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Arm gegen Arm?

In Dresden stoßen viele Angebote für Bedürftige an ihre Grenzen. Auch, weil immer mehr Ausländer sie nutzen.

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© dpa

Von Andreas Weller

Die Halle des sozialen Möbeldienstes in Prohlis ist gut gefüllt: Schränke, Sofas, Stühle, Lampen, Küchen und alles, was sonst für die Einrichtung der Wohnung gebraucht wird, steht dort. Aber nicht lange. „Zwei bis drei Tage sind die Sachen hier, manchmal eine Woche“, erklärt Fachbereichsleiter Jürgen Trommer vom Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk (SUFW). „Es sieht jeden Tag komplett anders aus in der Warenhalle.“ Denn eigentlich sind die Möbel sofort weg. Etwas Verzögerung gibt es, weil die drei Transporter zur Auslieferung und zum Einsammeln von Spenden permanent unterwegs sind. Denn der Bedarf an kostengünstigen, wenn auch gebrauchten, Möbeln ist groß.

Bereichsleiter Jürgen Trommer (r.) zeigt Veit Neumann, wie die Kommode aufgebaut wird. Die Nachfrage beim sozialen Möbeldienst steigt.
Bereichsleiter Jürgen Trommer (r.) zeigt Veit Neumann, wie die Kommode aufgebaut wird. Die Nachfrage beim sozialen Möbeldienst steigt. © Christian Juppe

An den meisten Möbelstücken kleben bereits Zettel mit dem Namen des Kunden, der sie gekauft hat. „Die Anzahl der Kunden ist insgesamt gestiegen“, so Veit Neumann. Er ist für die Disposition zuständig. Neumann arbeitet seit 24 Jahren beim sozialen Möbeldienst. „Mittlerweile sind mindestens 90 Prozent der aktiven Kunden Ausländer. Das kam mit der Flüchtlingswelle.“ Auf der anderen Seite sind wohl auch deshalb die Spenden gestiegen. 2016 und 2017 wurden mit den Transportern jeweils rund 15 500 Möbelstücke, die gespendet wurden, abgeholt. Früher seien das deutlich weniger gewesen. Die meisten davon kommen direkt in den Verkauf. So gibt es dort beispielsweise ein Sofa für 60 bis 80 Euro oder eine komplette Küche für 80 Euro. Die Sachen sind in einem ordentlichen Zustand, werden von den Mitarbeitern ab- und wieder aufgebaut.

Eigentlich könne der Bedarf noch gedeckt werden, sagt Trommer. „Aber Kunden müssen schon drei- oder viermal kommen, um das gewünschte Stück zu finden.“ Einkaufen dürfen hier nur Menschen mit einem Dresden-Pass, Wohngeld- oder Hartz-IV-Bescheid. Dazu kommen Bedürftige mit Bedarfsscheinen vom Jobcenter. Sie bekommen die Erstausstattung ihrer Wohnung kostenlos. Küchen, Waschmaschinen und Kühlschränke gehen bevorzugt an diese Personen, weil sie rar sind. An den übrigen Möbelstücken hängen auffällig viele Zettel mit ausländischen Namen.

„Es gibt schon deutsche Kunden, die sich beschweren“, erzählt Neumann. Es fallen Sätze wie: „Da hängen ja überall ausländische Namen dran.“ Oder: „Wieso bekommen die das und wir nicht?“ Das seien aber Einzelfälle. Die Mitarbeiter antworten, wenn es nicht zu beleidigend wird, dass die Kunden öfter da waren oder eben auch mal früher. Hausverbote für Pöbler werden aber sehr selten notwendig.

Der Möbeldienst an der Senftenberger Straße und auch das Sozialkaufhaus an der Könneritzstraße könnten noch mehr umschlagen, sagt SUFW-Vorstand Martin Seidel. Allerdings bräuchte er dafür wieder mehr Mitarbeiter. Die Zahl der zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheiten sinkt aber, obwohl die Spenden steigen. Auch mehr Transporter würden benötigt.

Ausgebucht sind auch die Beratungen bei der Caritas. 2017 wurden genau 6 203 Gespräche mit Klienten geführt. Fünf Jahre zuvor waren es rund 5 000 Gespräche. „Die Komplexität der Beratungsgespräche ist größer geworden. Oft gehen Wohnungssuche mit Schwangerschaft und Schulden Hand in Hand“, so Sprecher Sebastian Kieslich. Vor allem sei auch hier die Zahl der Flüchtlinge, die Rat suchen, stark gestiegen. „Die Kapazitätsgrenzen unserer Beratungsstellen sind erreicht“, stellt Kieslich klar. Es wurden auch bereits Klienten an andere Beratungsstellen verwiesen. Anfeindungen müssen aber nicht die ausländischen Kunden aushalten, sondern die Caritas. „Wir bekommen von außen Beschimpfungen, Mails mit rechtslastigen Aussagen“, so Kieslich. Darin wird behauptet, Caritas würde Flüchtlinge anziehen, weil die christliche Organisation sie gezielt unterstützt. Auch Sätze wie „ihr entvölkert das deutsche Volk“ fallen da. „Das ist klare AfD-Sprache“, ordnet Kieslich ein.

Auch beim Roten Kreuz (DRK) ist ein deutlicher Anstieg von ausländischen Kunden im Kleiderladen zu verzeichnen. Die Zahl der Kunden insgesamt hat sich mit der Flüchtlingskrise von 900 auf 1 300 erhöht. „Am Anfang gab es Konflikte wegen kultureller Unterschiede, aber das hat sich relativiert“, so Sprecherin Ulrike Peter. So haben einige ausländische Kunden anfangs mit den ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen im Laden teils lautstark diskutiert.

Probleme gibt es eher mit den Spenden. „Was wir seit einer Weile bekommen, ist größtenteils nicht zu verwenden“, erklärt Peter. Statt Kleidung landet Müll in den Sammelcontainern. Wenn Kleidung dabei ist, ist die häufig kaputt oder verdreckt. Vorbehalte unter den Kunden gebe es aber nicht. Anders als in Essen. Der dortige Tafel-Chef hatte aufgrund des Anstiegs an ausländischen Kunden entschieden, zunächst nur Neukunden mit deutschem Pass aufzunehmen. Das sorgte für Wirbel. Die Dresdner Tafel macht das bewusst nicht. Es werden, wie in den anderen Hilfseinrichtungen auch, alle gleich behandelt.

Weshalb eine Neid-Debatte unter Bedürftigen gefährlich ist, erklärt Soziologie-Professorin Antonia Kupfer. „Bei Knappheit entstehen Verteilungskämpfe.“ Dazu können Ressentiments und Neid gehören. „Bei allen Verteilungsfragen geht es auch um Legitimationen, also die Begründung, warum so und nicht anders verteilt wird.“ Eine Argumentationsfigur könne, wie in Essen, die Einschränkung des Kreises der Berechtigten sein und dann steht Staatsangehörigkeit an erster Stelle. „Damit würde sich aber etwas verschieben, denn die Tafeln sind ja ursprünglich für Bedürftige eingerichtet und nicht für Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit“, so Kupfer. Die Gesellschaft müsse für ausreichend Mittel zur Deckung der Grundbedürfnisse sorgen und diese bereitstellen.