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Zähne ziehen in der Mongolei

Die Radebeuler Zahnärztin Uta Vogt reiste für einen Hilfseinsatz in das Land nach Zentralasien.

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© Uta Vogt

Von Nina Schirmer

Radebeul. Die Nachricht, dass sich Ärzte aus Deutschland im Gebäude neben dem Gesundheitszentrum um kranke Zähne kümmern, muss sich in Bornuur wie ein Lauffeuer herum gesprochen haben. Gleich am ersten Tag stehen die Leute aus dem kleinen Ort in der Mongolei Schlange. Schick angezogen und zurechtgemacht. Viele Kinder sind darunter. Uta Vogt hat den Moment auf einem Foto festgehalten.

So modern wie in Deutschland geht es in der provisorischen Praxis nicht zu. Die Instrumente liegen auf einem Tisch zwischen den Behandlungsliegen.
So modern wie in Deutschland geht es in der provisorischen Praxis nicht zu. Die Instrumente liegen auf einem Tisch zwischen den Behandlungsliegen. © Uta Vogt

Die Zahnärztin aus Radebeul gehört zum Medizinerteam, das die Menschen hier behandelt. Für dreieinhalb Wochen hat sie ihre schicke Praxis an der Meißner Straße verlassen, um tausende Kilometer entfernt Patienten zu behandeln, von denen viele noch nie bei einem Zahnarzt waren. Und das in einem Land, in dem extrem viele Süßigkeiten gegessen werden.

Aber von vorn: Über die Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ bewirbt sich Uta Vogt für einen Hilfseinsatz in der Mongolei. Die Idee schwebt ihr schon lange Zeit im Kopf. Im letzten Jahr wagt die 54-Jährige dann den Schritt. Im August geht es in das Land, das zwar viereinhalbmal so groß wie Deutschland ist, aber zu den am dünnsten besiedelten der Welt gehört. Gerade einmal drei Millionen Menschen leben dort. Zahnärztliche Versorgung gibt es in den ländlichen Regionen kaum. 95 Prozent aller einheimischen Dentisten haben ihre Praxis in der Hauptstadt Ulan Bator.

Die Freiwilligen von „Zahnärzte ohne Grenzen“ werden vor Ort in Teams eingeteilt. In dem von Uta Vogt kommen zufällig alle aus Sachsen. Eine Dentistin mit ihrer Zahnarzthelferin aus Zittau und ein Zahnmedizinstudent aus Leipzig sind noch dabei. Ihr erstes gemeinsames Ziel: der Ort Bornuur, hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt.

Dort gibt es eine Art kleine Poliklinik. In einem Nachbargebäude richten sich die Mediziner ein. Auf modernste Technik wie zu Hause müssen sie verzichten. Zwei schwarze Liegen mit kippbaren Lehnen dienen als Behandlungsstuhl. Automatisch funktioniert hier nichts. Ihre Instrumente und Utensilien bauen die Ärzte auf einem Tisch in der Mitte auf.

Die Einwohner können sich beim Bürgeramt für den Besuch bei den Zahnärzten anmelden. Dort werden Nummern verteilt. 50 Patienten am Tag sind vorgesehen. Doch dabei bleibt es nie. „Wir haben immer um die 80 Leute am Tag behandelt“, erzählt die Radebeulerin. Manche Patienten kommen mit Motorrädern von weit hergefahren. Von 9 bis 13 Uhr und nach der Mittagspause von 14 bis 18 Uhr hat ihre provisorische Praxis geöffnet. Die Freiwilligen bleiben aber jeden Tag länger. Meist so lange, bis schließlich die Köchin sagt, dass nun aber Schluss sei, und das Essen bringt.

Wenn die Patienten ihre Münder öffnen, ist der Anblick für die Ärzte oft erst mal ein Schock. Auch die Kinder haben sehr viele Löcher. Uta Vogt ist sich sicher, dass das am extrem hohen Zuckerkonsum in der Mongolei liegt. „In den Läden gibt es Süßigkeiten und Softdrinks ohne Ende, während andere Lebensmittel oft zu wenig sind“, sagt sie. Bei jeder Gelegenheit wird genascht. Süßigkeiten gehören immer auf den Tisch.

Die Ärzte müssen bei jedem Patient, den sie vor sich auf dem Stuhl haben, in kürzester Zeit entscheiden, welche Behandlung sinnvoll ist. Schließlich werden die Leute so bald nicht wieder zu einem Zahnarzt kommen. Auch die Frage, was sie den Kindern zumuten können, stellt sich jedes Mal. Denn Betäubungsmittel bekommen die Dentisten zwar von der Stiftung gestellt, aber damit müssen sie sparsam umgehen. Wer einen Zahn gezogen bekommt, wird vorher betäubt. Bei wem nur gebohrt wird, muss das ohne Spritze aushalten. „Bei Füllungen musste es ohne Betäubung gehen“, sagt Uta Vogt. Doch auch die kleinen Patienten sind tapfer. Und vollkommen aufgeschlossen gegenüber den Ärzten. Es gibt kein Geschrei. „In Deutschland würde man das so nicht erleben“, sagt die Zahnärztin.

Nach getaner Abend geht es abends zum Schlafen in eine Jurte. Das traditionelle Zelt wurde extra für die Deutschen neben der Klinik aufgebaut. Fließend Wasser gibt es nicht. Den Ofen in der Jurte heizen die vier mit Tierdung. Sie lernen die Widrigkeiten des Landes kennen. Aber auch seine wunderschönen Seiten. Uta Vogt schwärmt von der Landschaft, der Gastfreundschaft, der besonderen Kultur, dem guten Essen. „Ich kann es jedem nur empfehlen“, sagt die Radebeulerin.

Die Ärzte ziehen nach ihrer Station in Bornuur weiter in die Stadt Batsümber. Auch dort bauen sie in einem Gesundheitszentrum wieder ihre provisorische Praxis auf und ebenfalls stehen die Leute Schlange. Am Ende des dreieinhalb Wochen dauernden Hilfseinsatz hat das Team rund 900 Patienten behandelt.

Spendenkonto der Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen: Evangelische Bank Kassel, IBAN: DE83 5206 0410 0005 3024 71

www.dwlf.org