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Mit dem Priester über den Malerweg

Eine Autorin aus Litauen war mit einem Geistlichen in der Sächsischen Schweiz unterwegs. Darüber schrieb sie ein Buch.

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© Dirk Zschiedrich

Von Nancy Riegel

Heute, im Herbst 2018, kann Lina Ever entspannt über die Felsen, Stiegen und Felder in der Sächsischen Schweiz wandern. Ohne Handyempfang und ohne Stress führt sie eine Gruppe von zwölf Leuten den Malerweg entlang. Vor rund einem Jahr war sie schon einmal hier, allerdings war ihr Besuch damals mit einer Mission verbunden. Man könnte flapsig sagen, mit einer göttlichen, allerdings wäre das so nicht ganz richtig. Zwar lief sie zusammen mit einem litauischen Priester und einem Fotografen fünf Etappen des Malerwegs ab und schrieb darüber ein Buch. Das dreht sich aber nicht nur um den Glauben, sondern auch und vor allem um Freundschaft, das Leben, die Freiheit – und die Schönheit des Elbsandsteins.

Den katholischen Priester Algirdas Toliatas kennt man in dem kleinen Staat Litauen aus Fernsehen und sozialen Medien. In der Sächsischen Schweiz lief er zusammen mit Autorin Lina Evers fünf Etappen des Malerwegs. Der Geistliche war allerdings nur für die
Den katholischen Priester Algirdas Toliatas kennt man in dem kleinen Staat Litauen aus Fernsehen und sozialen Medien. In der Sächsischen Schweiz lief er zusammen mit Autorin Lina Evers fünf Etappen des Malerwegs. Der Geistliche war allerdings nur für die

„Kelyje“ hat Lina Neverbickiene, wie ihr eigentlicher Name ist, ihr Buch genannt. Übersetzt heißt das „Unterwegs“, so wie der berühmte Roman von Jack Kerouac. „Ich habe mich bewusst für den Titel entschieden, weil ich mich beim Wandern genauso gefühlt habe wie die Hauptfigur“, sagt die 48-Jährige auf Deutsch.

Der Facebook-Priester aus Litauen

Seit sechs Jahren lebt die Journalistin, Bloggerin und Autorin mit ihrem Mann und ihrem jüngsten Sohn in Berlin, doch ursprünglich kommt sie aus Litauen. Der kleine Staat im Baltikum hat weniger als drei Millionen Einwohner. Man kennt sich. Und die Litauer kennen vor allem den Mann, der auf dem Buchcover von „Kelyje“ abgedruckt ist. Priester Algirdas Toliatas ist nicht nur ein moderner Geistlicher, der viel im Fernsehen unterwegs ist. Er sieht auch ungewohnt gut aus für einen Mann Gottes.

Allein seine Optik war selbstverständlich nicht der Grund, warum Lina Ever den Theologen auf eine Wanderung in die Sächsische Schweiz einlud. Zunächst einmal ist er Alpinist und liebt Aktivitäten in der Natur. Außerdem sei er kein typischer Priester. Man findet von ihm Fotos auf dem Motorrad, und seine Predigen überträgt er live über Facebook. „Er ist ein sehr menschlicher Priester, überhaupt nicht weltfremd. Ich mag, wie er die Welt sieht.“ Trotzdem sei es natürlich etwas befremdlich, als Frau zusammen mit einem Geistlichen in einer kargen Wanderhütte zu übernachten. Überhaupt, fünf Tage am Stück in der Abgeschiedenheit der Sächsischen Schweiz zu verbringen. „Man hat so gut wie keinen Empfang. Und ich sollte die Buchungsbestätigung einer Unterkunft per Fax schicken. Per Fax! Das habe ich seit Jahren nicht mehr benutzt“, sagt sie und muss lachen. Für sie habe sich die Reise auch ein wenig wie ein Märchen angefühlt.

Nach der Wanderung entstand ein Werk im Tagebuch-Stil, das nicht nur die tiefgründigen Gespräche und Gedanken während der vielen Kilometer einfängt, sondern auch die Landschaft zwischen Pirna und Schmilka ausgiebig beschreibt – wenn auch bisher nur auf Litauisch. Es ist Lina Evers viertes Buch, und auch wenn zwei ihrer Romane in Berlin spielen, schreibt sie immer in ihrer Muttersprache – das gibt ihr Sicherheit. Die Übersetzung von „Unterwegs“ sei aber geplant, sagt sie. „Das wäre doch auch eine wunderbare Werbung für den Malerweg.“

Buch, Bilder, Film

Selbst wenn man kein Litauisch spricht, lohnt sich ein Blick ins Buch. Neben dem Priester war auch der litauische Fotograf Algimantas Aleksandravicius mit in der Sächsischen Schweiz. Er inspirierte Lina und schoss die vielen, stimmungsvollen Aufnahmen, die im Buch abgedruckt sind. Diese allesamt in schwarz-weiß gehaltenen Bilder vermitteln eine verträumte, manchmal düstere Grundstimmung. Der Priester steht in seiner Robe gehüllt barfuß auf einer menschenleeren Straße oder gedankenverloren auf einer kleinen Brücke mitten im Wald. Andere Fotos zeigen ihn von Kopf bis Fuß in Wanderkleidung, vertieft in ein Gespräch mit der Autorin oder tischtennisspielend beim Wehlener Künstler Christopher Haley Simpson. „Die Kellen waren kaputt, der Ball eingedellt, das war schon eine lustige Aktion“, schmunzelt die Autorin und gibt zu, die Szene extra für den Fotografen gestellt zu haben.

Die Fotos stellte Lina vor der Veröffentlichung des Buchs in Litauen aus. Und sie machten offenbar neugierig. Denn ein Jahr nach der Wanderung mit dem Priester läuft Lina Ever heute noch einmal die fünf ersten Etappen des Malerwegs von Liebe-thal bis Schmilka. Begleitet wird sie dieses Mal von elf weiteren Litauern, die sich von der 48-Jährigen führen lassen. Darunter ist auch ihr 24-jähriger Sohn Paulius, ein Filmemacher und DJ, der in Barcelona lebt. Das Abenteuer seiner Mutter begleitet er mit der Kamera. So entsteht neben dem Buch und den Bildern ein Film über Lina Evers Reise in die Sächsische Schweiz.

Die Litauerin würde sich freuen, wenn ihre Bilder und eventuell auch der Film in der Region gezeigt werden, in der sie entstanden sind. „Vielleicht gibt es ja ein Museum oder Ähnliches, das sich dafür interessiert?“ Dass ein Priester – noch dazu einer, der in Litauen als Promi gilt – in Talar über den Malerweg läuft, kommt schließlich nicht so häufig vor.

Kontakt zu Lina Ever über Facebook oder per

[email protected]