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Für einen Clown mit Heimweh

Breslau war Alexander Camaros Sehnsuchtsort. Johanna Brade vom Schlesischen Museum hat sich in sein Werk vertieft.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Ines Eifler

Görlitz. Pierrot, Harlekin und andere Clowns, Seiltänzerinnen, Schausteller und Karussellpferde sind das selten fröhliche Personal auf vielen Bildern von Alexander Camaro. Der Künstler, kurz nach 1900 in eine arme Familie am Rand von Breslau hineingeboren, war in seiner Jugend selber Clown und Hochseilartist, bevor er Musik, Kunst und Tanz studierte, so als wolle er sich nicht festlegen auf eine einzige Sorte von Kunst. „Er war ein unglaublich vielseitiger Künstler, der sich nie in eine Schublade stecken ließ“, sagt Johanna Brade und zeigt auf Pastellzeichnungen, Aquarelle, Gouachen, Ölbilder, Collagen, die Alexander Camaro bis ins hohe Alter von 91 Jahren geschaffen hat und die ab nächster Woche im Schlesischen Museum zu sehen sind. Die Kunsthistorikerin erzählt von seinem Leben als Artist, seinen Beziehungen zu schönen Frauen, von seiner Verehrung für sein Vorbild Otto Müller, bei dem er in Breslau studierte und der heute als einer der bedeutendsten Expressionisten gilt.

Mit Alexander Camaros Werk hat sich Johanna Brade in den vergangenen Monaten intensiv beschäftigt, dabei Bezüge zu seinem Leben in Breslau hergestellt und für die Ausstellung mit Fotos und Texten zu den Kunstwerken aufbereitet. „Ich kannte Camaro vorher fast gar nicht“, sagt die Expertin für die Künstler im Umkreis der Breslauer Akademie, an der bis 1932 bedeutende Maler und Architekten lehrten und aus der viele große Künstler hervorgingen. „Für diese stark biografische Ausstellung bin ich in Camaros Leben geradezu eingetaucht und freue mich sehr, nun unsere Besucher daran teilhaben lassen zu können.“

Es komme nicht häufig vor, dass das Schlesische Museum so wertvolle Werke in einer Einzelschau zeigen könne. In diesem Fall aber war es durch die enge Verbindung zur Camaro-Stiftung und zum Camaro-Haus in Berlin möglich. Das Camaro-Haus hatte den Impuls zu einer großen Ausstellung über Otto Müller gegeben, die am Freitag im Hamburger Bahnhof in Berlin eröffnet wird. Johanna Brade war durch ihr Buch „Otto Müller und seine Schüler“ bereits im Camaro-Haus bekannt, wurde um Mithilfe bei der Berliner Ausstellung gebeten und tat das gern. So gab das Schlesische Museum etliche Werke als Leihgaben nach Berlin, auch an dem Katalog der Otto-Müller-Ausstellung hat Johanna Brade mitgewirkt. Als Dankeschön für diese Unterstützung konnte mit großzügigen Leihgaben des Camaro-Hauses die Görlitzer Camaro-Ausstellung entstehen.

Bis März wird sie im Schönhof zu sehen sein, danach wandert sie weiter nach Berlin. Dort hatte Camaro seine zweite Lebenshälfte verbracht. In den 1930er und 1940er Jahren war er viel als Tänzer engagiert gewesen, unter anderem an den Frontbühnen, was ihn bis 1944 vor dem Kriegsdienst schützte. Als die Einberufung dennoch drohte, tauchte Camaro unter. Danach lebte er in Ost-, seit 1951 in Westberlin und wurde Professor an der Hochschule für Bildende Künste. „Eine erstaunliche Biografie“, sagt Johanna Brade, „vom Arbeitersohn, der sich Artisten anschloss und als Tänzer arbeitete, bis zum angesehenen Künstler und Hochschulprofessor.“

Anders als andere Breslauer, von denen viele in Berlin wieder zusammentrafen, habe Camaro seine Herkunft weder verleugnet noch seine Heimatstadt in verklärter Erinnerung gemalt. Er habe seinen Gedanken an Breslau nachgespürt und aus diesem Reichtum noch spät im Leben geschöpft. Manche Werke zeigen seine verblassende Erinnerung: die Kirche St. Annen eher schemenhaft als deutlich, eine Szene beim Eislaufen stellte Camaro in Schattenrissen dar. Das Motiv des Seiltänzers zieht sich wie ein roter Faden in verschiedenen Stilen bis ins Spätwerk des Künstlers.

Im Schönhof möchte das Schlesische Museum die Besucher durch die vielfältige, meist gegenständliche, gefällige Werkauswahl erreichen. Bereits heute lädt Johanna Brade zu Einblicken in Camaros Bilderwelten ins Museum ein, am Donnerstag nächster Woche dann zur Eröffnung. Gute Resonanz verspricht sie sich am Rande des Christkindelmarktes ab Ende November. Wandert die Schau im April nach Berlin, hofft sie, Kunsttouristen weiter nach Osten zu locken: „Schließlich ist die Kunstwelt in Berlin nicht zu Ende, sondern reicht weiter bis nach Görlitz oder Breslau.“