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Zerfällt der Landesjagdverband?

Die Meißner Jäger wollen die Dachorganisation verlassen. Hinter den Kulissen brodelt es – auch wegen des Wolfs.

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© Julian Stratenschulte/dpa

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Hätten sie sich anders entschieden, davon ist Karsten Schlüter überzeugt, dann wäre sein Kreisjagdverband Meißen (KJV) wohl daran zerbrochen.

Der Vorstand des KJV, dem Kreisjägermeister Schlüter angehört, schlug seinen Mitgliedern den Austritt aus dem Landesjagdverband (LJV) zum Jahresende vor. Kein leichter Schritt, vertritt der Dachverband der in den Jägervereinigungen organisierten sächsischen Jäger doch deren Rechte unter anderem gegenüber der Politik, verschafft ihnen Rabatte beim Fahrzeugkauf oder zahlt Schadensausgleich, wenn ein Hund einen Unfall hat. Doch am 15. August wurde bei einem außerordentlichen Kreisjägertag abgestimmt: Von knapp 90 Mitgliedern stimmten gerade einmal fünf gegen einen Austritt, fünf weitere enthielten sich. Was war passiert?

In einer Erklärung auf der Webseite des KJV ist von „ständigen Streitereien“ beim Landesjagdverband und „ungeheuerlichen Vorgängen besonders 2018“ die Rede. In einem Gespräch mit der SZ erläutert Karsten Schlüter das Schreiben näher. Seit Jahren gebe es Intrigen und Lagerbildung beim LJV, was sich an einzelnen Mitgliedern im Präsidium festmachen ließ. Vor zwei Jahren habe man darum gerungen, ein neues Präsidium auf die Beine zu stellen mit einem Vizepräsidenten aus Meißen, Norman Härtner. Doch dieses sei nach und nach wegen interner Zerwürfnisse zerfallen.

Im Februar machte eine E-Mail, unterzeichnet von 20 der 35 Kreisjagdverbände, die Runde: Darin forderten sie den Rücktritt des Präsidiums, erhoben schwere Vorwürfe. „Das hat die größte Unruhe gebracht“, sagt Schlüter. Der KJV Meißen und andere Verbände seien nicht eingeweiht gewesen. Als Folge traten weitere drei Präsidiumsmitglieder zurück. Sacharbeit sei völlig auf der Strecke geblieben.

Weil der KJV Meißen seine Mitglieder regelmäßig per E-Mail über alle Vorkommnisse im Landesjagdverband wie auch dem Deutschen Jagdverband (DJV) informiert, wollten immer mehr Mitglieder ihren Beitrag nicht mehr zahlen und drohten sogar, den KJV zu verlassen. „Zurecht wurde kritisiert, dass vom LJV nichts mehr zu hören war, aber unser Geld dorthin bezahlt wurde“, heißt es auf der Webseite.

Die Meißner Jägerschaft ist nicht die erste, die dem Dachverband den Rücken kehrt: Auch Riesa und Döbeln haben ihren Austritt zum Jahresende 2018 erklärt. Die Jägerschaft Wittichenau trat schon 2012 aus, Westerzgebirge zum Jahresende 2016. Das Jagdforum „Jawina“ titelte vor Kurzem: „Landesjagdverband Sachsen zerfällt“. Auf eine Interviewanfrage beim Landesjagdverband wurde die SZ direkt zu einem Gespräch mit dem gesamten neuen Präsidium in Dresden eingeladen.

Kritik an „Bautzener Erklärung“

Dieses wurde erst am 22. September gewählt und besteht aus sechs Mitgliedern: Präsident Frank Seyring, Vizepräsident Wilhelm Bernstein, Schatzmeister Klaus-Dieter Jakob sowie Sören Sabisch und Enrico Holz. Thomas Markert war schon im vorherigen Präsidium ein Stellvertreter gewesen – und irgendwann das letzte verbliebene Mitglied, das noch die Geschäfte führen konnte. „Er hat die Fahne bis zuletzt hochgehalten“, sagt Co-Vize Bernstein.

Um eine solche geht es auch in einem der ersten Sätze, die Präsident Seyring am Montagnachmittag in der Jäger-Runde spricht: „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, einen großen Schlussstrich zu ziehen über vergangene Geschichten.“ Man habe jetzt ein gut funktionierendes, mit großer Mehrheit gewähltes Präsidium, das einen anderen Arbeitsstil an den Tag legen wolle, als das vorherige.

Die Herrenrunde spricht die gemachten Fehler überraschend offen an: Das Präsidium war zerrüttet und hat sich nur noch mit sich selbst beschäftigt, die Sacharbeit blieb liegen, weshalb sich die Verbände nicht mehr richtig vertreten fühlten. Konkrete Namen und Vorfälle werden nicht genannt, aber schnell wird klar, dass die Vorgänger wohl über das Thema Wolf gestolpert sind, genauer: über die „Bautzener Erklärung“ vom November 2017.

Darin nannten verschiedene Unterzeichner, darunter der LJV, das deutsche Wolfsmanagement „gescheitert“, warnten vor Wolf-Haushund-Hybriden und schlugen eine „angemessene Bejagung“ vor. Wissenschaftler widersprachen später der These von den Mischlingen. „Die Zielsetzung war gut und richtig, aber wir haben handwerkliche Fehler gemacht“, sagt Markert. Präsident Seyring: „Die Erklärung ist einseitig aus dem Präsidium heraus verschickt worden, ohne dass sie durch die Kreisverbände mitgetragen worden ist.“ Das habe für Unmut bei vielen Verbänden gesorgt, „die das dann lauthals kundgetan haben“. Nämlich durch die Rücktrittsforderungen. Steht – oder stand – der LJV Sachsen wirklich kurz vor dem Zerfall? Diese Gefahr, betont Markert, habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Verband sei auch nie finanziell gefährdet gewesen.

Nur „vorläufiger“ Austritt

Information, Transparenz – diese Begriffe fallen immer wieder während des Gesprächs. Auf den KJV Meißen wolle man nun zugehen, auch wenn man – anders als in den Fällen Riesa und Döbeln, wo es um Finanzen ging – von diesem keinen genauen Grund für den Austritt erfahren habe. Markert habe sich beim Kreisjägertag am 15. August selbst der Kritik stellen wollen, sei aber, wie auch DJV-Präsident Hartwig Fischer, ausgeschlossen worden.

Kreisjägermeister Schlüter bestätigt das und erklärt: „Wenn dann Diskussionen aufgekommen wären, hätte es unsere Mitglieder vielleicht noch mehr zerrissen.“ Im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung am Mittwoch betont er mehrmals, dass es sich um einen „vorläufigen“ Austritt handle. Er habe bereits begonnen, Kontakt zum neuen Präsidenten aufzunehmen. „Wir sind teilweise noch skeptisch, aber wir würden uns gerne beweisen lassen, dass es gut geht“, so Schlüter. „Wenn es vorwärtsgeht, sind wir sofort bereit, unsere Mitglieder zu überzeugen, dass wir im Landesjagdverband doch richtig sind.“