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Wie Pendeln auf die Seele schlägt

Tausende Sachsen verbringen auf dem Weg zur und von der Arbeit täglich mehrere Stunden im Auto oder in Bus und Bahn. Das kann auch der Gesundheit zusetzen.

Von Annett Kschieschan
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Ein Blick auf die A 4 nahe Burkau. Jeden Tag fahren tausende Berufspendler über die Autobahn zur Arbeit. Vielen schlägt das auf Dauer aufs Gemüt.
Ein Blick auf die A 4 nahe Burkau. Jeden Tag fahren tausende Berufspendler über die Autobahn zur Arbeit. Vielen schlägt das auf Dauer aufs Gemüt. © Steffen Unger

Manche halten ein Nickerchen – mit gestelltem Handywecker in der Jackentasche. Andere lesen Bücher am Tablet oder ganz analog, scrollen sich durch Nachrichten auf Twitter oder hören einfach Musik über Kopfhörer. Und ein paar schauen einfach aus dem Fenster. Szenen aus dem Pendlerzug zwischen Görlitz und Dresden, die für Zehntausende Sachsen tägliche Realität sind. Allein rund 43.000 Männer und Frauen in Ostsachsen fahren täglich über eine mehr oder minder lange Strecke zur Arbeit und danach natürlich wieder nach Hause. Die Zahl stammt von der Arbeitsagentur Bautzen, die jährlich analysiert, wie sich die Pendlerzahlen entwickeln. Während sie in den vergangenen beiden Jahren in der Gesamtzahl relativ gleich geblieben sind, gab es zuletzt einen deutlichen Anstieg bei den sogenannten Einpendlern, also Menschen, die aus Dresden in die Lausitz zur Arbeit fahren. Waren das vor knapp sechs Jahren noch etwa 23.000, wurden im letzten Jahr schon 31.000 gezählt. Viele der Zug-Pendler arbeiten in Behörden, in Gerichten beziehungsweise allgemein in Büros. Wer im Schichtsystem in Produktionsbetrieben beschäftigt ist, muss meistens aufs Auto umsteigen. Ein Blick auf die chronisch verstopfte A 4 zwischen Dresden und Bautzen gibt ein beredtes Bild davon.

Pendeln schafft Probleme. Das würden viele Arbeitnehmer – und auch mancher Arbeitgeber – sofort bestätigen. Staus und Zugverspätungen nehmen keine Rücksicht auf Dienstpläne. Und der Mitarbeiter, der gerade zwei Stunden auf der Autobahn festgesteckt hat, tritt den Arbeitstag deutlich weniger erholt an als sein Kollege, der am Arbeitsort wohnt. Auch das lässt sich mit Zahlen untersetzen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der AOK erlebten 42 Prozent der Befragten, die länger als 30 Minuten zum und vom Job unterwegs sind, die Pendelei als sehr belastend.

Praktikabel nur als Modell auf Zeit

„Je länger der Weg, desto größer der Stress. Denn Pendler können weniger Zeit mit der Familie oder Freunden verbringen“, heißt es in einer Auswertung der Umfrage. Kritisch werde es ab einer täglichen Pendelzeit von über 90 Minuten, schätzen Ärzte ein. Denn: Dauerpendeln kann der Psyche zusetzen. Während eine Viertelstunde Zugfahrt oft noch als ganz angenehm und gut zum Abschalten geeignet empfunden wird, können längere Zeiten in Bus, Bahn und Auto unglücklich machen. Die vermeintlich oder tatsächlich verlorene Freizeit erhöht wiederum den Stress daheim. Studien zeigen: Pendler sind anfälliger für psychische Beschwerden, haben mehr Fehltage als Menschen mit kurzem Arbeitsweg. Sie schlafen oft schlechter, leiden häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder hohem Blutdruck. Über einen begrenzten Zeitraum kann die – auch längere Fahrt – zum Arbeitsort durchaus funktional sein, etwa weil man Umzugskosten spart oder wenn zum Beispiel im Fall einer befristeten Anstellung nicht sicher ist, ob der Job nicht ein kurzes Intermezzo bleibt. Ist die Stelle dauerhaft angelegt und der Arbeitnehmer hat Spaß an seinem Job, empfehlen Experten aber, über einen Umzug nachzudenken – auch der Gesundheit wegen.

So pendelt es sich leichter:

Was Autofahrern helfen kann: Entspannen: Musik, Podcast oder Hörbücher machen gute Laune. Der Effekt: Gefühlt vergeht die Zeit im Stau schneller. Auch Atemübungen senken den Stresspegel, weil sie den Körper mit Sauerstoff versorgen.

Zusammen fahren: Fahrgemeinschaften schonen Umwelt und Nerven. An der A 4 wird diese Option über die Pendler-Parkplätze genutzt.

Mehr Zeit einplanen: Straßenverkehr ist unkalkulierbar. Wer Stress vermeiden will, sollte mindestens 15 Minuten früher starten Der Vorteil: man kann defensiver fahren. Häufige Spurwechsel stressen auf Dauer.

Was Pendlern in Bus und Bahn helfen kann: Sinnvolles tun: Ob Bücher, Strickzeug oder Podcasts - wer nicht selber fährt, kann seine Aufmerksamkeit auch auf Dinge richten, die ihm oder ihr Spaß machen.

Abschalten: Vor allem auf dem Rückweg kann die Fahrt helfen, den Stress des Tages hinter sich zu lassen und bewusst keine Ablenkung auf dem Handy suchen.

Früher aussteigen: Eine (Straßen-)Bahn früher zu nehmen, macht doppelt Sinn. Mann verpasst keinen Anschluss und kann vielleicht sogar eine Station eher aussteigen. Einen kleinen Teil der Strecke zu laufen, tut Körper und Seele gut.

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