mitarbeiter seitdem mehr Geld: Der Anteil der Niedriglöhner in dieser Branche sank laut Statistischem Bundesamt von 63 auf 50 Prozent, in der Landwirtschaft und Fischerei von 56 auf 45 Prozent.

Die sächsische Gewerkschafterin Kolbe fordert, den Mindestlohn zum neuen Jahr wieder "deutlich" zu erhöhen. Eine Zahl nannte sie nicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) war von Wirtschaftsverbänden wie dem Sächsischen Handwerkstag heftig kritisiert worden, als er die nächste Mindestlohnerhöhung in Aussicht stellte.

DGB Sachsen will Tarifverträge als Normalität

Über den künftigen Mindestlohn entscheidet nicht der Minister, sondern eine Mindestlohnkommission mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Sie muss sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren - viele sind jüngst stark erhöht worden, in einigen Branchen wird noch verhandelt. Die jüngste Erhöhung von 10,45 auf 12 Euro war allerdings im Wahlkampf von der SPD versprochen und nach der Wahl vom Bundestag beschlossen worden. Sozialverbände fordern fürs neue Jahr einen Anstieg auf 14 Euro und mehr, die Arbeitgeber warnen vor "unrealistischen Höhen".

Kolbe sagte, ein höherer Mindestlohn sichere gerade in Krisen die Kaufkraft und damit auch die Unternehmen und Arbeitsplätze in Sachsen. Gute Löhne gebe es allerdings nur mit Tarifverträgen. In Sachsen würden nur 42 Prozent der Arbeitsplätze direkt oder indirekt nach Tarifverträgen bezahlt. Tarifverträge müssten "in Sachsen zur Normalität werden", forderte Kolbe. Nötig sei eine Tariftreueklausel im Vergabegesetz, dann könnten Aufträge des Landes nur an Unternehmen mit Tarif vergeben werden. "Die CDU muss ihre Blockadehaltung aufgeben und zumindest den Koalitionsvertrag umsetzen", sagte Kolbe.