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Das passierte nach #MeToo

Die Debatte begann vor einem Jahr. Über kaum ein Thema wurde so hitzig diskutiert wie über #MeToo. Was hat die Diskussion bewirkt?

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© dpa

Von Caroline Bock und Julia Naue

Berlin. Es war die Beerdigung von Aretha Franklin, einer Legende. Der Bischof legte seinen Arm um Sängerin Ariana Grande und griff dabei an ihren Busen, danach hat er sich entschuldigt. Für Grande war es auf der Bühne ein peinlicher Moment, den viele Frauen gut nachvollziehen können. Sie hat die Hand des Mannes nicht zurückgeschoben. Vielleicht hat sie es so schnell nicht gemerkt. Oder sie hat gedacht: lieber keinen Aufstand machen.

Das war lange bei vielen Frauen die Regel: Lieber nichts sagen, das bringt nur Ärger. Seit einem Jahr gibt es für Momente, wie ihn Ariana Grande erlebte, einen Ausdruck: „MeToo“, das heißt so viel wie „ich auch“ oder „das ist mir auch passiert“. Es begann damit, dass am 5. Oktober 2017 die ersten Berichte über den Hollywoodmogul Harvey Weinstein erschienen, die das Bild eines skrupellosen und brutalen Mannes zeichneten, der Frauen gegenüber seine Macht schamlos ausgenutzt haben soll.

Unter dem Schlagwort #MeToo machten sich danach viele Frauen und auch einige Männer Luft über das, was sie erlebt haben – von blöden Sprüchen und Grapschern über Machtmissbrauch bis zur jahrelangen Gewalt. Es wurde eine weltweite Bewegung, von China bis Schweden. Die Ausläufer reichten bis in deutsche Büros, Familien und Freundeskreise. Viele nie gehörte Geschichten tauchten auf. Ob es der schmierige Onkel war, der grapschende Kollege oder der Fremde, der in der Straßenbahn onaniert hat.

Doch wie groß ist das Problem überhaupt? 2017 wurden bei der Polizei mehr als 11 000 sexuelle Nötigungen und Übergriffe erfasst – die überwältigende Mehrheit der Opfer war weiblich. Eine EU-weite Studie aus dem Jahr 2014 kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass nur ein Bruchteil der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, zur Polizei geht oder sich bei anderen Organisationen Hilfe sucht. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage ist jede vierte Frau in Deutschland an ihrem Arbeitsplatz Opfer sexueller Belästigung geworden.

Für die einen war #MeToo also überfällig und eine Befreiung, für andere war es jedoch eine Hexenjagd. In vielen Ländern hatte die Debatte heftige Folgen, viele Prominente stürzten über die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs.

Schon bei der Berlinale im Winter war es Thema, im Juni wurde es offiziell: Es soll in Deutschland eine unabhängige „Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung“ geben. Dazu gründeten Verbände und Gewerkschaften der Film- und Fernsehbranche mit Produzenten, Sendern, Theatern und Orchestern einen Trägerverein. Im Oktober soll die Beschwerdestelle ihre Arbeit aufnehmen.

Doch nicht jeder sieht #MeToo so positiv – auch abgesehen von beleidigten älteren Herren, die sich kollektiv an den Pranger gestellt fühlen, gibt es Kritik. Die Philosophin Svenja Flaßpöhler beobachtet im Zuge der Debatte eine extreme Verhärtung des Geschlechterverhältnisses. „Die gesamte Aggression richtet sich bei MeToo auf den Mann. Aber es wird nicht gesehen, dass Frauen Machtstrukturen, die sie beklagen, häufig stützen.“ Sie warne vor öffentlichen Vorverurteilungen.

Für Gewaltforscherin Prof. Monika Schröttle überwiegt das Erreichte. „Um Gewalt im Geschlechterverhältnis abzubauen, braucht es viel – ein wichtiger Punkt ist aber das Bewusstsein.“ Das habe #MeToo geschaffen, eine junge Generation sei sensibilisiert worden. (dpa)