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Auf der Flucht

Er soll zu einer Erpresserbande gehören und ist untergetaucht. Nun wird der Angeklagte aus Tschetschenien auch wegen versuchten Totschlags gesucht.

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© dpa (Symbolfoto)

Von Alexander Schneider

Dresden. Khadzhimurat F. muss sich wegen Mitgliedschaft in einer Schutzgelderpresser-Bande bereits seit Dezember 2017 vor dem Landgericht Dresden verantworten. Doch der 50-jährige Tschetschene ist schon vor Wochen untergetaucht – kurz nachdem er wegen überlangen Freiheitsentzugs aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Nun wurde bekannt: Gegen den Angeklagten wird auch wegen versuchten Totschlags ermittelt. Nach der Entlassung aus der Haft soll er seine Ehefrau angegriffen und in Todesgefahr gebracht haben, bestätigt die Staatsanwaltschaft Dresden. Nach dem Tschetschenen werde mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Seit Herbst vergangenen Jahres haben am Landgericht Dresden vier Prozesse gegen insgesamt 15 Angeklagte aus Osteuropa begonnen, die zu einer „tschetschenischen Schutzgeldmafia“ gehören sollen. Die teilweise muskulösen Angeklagten, darunter viele Asylbewerber und Wachmänner, sollen vor allem Landsleute erpresst und um viele Tausend Euro erleichtert haben. Im November 2016 hatte die Staatsanwaltschaft einen Großteil der Verdächtigen im Rahmen einer bundesweiten Razzia verhaftet. Den Männern wird nun Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung sowie unter anderem räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung und dergleichen mehr vorgeworfen. Gegen sie verhandelt eine eigens neu gebildete Staatsschutzkammer. Ein Teil der Gruppe muss sich darüber hinaus wegen versuchten Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten. Sie sollen sich im September 2015 an einer Schießerei in Dresden beteiligt haben.

Der 50-jährige Khadzhimurat F. wurde mit vier Mitangeklagten seines Verfahrens im Juli aus der U-Haft entlassen. Ein Verteidiger hatte gegen die überlange Haft Beschwerde eingelegt – und vom Bundesverfassungsgericht recht bekommen. Wenig später reiste F. nach Tschetschenien. „Mein Mandant wollte sich um seinen sterbenskranken Vater kümmern“, sagte Verteidiger Thomas Zeeh. Schon der Tod seiner Mutter während seiner U-Haft habe F. schwer belastet. Der Staatsschutzkammer war die Reise bekannt. Nach Aufhebung des Haftbefehls hatte sie jedoch keine Möglichkeit, die Reise zu verhindern. Erst als F. Anfang September nicht zum Prozess erschienen war, erwägte das Gericht, ihn per Haftbefehl suchen zu lassen.

Damals war der neue Vorwurf offenbar noch nicht bekannt. Nach SZ-Informationen habe F.s Frau sich von ihm trennen wollen. Nach F.s Freilassung soll es dann in der Wohnung zu einer handfesten Auseinandersetzung gekommen sein. Das spricht dafür, dass F. schon bei der Abreise ein neues Ermittlungsverfahren fürchten musste. Es ist schwer vorstellbar, dass er freiwillig nach Deutschland zurückkehren wird. Nach Angaben der Justiz sei es problemlos möglich, auch ohne den flüchtigen Angeklagten weiterzuverhandeln.