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Wie die Digitalisierung in Krisenzeiten hilft

Gleich mehrere Forschungsinstitute haben untersucht, wer die Auswirkungen der Pandemie am besten wegsteckt – auch, um so Schlüsse für weitere Krisen zu ziehen. Ein Ergebnis: Ein hoher Digitalisierungsgrad schützt vor wirtschaftlichen Schieflagen.

Von Annett Kschieschan
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Auf dem Sprung in die digitale Arbeitswelt? Der deutschlandweite Wert des Digitalisierungsindex stieg 2021 gegenüber dem Vorjahr um acht Punkte. Es bleibt viel Luft nach oben.
Auf dem Sprung in die digitale Arbeitswelt? Der deutschlandweite Wert des Digitalisierungsindex stieg 2021 gegenüber dem Vorjahr um acht Punkte. Es bleibt viel Luft nach oben. © AdobeStock

Knapp zwei Drittel der deutschen Unternehmen gehen davon aus, dass die weitere Digitalisierung in den nächsten Jahren eine große beziehungsweise sehr große Bedeutung für ihr Geschäft haben wird. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage für den Digitalisierungsindex 2021, der vom Institut der deutschen Wirtschaft und der IW Consult im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt wird. Mehr als 1.200 Betriebe wurden dafür befragt.

Das Ergebnis ist zugegebenermaßen nicht unbedingt überraschend. Es bringt auf den Punkt, was das Thema Digitalisierung in vielerlei Hinsicht beschreibt: Es wird immer wichtiger, es geht nicht ohne, aber nicht jeder Betrieb bekommt es so richtig zu fassen. Immerhin: Der deutschlandweite Wert des Digitalisierungsindex stieg 2021 gegenüber dem Vorjahr um acht Punkte.

Einig sind sich Experten aber auch darin, dass die Digitalisierung nicht so schnell und umfassend voranschreitet wie es mit Blick auf die rasanten weltweiten Veränderungen anzunehmen wäre. Der Schub, den das Thema seit Beginn der Corona-Pandemie erfahren hat, sei deshalb auch eher „ein Homeoffice-Schub“ als ein tiefgreifender Wandel innerhalb aller Prozesse, die zur Führung eines Unternehmens gehören, heißt es beim iwd, dem Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Dieser Schub hat dennoch Effekte gezeigt – und zwar über die konkrete Wirkung für einzelne Betriebe hinaus. Das legt eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts ZEW nahe. Demnach mussten Unternehmen, die viele Prozesse digitalisiert hatten, in den ersten Monaten der Pandemie seltener auf Kurzarbeit zurückgreifen als Firmen, in denen die Digitalisierung eine untergeordnete Rolle spielte. Das ZEW hatte zuvor die Landkreise in Deutschland in insgesamt 257 Arbeitsmarktregionen aufgeteilt und untersucht, wie gut diese mit digitalen Arbeitsstrukturen – also Computern, mobilen Geräten und Kommunikationswerkzeugen – ausgestattet sind. In der Analyse zeigte sich später: In Regionen mit höherem Digitalisierungsgrad konnten Arbeiten gut ins Homeoffice ausgelagert und Aufträge auch in der Krise abgearbeitet werden.

Fokus auf die Ballungszentren

Auch deshalb sei die Digitalisierung die beste Vorsorge für Krisenlagen, so Achim Berg, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom gegenüber dem Handelsblatt. Er verwies auf eine Befragung, die Bitkom 2020 auf den Weg gebracht hatte. Jedes zweite Unternehmen hatte dabei angegeben, dass digitale Technologien bei der Bewältigung der Corona-Auswirkungen eine wichtige Rolle spielen.

Soweit, so logisch. Deutschland zeigt aber auch hier ein sehr unterschiedliches Bild. Zwar holen eher ländlich geprägte Bundesländer – darunter auch Sachsen – durch Digitalisierungsprogramme auf, die besten Bedingungen fürs digitale Arbeiten gibt es aber nach wie vor eher dort, wo viele größere Städte nah beieinander liegen beziehungsweise wo Metropolen weit in die Region ausstrahlen. Das gilt für den Großraum Berlin ebenso wie für München oder auch das Gebiet um Erlangen. Die sächsischen Großstädte Dresden und Leipzig bündeln zwar auch jede Menge digitale Kompetenz und locken dementsprechend junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte an, ihre Strahlkraft reicht aber eher nicht bis in die Lausitz oder das Erzgebirge. Dort, in den ländlichen und oft auch strukturschwachen Räumen, haben in den vergangenen Jahren Initiativen etwa für Co-Working-Zentren Leuchttürme geschaffen. Im Arbeitsalltag setzt man hier aber noch eher auf althergebrachte Modelle. Mit der Lockerung der Corona-Regelungen wurden Homeoffice-Modelle vielfach wieder zurückgeschraubt.

Experten sehen das mit Sorge. Auch, weil die nächsten Krisen bereits vor der Tür stehen. Die ZEW-Studie hatte ergeben, dass Regionen, die sich bei der Ausstattung mit digitalem Kapital im niedrigsten Bereich wiederfanden, während des ersten Lockdowns beim Anteil der Arbeitnehmer in Kurzarbeit um bis zu 25 Prozent über dem Durchschnitt lagen. In der Untersuchung wurde berücksichtigt, dass nicht jede Branche einfach so zur Remote-Arbeit wechseln kann.

Unstrittig ist: Wer seine digitale Kraft ausbauen will, muss entsprechend investieren. Das fällt vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen gerade jetzt vor dem Hintergrund explodierender Energiepreise und einer zunehmend unsicheren Weltlage verständlicherweise schwer. Nach Informationen des Bitkom-Verbandes hatten in den letzten Befragungen gerade einmal zwölf Prozent der Unternehmen angegeben, ihre Digitalinvestitionen erhöhen zu wollen. 37 Prozent planten eher, die entsprechenden Ausgaben zu drosseln. Schlechte Zeiten für digitale Aufbruchstimmung.