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Die lange Vorgeschichte der „Revolution Chemnitz“

Die verhafteten mutmaßlichen Rechtsterroristen sind schon früher aufgefallen. Etwa bei der Kameradschaft „Sturm 34“.

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© dpa

Von Tobias Wolf und Andrea Schawe

Es dürfte einer der größten Schläge der vergangenen Jahre gegen Terrorismus sein: Sieben Mitglieder der mutmaßlichen rechtsterroristischen Vereinigung „Revolution Chemnitz“ wurden am Montag auf Betreiben der Generalbundesanwaltschaft festgenommen.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte zu den Festnahmen: „Wer aus niederen Motiven Anschläge auf Ausländer, Amtsträger, Politiker oder andere Menschen plant, dem begegnet das Gesetz zu Recht mit ganzer Härte.“ SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas zeigte sich erleichtert. Die Inhaftierungen machten aber deutlich, „dass es eine konkrete Gefahr durch rechten Terrorismus gibt“. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig sagte, der Ermittlungsdruck auf die extrem rechte Szene und ihre Unterstützer müsse weiter erhöht werden.

Als zentrale Führungsfigur der mutmaßlichen Terroristen gilt Christian K., der seit Mitte September in Untersuchungshaft sitzt. Damals soll die Gruppe nach einer Demo der rechten Gruppierung Pro Chemnitz mit Flaschen und Quarzhandschuhen bewaffnet am Chemnitzer Schlossteich Ausländer angegriffen und verletzt haben.

Auf Facebook rief die Gruppe „Revolution Chemnitz“ zuletzt zu Demonstrationen in Chemnitz und Köthen auf. Auf ihrer Seite finden sich Losungen wie „Nationaler Sozialismus – mehr als eine Idee“. Für die mutmaßliche Führungsfigur, den 31-jährigen Christian K., und einen Mann namens Tom W. hat ein Gericht inzwischen Untersuchungshaft angeordnet. Denn die Vereinigung hat offenbar eine lange Vorgeschichte.

Nach SZ-Informationen soll es sich dabei um den 30-jährigen Tom W. handeln, Anführer der früheren Neonazi-Kameradschaft „Sturm 34“. Im Jahr 2006 hatten die Brüder Tom und Peter W. die Gruppe in Mittweida gegründet. Schon 2004 hatten sie in der Region Straftaten begangen. Die Neonazi-Kameradschaft „Sturm 34“ hatte sich nach einem Sturmtrupp der SA im Dritten Reich benannt. Die Rechtsextremisten wollten Mittweida und die umliegende Region zur sogenannten „national befreiten Zone“ machen und gingen gezielt gegen Ausländer und Andersdenkende vor. Körperverletzungen, Bedrohungen und Volksverhetzung: Allein 2007 hatten Ermittlungsbehörden rund 70 Straftaten gezählt, die von Mitgliedern der Gruppe verübt wurden. Rund 50 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum sollen „Sturm 34“ angehört haben, etwa die Hälfte gehörte zum harten Kern. Dazu kamen mindestens 100 Sympathisanten. Jedes vierte Mitglied der Kameradschaft soll Mitglied der NPD gewesen sein.

Im April 2007 verbot der damalige sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) die Gruppe. Bei einer Razzia fanden Polizisten Waffen und umfangreiches Propagandamaterial in den Wohnungen der Beschuldigten, darunter Würgehölzer, Sturmhauben und Hakenkreuzfahnen. 2008 verurteilte das Landgericht Dresden das Brüderpaar. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil 2009 auf, die Angeklagten kamen aber in einem erneuten Prozess vor dem Landgericht mit Bewährungsstrafen davon, obwohl sie wegen gefährlicher Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden – das war 2012. Tom W. wurde wegen Rädelsführerschaft einer kriminellen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Die Linke forderte „nach allerlei unsachlichen Beschwichtigungen eine härtere Gangart bei der Zurückdrängung der extremen Rechten“. Bei der Gruppe „Revolution Chemnitz“ handelt es sich nach der „Oldschool Society“ und der „Gruppe Freital“ bereits um die dritte rechtsterroristische Vereinigung, die sich seit der Aufdeckung des NSU gebildet und in Sachsen aktiv geworden ist. „Wir brauchen endlich eine klare Haltung der politisch Verantwortlichen, die deutliche Benennung der Gefahren und ein konsequentes Vorgehehen der Sicherheitsbehörden“, fordert auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann. (mit SZ/lex)