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Hier ist Sprayen erlaubt

Die Stadt Bautzen gibt Flächen frei, auf denen sich jeder in Graffiti ausprobieren kann. Aber hilft das gegen illegale Schmierereien?

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Bautzen. Ein klackerndes Geräusch schallt durch Bautzens Fußgängertunnel zwischen Kornmarkt und Karl-Marx-Straße. Der Geruch von Farbe zieht durch den Gang, und Fußgänger bahnen sich ihren Weg um Spraydosen, die auf dem Boden stehen. Ein gutes Dutzend junger Leute tobt sich mit Blau und Gelb, Rot und Grün und anderen Farben an den Wänden aus. Und keiner scheucht sie weg. Ab sofort darf sich hier jeder in Graffiti ausprobieren. Die Stadt Bautzen gibt mehrere Flächen frei, die legal besprüht werden dürfen (siehe Kasten).

Angeschoben haben das Ganze die beiden Streetworker von der Mobilen Jugendarbeit Pro Chance. „Wir wollen Graffiti aus der Illegalität herausholen“, begründet Sozialarbeiter Benno Auras. Freilich, auch in Bautzen denken beim Stichwort Graffiti viele als erstes an Schmierereien auf Hausfassaden und Grundstücksmauern. „Aber Graffiti ist auch Kunst“, sagt Benno Auras. „Viele würden sich gern mal auf einer Wand im Freien ausprobieren“, weiß er aus Gesprächen mit Jugendlichen. Bisher sei das legal in Bautzen nur am Steinhaus und am Treff im Keller (TiK) möglich gewesen und das nur zu deren Öffnungszeiten. Bei Bautzens Baubürgermeisterin Juliane Naumann stießen die beiden Jugendarbeiter auf offene Ohren.

Überall, wo illegal gesprüht wird, beschere das den Eigentümern der Flächen viel Ärger. Auch der Stadt selbst. „Wir versuchen, soweit wir das schaffen, hinterher zu sein“, sagt Naumann. Vor allem verbotenen Schriftzügen rücke man schnell zu Leibe. Sind private Grundstücke betroffen, schreibe man die Besitzer an, damit sie die Botschaften entfernen. Sie hoffe, dass mit den legalen Möglichkeiten auch die illegalen Schmierereien zurückgehen. In anderen Städten, mit denen man sich dazu ausgetauscht habe, sei solch eine Entwicklung durchaus zu beobachten gewesen.

Legale Plätze für Graffiti in Bautzen

Freie Plätze

• Fußgängertunnel am Kornmarkt

• Seminarstraße 23 neben Eisdealer

• Wand am Skateplatz Gesundbrunnen, Otto-Nagel-Straße 1

• Turnhalle der Allende-Oberschule, Allende-Straße 52

Weitere Plätze

• Steinhaus, Steinstr. 37, Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr nach Anmeldung

• Treff im Keller, Am Stadtwall 12, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 14 bis 18 Uhr, nach Anmeldung

• SPoT, Teichnitzer Straße 13, beim Verein Bautzen rollt, nach Anmeldung: www.Instagram.com/bautzenrollt

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FDP-Stadtrat Mike Hauschild, der schon öfter Schriftzüge an der Fassade seines Hauses an der Ecke Seminar-/Goschwitzstraße überstrichen hat, ist da skeptisch. Jene, die überall ihre Parolen hinterlassen, ließen sich mit den legalen Flächen sicher nicht davon abhalten. Damit erreiche man wohl nur Leute, die „echte Bilder“ sprayen wollen. „Aber mit denen haben wir in Bautzen kein Problem.“

Derweil sind im Tunnel die ersten Motive entstanden. Clemens zum Beispiel findet es „echt cool, dass es diese Möglichkeit jetzt gibt“. Der 19-Jährige beschäftigt sich seit gut zwei Jahren intensiver mit Graffiti und leitet mittlerweile auch andere an. In dieser Woche ist er jeden Tag an einem anderen Ort, denn das Team von Pro Chance tourt durch die Stadt, um die freigegebenen Flächen mit allen, die Lust darauf haben, zu gestalten.

Jeder kann vorbeikommen – und einfach loslegen. Die 13-jährige Shiva zum Beispiel ist nach dem ersten Workshop am Montag am TiK auch am Dienstag im Tunnel begeistert bei der Sache. Spraydosen stehen bereit und Leute, die Tipps geben, unter anderem von cultures interactive. Der in Berlin ansässige und bundesweit tätige Verein ist Partner von Pro Chance und nicht zum ersten Mal in Bautzen. Im vorigen Jahr zum Beispiel gestaltete er zusammen mit der Band Silbermond einen Projekttag an die Oberschule Gesundbrunnen. Im November ist ein Projekttag an der Allende-Oberschule geplant, wo es um die Vielfalt der Jugendkulturen gehen soll, sagt Tina Heise vom Verein.

Juliane Naumann hofft derweil auf eine „gute und verantwortungsvolle Nutzung“ der freigegebenen Flächen. Die sind mit drei in Rot, Grün und Blau gehaltenen Schriftzügen markiert. Nur innerhalb dieser Kennzeichnung darf legal gesprayt werden, und zwar jederzeit und von jedem auch ohne Anleitung. „Polizei und Ordnungsamt sind natürlich eingeweiht“, sagt Benno Auras. Sie wissen also, dass sie hier nicht einschreiten müssen.

Weitere Workshops: Donnerstag an der Seminarstraße, Freitag an der Allende-Turnhalle, jeweils 15 bis 19 Uhr