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Warnsignale aus Sachsens Arbeitsagenturen

Das Kurzarbeitergeld hilft wie eine Brandmauer. Doch Sachsens Arbeitsagentur-Chef Hansen sagt, Betriebe könnten damit nicht auf Dauer arbeiten.

Von Georg Moeritz
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In Sachsen ist die Arbeitslosigkeit im Dezember leicht gestiegen, zusätzlich beantragten Tausende Betriebe Kurzarbeitergeld.
In Sachsen ist die Arbeitslosigkeit im Dezember leicht gestiegen, zusätzlich beantragten Tausende Betriebe Kurzarbeitergeld. © Jens Kalaene/dpa (Symbolbild)

Dresden. Wird die Arbeitslosigkeit in Sachsen in diesem Jahr wieder sinken oder durch Corona-Folgen steigen? Sachsens Arbeitsagentur-Chef Klaus-Peter Hansen verzichtete am Dienstag in Dresden bei seiner Jahrespressekonferenz auf die üblichen Zahlenprognosen. Hansen sagte offen: „Wir wissen nicht, was kommt und wie sich die Pandemie auf den Arbeitsmarkt auswirkt“. Einerseits hält der Behördenchef Vollbeschäftigung in Sachsen in wenigen Jahren für möglich. Andererseits warnte er energischer als bisher, dass die „Brandmauer Kurzarbeitergeld“ nicht jahrelang halten werde.

Bisher hat die Corona-Krise die Arbeitslosigkeit in Sachsen auf das Niveau des Jahres 2018 zurückgeworfen. Hansen sagte, falls aus den Kurzarbeitenden Arbeitslose würden, falle Sachsen auf ein Niveau wie in den Jahren 2009 oder 2010. Damals waren mehr als eine Viertelmillion Sachsen arbeitslos gemeldet. Jetzt sind es noch halb so viele: 112.289 im Dezember.

Sachsens Arbeitsmarkt steht jetzt wieder deutlich besser da als noch vor einem Jahr. Damals waren fast 16.000 Menschen mehr im Freistaat arbeitslos gemeldet. Fast ist auch das Niveau von vor Corona wieder erreicht: Im Dezember 2019 zählte Hansen 110.624 Arbeitslose. Damals spielte nach jahrelangem Aufschwung die Kurzarbeit kaum eine Rolle.

Die Arbeitslosigkeit in Sachsen ist niedriger als vor einem Jahr, aber noch nicht wieder auf dem Stand von vor Corona.
Die Arbeitslosigkeit in Sachsen ist niedriger als vor einem Jahr, aber noch nicht wieder auf dem Stand von vor Corona. ©  SZ-Grafik/Gernot Grunwald

Mehr Arbeit in Logistik, weniger im Dienst an Menschen

Doch seitdem übernahm der Staat die Lohnkosten für bis zu 287.000 Sachsen – das war die höchste Zahl, im April 2020. Dieser Spitzenwert wurde im vorigen Jahr bei weitem nicht mehr erreicht: Im Februar 2021 zahlten die Arbeitsagenturen noch für 164.000 Sachsen Kurzarbeitergeld, danach sanken die Zahlen.

Doch im Herbst zeigten erneut rund 7.000 sächsische Unternehmen Kurzarbeit neu an, vor allem Restaurants, Hotels, Händler und persönliche Dienstleister. Hansen sagte, vor allem Branchen im Umgang mit Menschen seien von der „Fieberkurve“ durch Corona getroffen worden. Zuwachs spürten dagegen vor allem Betriebe wie etwa Logistikfirmen, die „das Leben unter Corona-Bedingungen ermöglicht haben“.

Die Arbeitsagenturen bekamen dadurch auch mehr zu tun. Statt zuvor 50 Experten kümmerten sich bis zu 800 um die Anträge auf Kurzarbeitergeld, berichtete Anja Friedrich. Sie ist als Geschäftsführerin in Chemnitz für den operativen Service in Südwestsachsen zuständig und lobt die Digitalisierung. Nicht einmal habe die Technik sie im Stich gelassen. Online bekamen ihre Kollegen die Schulungen, das Kurzarbeitergeld sei pünktlich gezahlt worden.

Schichtdienst in der Arbeitsagentur

Die Angestellten der Arbeitsagenturen arbeiteten teils im Homeoffice und in Schichten von 6 bis 22 Uhr. Friedrich erinnerte Personalchefs daran, dass sie Kurzarbeit nach einiger Zeit neu anzeigen müssen. In vielen Fällen galt die Anzeige zunächst bis Ende Dezember.

Hansen sagte, je länger die Pandemie dauere, desto dünner werde die Brandmauer Kurzarbeitergeld. Damit wolle er nicht sagen, dass das Geld nicht reiche: Im vorigen Jahr haben Sachsens Arbeitsagenturen und Jobcenter 3,3 Milliarden Euro ausgegeben, davon 780 Millionen Euro für Kurzarbeitergeld. Doch viele Betriebe könnten nicht jahrelang mit Lohnersatzleistungen vom Staat durchhalten. „Dann werden aus den vielen Tausenden Kurzarbeitern Arbeitslose“, warnte Hansen. Als Vorbeugung helfe nur „Impfen, Impfen, Impfen“.

Falls Corona bald an Bedeutung verliert, wird die Arbeitslosigkeit weiter sinken. Hansen sagte, dann sei Vollbeschäftigung im Jahr 2025 möglich. Er meine damit etwa drei Prozent Arbeitslosigkeit. Das Erzgebirge komme diesem Wert am nächsten, dank einer guten Mischung an Unternehmen, aber auch einer recht alten Bevölkerung.

Sie organisieren das Kurzarbeitergeld in der Arbeitsagentur: Klaus-Peter Hansen, Chef der Regionaldirektion Sachsen, und Anja Friedrich, Geschäftsführerin für den operativen Service in Chemnitz.
Sie organisieren das Kurzarbeitergeld in der Arbeitsagentur: Klaus-Peter Hansen, Chef der Regionaldirektion Sachsen, und Anja Friedrich, Geschäftsführerin für den operativen Service in Chemnitz. © Matthias Rietschel

Voriges Jahr mehr als 90.000 Stellenangebote in Sachsen

Selbst bei Vollbeschäftigung gebe es immer Menschen, die gerade auf Arbeitsuche seien – und etwa 30 bis 40 Prozent Langzeitarbeitslose, die nicht zu den freien Stellen passten. Wegen Corona ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Sachsen auf zuletzt 48.402 gestiegen: Weiterbildungen und Beschäftigungsangebote fielen wegen Ansteckungsgefahr oft aus.

Die Nachfrage der Wirtschaft nach Mitarbeitern war trotz Corona laut Hansen „sehr gut“. Mehr als 90.000 Stellenangebote kamen im vorigen Jahr bei Sachsens Arbeitsagenturen und Jobcentern an. 2019 waren es allerdings über 100.000. Hansen sah Beschäftigungsrückgang nicht nur im Gastgewerbe sowie in Erziehung und Unterricht, sondern auch im sächsischen Baugewerbe: Manche Bauaufträge seien wegen der Corona-Krise storniert worden, sagte Hansen, und bei Investitionen des Staates gebe es einen Stau.

Von November zu Dezember ist die Arbeitslosigkeit in Sachsen gestiegen, aber laut Hansen im „saisonal völlig üblichen“ Maß. In Außenberufen gebe es im Winter stets weniger zu tun. In Nürnberg sagte Bundesagentur-Chef Detlef Scheele, der Anstieg im Dezember sei schwächer ausgefallen als üblich und habe sich fast ausschließlich in Ostdeutschland abgespielt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies auf den historisch niedrigen Stand der Jugendarbeitslosigkeit hin. Auch Hansen sagte, es sei gelungen, „Corona-Jahrgänge“ zu verhindern. Die Handwerkskammer Dresden teilte mit, dass sie im abgelaufenen Jahr 2.135 neuen Lehrverträge registrierte. Das waren einige mehr als im ersten Corona-Jahr und kaum weniger als 2019. Hansen nimmt allerdings an, dass viele Eltern ihre Kinder jetzt von Berufen abhalten werden, die sich in der Coronazeit als unsicher erwiesen. (mit dpa)