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Arbeitsagentur bringt Bauernopfer

Die Pirnaer Behörde beendet die Ausbildungshilfe für Fachwerker. Landwirte geben Menschen mit Handicap trotzdem Chancen.

Von Gunnar Klehm
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Wenig Theorie, aber viel Praxis, das mag Mandy Schneider an ihrer Ausbildung in der Milchviehanlage in Börnersdorf.
Wenig Theorie, aber viel Praxis, das mag Mandy Schneider an ihrer Ausbildung in der Milchviehanlage in Börnersdorf. © Norbert Millauer

Für Mandy Schneider gibt es nichts Schöneres als beruflich mit Tieren zu tun zu haben. Dass ihr das in der Milchviehanlage in Börnersdorf ermöglicht wird, ist ein Glücksfall. Ob auch in Zukunft noch Fachwerker wie sie im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ausbildet werden, ist allerdings ungewiss. Das liegt aber nicht am Träger der überbetrieblichen Ausbildung oder an der Agrargenossenschaft Osterzgebirge als Praxis-Betrieb, sondern daran, dass die Arbeitsagentur die Subventionierung eingestellt hat.

Aus Sicht der Bauern war das gut angelegtes Geld. Denn die Ausbildung zum Fachwerker – unterhalb eines Facharbeiterabschlusses einzuordnen – ist eine der wenigen Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung, einen Berufsabschluss zu erlangen. Zum anderen sind die Landwirte froh, dass sich die jungen Leute für eine Arbeit in der Landwirtschaft entschieden haben. Doch die Hilfe ist in der gegenwärtigen Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation nicht mehr notwendig, heißt es aus der Arbeitsagentur.

Das sieht der Regionalbauernverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge anders. Denn für die Ausbildung von Menschen mit Handicap seien pädagogische Zusatzqualifikationen erforderlich, die die Ausbilder in den Landwirtschaftsbetrieben nicht haben und auch nicht sofort erlangen könnten. Deshalb war man im Regionalbauernverband sehr froh, dass der Bildungsverein für Landwirtschaft, Gartenbau und Hauswirtschaft in Langenhennersdorf überbetrieblicher Träger der Fachwerker-Ausbildung war. „Dort ist geeignetes Personal da“, sagt Verbandsvorsitzender Henryk Schultz.

Jedes Jahr wurden dort sechs Lehrlinge aufgenommen. Die Arbeitsagentur hatte gezielt per Ausschreibung nach einem Bildungsträger gesucht und gefunden. Zum Ausbildungsbeginn 2018 ließ die Arbeitsagentur in Pirna die reha-spezifische integrative Berufsausbildung auslaufen. Eine neue Ausschreibung kam nicht zustande, „weil es zum Zeitpunkt der Ausschreibung kaum geeignete Interessenten gab – also Kunden, für die ein Förderbedarf hinsichtlich der besonderen Reha-Leistungen bestand“, heißt es in einer Antwort der Arbeitsagentur auf SZ-Nachfrage.

Diese Argumentation kann Schultz nicht nachvollziehen. „Wir hätten wieder mehrere Lehrlinge als Fachwerker gehabt“, sagt er. Das hätte man der Arbeitsagentur auch mitgeteilt. Selbst die Beigeordnete des Landrats, Kati Hille (CDU), habe versucht, zu vermitteln. „Ohne Erfolg“, sagt Schultz. Er glaube nicht, dass es so viele Betriebe in anderen Branchen gibt, die Menschen mit besonderem Förderbedarf ausbilden wollen, dass es der Lehrstellen in der Landwirtschaft nicht mehr bedürfe.

Dem hält die Arbeitsagentur entgegen, dass sie Menschen mit Behinderungen gezielt und verstärkt in eine betriebliche Berufsausbildung vermitteln will, statt in eine überbetriebliche. Die Chancen dafür seien „noch nie so groß wie jetzt“ gewesen. Mit einer betrieblichen Berufsausbildung würde eine dauerhafte berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen nun mal steigen. Dieses Bauernopfer der Arbeitsagentur gibt es aber nur in der Landwirtschaft. Ausbildungen dieser Art bei Trägern fördert die Behörde in diesem Jahr unter anderem in den Bereichen Lager, Verkauf, Hauswirtschaft, Holz und Metall.

Am Geld scheitere die Ausbildung von Fachwerkern in Langenhennersdorf nicht. Diese Mittel wären auch wieder vorhanden gewesen. „Der Agentur für Arbeit Pirna stehen für Fördermaßnahmen und hier insbesondere bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderung ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung“, erklärt die Behörde. Beim Einsatz dieser Mittel müsse man aber die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten. Die eingesetzten Mittel würden am Bedarf orientiert. Und der sei in der Landwirtschaft derzeit nicht gegeben.

Weil aber drei Jugendliche einer Förderschule auf eine Ausbildung in Langenhennersdorf gehofft hatten, suchte der Regionalbauernverband nach einer anderen Lösung und hat sie offenbar gefunden. Drei Landwirtschaftsbetriebe unterstützen mit monatlichen Zuschüssen die Ausbildung. In diesen Betrieben lernen die Lehrlinge zwei Tage die Woche die Praxis kennen. An zwei weiteren Tagen gehen die Jugendlichen in die Berufsschule. Die Lehrverträge schließt aber weiter der Bildungsverein ab. Einmal die Woche werden die Auszubildenden in Langenhennersdorf betreut. Dort gibt es einen sogenannten Stützunterricht mit sozialpädagogischer und psychologischer Betreuung.

Beides war bei der letzten Ausschreibung der Arbeitsagentur zwingend vorgeschrieben. „Warum das jetzt für das gleiche Klientel nicht mehr notwendig sein soll, erschließt sich mir nicht“, sagt Sylvia Konrad, die Geschäftsführerin des Bildungsvereins. Mandy Schneider ist jedenfalls froh, dass sie diese besondere Betreuung noch bekommt. Sie wüsste nicht, wo sie besser aufgehoben wäre.

Sie wollen noch besser informiert sein? Schauen Sie doch mal auf www.sächsische.de/pirna und www.sächsische.de/sebnitz vorbei.

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