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Alte Geschichten, neue Leiden

Erst die Trennung von ihrer Trainerin, nun die Verletzung: Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer ist derzeit alles andere als in Top-Form.

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© Harry Haertel

Von Michaela Widder

Sie ist das Gesicht für die deutschen Meisterschaften der Turner in Leipzig, soll Werbung machen für die ersten Titelkämpfe seit 2002 in der Stadt. Doch Vorfreude ist das nicht, was Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer auf der Pressekonferenz versprüht. „Ich bin sehr gewillt, den Wettkampf zu turnen und würde gerne mal den deutschen Mehrkampftitel gewinnen“, sagt sie. „Aber ich weiß ja, dass das Training zuletzt nicht so prickelnd aussah. Für meinen Fuß ist die Zeit knapp.“

Die 21-Jährige war bei der ersten WM-Qualifikation in Stuttgart vor knapp zwei Wochen am Boden beim Doppelstrecksalto gestürzt und hatte sich am Fuß verletzt. „Es sah nicht so gut aus, aber die Bänder und die Achillessehne sind zum Glück noch dran. Der Fuß wird von Tag zu Tag besser.“

Seit dem Wochenende kann die Chemnitzerin wieder springen, trotzdem besteht die Gefahr, sich im schlimmsten Fall sogar schwerer zu verletzen. Deshalb hat sich Schäfer noch nicht endgültig entschieden, ob sie in der Leipzig-Arena an die Geräte geht. „Ich muss schauen, ob sich das Risiko lohnt und das Tape am Fuß hält.“

Da hilft auch der Zuspruch ihres Freundes Andreas Bretschneider wenig. „Sie ist ein Siegertyp und kann auch mal trotz schlechter Trainingsleistungen einen guten Wettkampf machen“, sagt der Turner. Bretschneider selbst eilt der Ruf voraus, seine Nerven bei großen Wettbewerben nicht vollends im Zaum zu haben. „Ich will und kann mich nicht darauf verlassen, dass ich ein Wettkampftyp bin, wenn ich mich auf meinen Fuß nicht hundert Prozent verlassen kann“, meint Schäfer.

Vor allem mit Blick auf die Weltmeisterschaften Ende Oktober in Doha/Katar würde es nicht überraschen, wenn sie die nationalen Titelkämpfe am Ende doch auslässt, mit der Nachricht aber vorher nicht an die Öffentlichkeit will. Einen Bonus als Weltmeisterin am Schwebebalken dürfte sie bei der Bundestrainerin jedenfalls haben. Am Montag nach der Meisterschaft und dem zweiten Teil der WM-Qualifikation soll Ulla Koch das Team benennen.

Ein großes Fragezeichen steht auch hinter Teamkollegin Sophie Scheder. Die Olympiadritte am Stufenbarren hatte sich im Training die nächste Verletzung zugezogen, diesmal im rechten Knie. Scheder war auch für die Pressekonferenz am Mittwoch angekündigt, musste dann aber zur selben Zeit zu einer MRT-Untersuchung. Eine Diagnose steht noch aus.

Für Schäfer sind die Vorbereitungen auf die Meisterschaften zusätzlich durch die Trennung von ihrer langjährigen Betreuerin Gabi Frehse erschwert. „Natürlich ist es eine Umstellung. Ich hatte mit Gabi viele Jahre eine gute Zusammenarbeit, aber jetzt hat es nicht mehr funktioniert“, erklärt Schäfer auf SZ-Nachfrage. Anfang September hatte sie überraschend die Zusammenarbeit mit der Chemnitzer Erfolgstrainerin ausgesetzt. Es gab Differenzen in der Trainingsgestaltung. „Die Situation ist abgeklärt, wir gehen professionell damit um. Nach der WM wird es offiziell ein Gespräch geben, wie die jetzige Betreuung funktioniert.“ Eine weitere Zusammenarbeit scheint eher unwahrscheinlich zu sein.

Schäfer trainiert wie bisher am Bundesstützpunkt in Chemnitz, sportfachlich wird sie nun von Ulla Koch betreut, vor Ort arbeitet sie mit den Vereinstrainern Kerstin Vogel und Ben Möbius zusammen. Hilfe bekommt sie außerdem von den Männern des KTV Chemnitz in der benachbarten Halle. Aufgrund der Baumaßnahmen im eigenen Domizil absolvieren die Turnerinnen ihre Sprungeinheiten ohnehin dort.

Die gebürtige Saarländerin trainierte seit 2012 bei Frehse in Chemnitz. In dieser Zeit errang sie sieben deutsche Meistertitel sowie WM-Bronze 2015. Höhepunkt war jedoch der WM-Titel an ihrem Spezialgerät 2017 in Montreal. Im selben Jahr landete sie bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres auf Rang zwei. „Wenn mich meine Trainerin nicht täglich so durch die Halle scheuchen würde, wäre ich nie Weltmeisterin geworden. Ich brauche diesen Antrieb“, hatte Schäfer noch im Januar bei der sächsischen Sportlergala in Dresden gesagt.