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Wo einst in Kamenz getankt wurde

Natürlich auch an den Hotels und Gaststätten, die die neue Mobilität für das Fremdenverkehrsgeschäft nutzten.

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Von Norbert Portmann & Frank Oehl

Kamenz. Es ist ganz erstaunlich, wie viele Zapfsäulen es einst in Kamenz gegeben hat. Nach der „überraschenden“ Wiederentdeckung der Tankstelle am Buttermarkt (die SZ berichtete mehrfach) haben viele Ältere in ihren Erinnerungen gekramt. An zahlreichen Stellen in der Stadt wurden Tanksäulen verortet. Mancher dürfte nun besonders angeregt sein, dem „Tankstellenmuseum“ von Familie Ulf Berger an der Bautzner Straße einen Besuch abzustatten. Dort kann man viel Interessantes erfahren – in der Anschauung historischer Technik wie auch mit dem Blick auf Dokumente und Fotografien.

Das Hotel Lehmann am Bönischplatz, oberhalb des Bahndamms, gehörte zu den wichtigsten Anfahrpunkten in der Stadt. Eine Tanksäule war selbstverständlich.Fotos: privat
Das Hotel Lehmann am Bönischplatz, oberhalb des Bahndamms, gehörte zu den wichtigsten Anfahrpunkten in der Stadt. Eine Tanksäule war selbstverständlich.Fotos: privat
Am „Gasthaus zum Kronprinz“ an der Bautzner Straße stand eine der meistgenutzten Tankstellen der Stadt. Später kam bei Handracks auch eine Überdachung hinzu.
Am „Gasthaus zum Kronprinz“ an der Bautzner Straße stand eine der meistgenutzten Tankstellen der Stadt. Später kam bei Handracks auch eine Überdachung hinzu.

Augenscheinlich hat die neue Mobilität des diesel- oder benzingetriebenen Kraftfahrzeuges in den Fremdenverkehrstätten der Stadt belebend gewirkt. Natürlich: Wer von weiter angereist ist, sollte am Hotel nicht nur neue Kraft, sondern auch Kraftstoff für die Weiterfahrt schöpfen können. Wie vor dem Hotel Lehmann am Bönischplatz (kleines Foto unten). Und unmittelbar vor der Straßengabelung nach Bautzen und Bischofswerda befand sich am ehemaligen „Gasthof zum Kronprinzen“ Ende der 1920er-Jahre schon eine richtige Tankstelle (großes Foto). Angeboten wurde bei Handracks Benzin der Firma Esso. Esso ist ein Handelsname für Exxon Mobil und seine verbundenen Unternehmen. Diese Tankstelle existierte auch noch zu DDR-Zeiten. Unerwähnt darf auch die Tanksäule vor dem Hotel „Stadt Dresden“ (kleines Foto oben) nicht bleiben. Wie lange die Tanksäule dort stand, ist nicht bekannt. Auch nicht, welche Benzinfirma hier ihre Betriebsstoffe verkaufte. Und SZ-Leser machten auch auf die Tankstelle an der Zwingerstraße aufmerksam. Sie stand auf der anderen Rathausseite und wurde u.a. von Gästen des „Deutschen Hauses“ genutzt.

Bereits erwähnt wurde die Tankstelle von Rudolf Gebauer in der Zwingerstraße. Später befand sich darin die „Flora“-Drogerie von Schäfer, dann Wilfried Charfreitag. Zu DDR-Zeiten war es die Konsum-Drogerie. Was haben nun Drogerien mit Tankstellen gemeinsam? Nachweislich war die Drogerie von F.A. Goldberg, Bautzener Straße 52, die erste Kamenzer Einrichtung, in welcher Betriebsstoffe für die ersten Autos käuflich erworben werden konnte. Die hängt mit der drogerietypischen Produktvielfalt zusammen. Wie diese Betriebsstoffe verkauft wurden, ist heute auch nicht mehr bekannt. Sicherlich waren es Metall-fässer, fest verschlossen und mit einer Handpumpe ausgestattet. Dazu gab es Kannen mit einem langen und etwas gebogenen Schnabel. Aus Sicherheitsgründen war ein derartiger Verkauf sicherlich nicht lange möglich.

Erst später entstanden Tanksäulen. Älteren Kamenzern wird die Tanksäule des Kaufmanns August Richard Graul in der Oststraße 8 bekannt sein. Graul führte in diesem Haus einen Produktenladen und verkaufte so nebenbei Benzin. Schon in der damaligen Zeit war es üblich, dass es nicht nur eine Benzinherstellungsfabrik, wie Esso und Shell, gab. Bei Grauls wurde Benzin von „Euco“ verkauft. Dahinter verbarg sich die Everth & Co. GmbH. Diese war eine ehemalige deutsche Mineralölfirma aus Dresden, welche dann später in der Nitag aufgegangen war. Vermutlich gab es die Tanksäule schon vor Kriegsende nicht mehr. In diesem Zusammenhang sei noch an Grauls Kiosk auf dem städtischen Sportplatz erinnert. Mutter Graul und ihre Töchter verkauften vor und während der Fußballspiele und während der Pause Bier und Limonade, kleine Süßigkeiten und Kekse sowie Bockwürste.

Bleiben wir auf der Oststraße bzw. Haydnstraße. Dort gründete Martin Köhler um 1935 eine Kfz-Werkstatt mit Tanksäule. Später wurde daraus eine überdachte Tankstelle mit mehreren Zapfstellen für Benzin und Diesel. Zu DDR-Zeiten war es „Minol“-Tankstelle. Mit der Neueröffnung der „Minol-Tankstelle an der Nebelschützer Straße zu Beginn der 1970er Jahre stellte diese Firma langsam ihren Betrieb ein.

Stadtauswärts an der Nordstraße 27 befanden sich die Tankstelle von Friedrich Dunkel und in den Hintergebäuden die ehemalige Schmiede von Max Weigel. 1937 erfolgte der Neubau einer Kfz-Werkstatt für Autos der Marke „Daimler-Benz“ durch Dunkel sowie die Errichtung einer Tankstelle. Noch zu DDR-Zeiten wurde sie durch Gertrud Dunkel geleitet. Wann sie ihren Betrieb einstellte, ist derzeitig nicht bekannt. In dieser Tankstelle wurden Betriebsstoffe der Firma Nitag verkauft. Sie war ein deutsches Mineralölunternehmen mit eigener Tankstellenkette, das von 1924 bis 1956 bestand.

In der Literatur gibt es auch Angaben zur Tanksäule von Richard Portmann. Dabei ist auch die Auto-Firma von Hermann Elitzsch zu erwähnen. Seit 1923 war die Firma Elitzsch im heutigen Geschäft von Elektro-Hommel ansässig. Die Kfz-Werkstatt befand sich in den Räumen der Elektrofirma Burghardt auf der Auenstraße 3 , wo heute die Reifenfirma Wenzel-Petasch sitzt. Im Ladengeschäft verkauften Elitzschs Ersatz- und Kleinteile für Autos, Motorräder und Fahrräder. Richard Portmann übernahm 1925 das Ladengeschäft in der Hoyerswerdaer Straße 59 und Elitzsch behielt die Werkstatt bis 1927/28. Richard Portmann reparierte und verkaufte auch Motorräder. Bei Elitzsch und Portmann reifte auch der Gedanke, den Kunden Betriebsstoffe anzubieten. Letztendlich war dann Portmann der Pächter der Tanksäule. Angeboten wurden Betriebsstoffe der Firma Olex.Es war die Aktiengesellschaft für österreichische und ungarische Mineralölprodukte. Zunächst ein österreichisches, später deutsches Mineralölunternehmen. Sie war eine der Vorläuferfirmen der Deutschen BP. Nach 1945 wurde die Tanksäule geschlossen. Richard und Horst Portmann hatten aber noch Zugang zu der Säule. Bekannt ist, dass mit dem Wiederaufbau des Kamenzer Flugplatzes Anfang der 1950er-Jahre durch die KVP „Luft“ die Baufahrzeuge der damaligen „Bau-Union Süd“ betankt wurden. Mit Errichtung des VEB Kohlehandel wurden dann deren Lkw hier betankt. Nicht nur die Automotoren hatten Durst, auch so mancher Fahrer. Somit war es eine Frage der Zeit, die Tanksäule wurde umgefahren. Dies beschleunigte trotz kurzfristiger Reparatur letztlich deren Tod.

Viele Persönlichkeiten und deren Service haben Kamenzer Tankstellengeschichte geschrieben. Unbedingt erwähnt werden müssen Eberhard „Ebi“ Böhme (bei Feuchtemeyer) und Kurt „Kurtl“ Börner (bei Minol Oststraße). Beide beherrschten ihr Fach. Für jeden Kunden hatten sie stets ein freundliches Wort. Mit den Stammkunden gab es auch so manches „schöpferische“ Gespräch zu „Hinz und Kunz“. Aber auch der Service aller Tankstellenmitarbeiter gehörte zu den positiven Merkmalen: Kontrolle des Kühlwassers und des Ölstandes, Reinigung schmutziger Scheiben und so weiter. Und: Die Kunden wurden stets auf das Höflichste verabschiedet. „Danke!“ und „Kommen Sie wieder, bitte!“ waren geläufige Worte Kamenzer Tankstellenhistorie. Das sollte nicht vergessen werden ...