Von Susanne Sodan
Im Filmklassiker „Message in a Bottle“ mit Kevin Costner fischt eine Redakteurin eine Flaschenpost aus dem Atlantischen Ozean. Die Suche nach dem Absender und eine große Liebesgeschichte beginnen. Eine ähnliche Begebenheit in Pirna birgt weniger Romantik, dafür mehr Tragik.
Erste Szene dieser Geschichte: Das Elbufer in Dresden. Es ist ein Tag im November 2012. Eine 66-jährige Frau geht am Fluss spazieren, so wie jeden Tag – und stößt auf ungewöhnliches Strandgut. Eine Flasche, die eine Schleife, eine Blume und einen winzigen Zettel beinhaltet. Die Schleife ist bereits verwaschen, die Blume auch nicht mehr frisch. Der Zettel aber ist unversehrt: „Wer kann mir im Alter von 55 Jahren noch eine Arbeit verschaffen? Abs.: B.N. 01796 Pirna, Rottwerndorfer Straße 45“, steht da in winzig kleiner Schrift. Kein Liebesbrief, aber dennoch bewegend.
„Ich denke, eine Frau hat diesen Hilferuf verfasst. Die filigrane Flasche, die liebevolle Gestaltung und die Schrift deuten darauf hin“, überlegt Uta Pochert, die Finderin. Sie lebt im Diakonissenhaus Dresden und liebt die Elbe. Jeden Tag geht sie am Fluss spazieren, sammelt mit ihrem Enkel Steine und Muscheln. Sie ist bereits mehrmals auf Flaschenpost gestoßen. Meist romantische.
Der Zettel aus Pirna animiert Uta Pochert zu handeln. Zum einen berührt sie der Hilferuf. „Ich frage mich, wie groß die Verzweiflung dieses Menschen ist. Andererseits scheint es auch noch Hoffnung zu geben, wenn jemand eine so kreative Bewerbung auf einem so ungewöhnlichen Weg versendet“. Zum anderen hat sie eine besondere Beziehung zu Pirna. Uta Pochert ist auf dem Land aufgewachsen, die Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer Lieblingstante in Pirna. „Das war damals die größte Stadt in meiner Welt“, erzählt sie.
Was also tun? In unserer Geschichte kommt erst an dieser Stelle die Sächsische Zeitung ins Spiel, als Uta Pochert die Mini-Bewerbung an die Lokalredaktion in Pirna schickt.
Nach einiger Verwirrung – die Schrift ist nicht mehr deutlich zu lesen – kommt Licht in die Sache. Die Rottwerndorfer Straße 45 beherbergt Pirnas Obdachlosenheim. Birgit Schurowski, Leiterin der Institution, hört sich um. „Wir können bestätigen, dass B.N. tatsächlich einer der Obdachlosen von der Rottwerndorfer Straße ist“, erklärt Thomas Gockel, Sprecher der Stadt Pirna, schließlich. Pochert hat sich übrigens geirrt. „B.N.“ ist ein Mann.
Absender bleibt unerkannt – fast
Damit könnte die Geschichte auch schon zu Ende sein. Näher kommt man an den 55-jährigen Arbeitsuchenden nicht heran. Zahlreiche Anfragen, ob denn ein Gespräch mit ihm möglich sei, bleiben erfolglos. Einmal heißt es, ein Besuch im Obdachlosenheim sei nur mit von der Stadt bestätigtem Termin möglich, ein anderes Mal, „B.N.“ wolle nicht mit der Zeitung sprechen. Ein lieber Mensch sei er, erzählt Schurowski, jemand, der viel Zeit an der Elbe verbringt. Des Öfteren verschicke er eine Flaschenpost – nur so aus Spaß. Ob er nicht doch auch Hoffnung an eine solche Bewerbung via Elbe knüpft? Schließlich hat er ein klares Anliegen formuliert und die Adresse angegeben.
Die Frage bleibt offen. Wenn wärmere Tage kommen, wird „B.N.“ vielleicht wieder viel Zeit an der Elbe verbringen. Und vielleicht findet auch wieder eine Flaschenpost von ihm den Weg die Elbe abwärts ihren Weg nach Dresden. Die Geschichte geht weiter. Ende offen.