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Asylbewerber kommen in Turnhallen

Die Stadt muss weitere 498 Flüchtlinge unterbringen. Doch am Beräumen einer Sportstätte wurde sie gehindert.

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© Tobias Wolf

Von Andreas Weller und Tobias Wolf

Nun tritt das ein, was Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) verhindern wollte: Die Stadt muss Notunterkünfte schaffen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten und Turnhallen sollte eigentlich vermieden werden. Anders, als es das Land zur Erstaufnahme bereits macht. Am Donnerstag gab es ein Treffen mit der Staatsregierung. „Ich habe mich zu einer Sonderzuweisung bereiterklärt“, sagt Hilbert. Das bedeutet: Die Stadt bekommt innerhalb der kommenden Tage statt 98 nun weitere 400 Flüchtlinge.

In dieser Turnhalle an der Thäterstraße sollen Asylbewerber untergebracht werden.
In dieser Turnhalle an der Thäterstraße sollen Asylbewerber untergebracht werden. © Sven Ellger
Auch die Ex-OB-Kandidatin von Pegida, Tatjana Festerling, tauchte an der Thäterstraße auf.
Auch die Ex-OB-Kandidatin von Pegida, Tatjana Festerling, tauchte an der Thäterstraße auf. © Sven Ellger

„Das ist eine massive Herausforderung für uns“, so Hilbert. „Ich tue das, damit es gelingt, die Zelte an der Bremer Straße leer zu ziehen.“ Denn dort ist es mittlerweile viel zu kalt für die Asylbewerber. Das Land will die Zelte der Erstaufnahmeeinrichtung mit 950 Plätzen abbauen und dort eine Leichtbauhalle für rund 500 Flüchtlinge aufbauen. In der zweiten Oktoberhälfte soll die wintertaugliche Halle stehen.

Da aber die freien Plätze der Stadt in Heimen und Wohnungen nicht ausreichen, musste Hilbert umplanen. Die Vorbereitungen sind auf die 400 zusätzlichen Menschen nicht ausgerichtet. „Uns standen die Schweißperlen auf der Stirn“, sagt Hilbert. Turnhallen seien eigentlich nicht geeignet, um Personen menschenwürdig unterzubringen. Aber andere Gebäude, die für Flüchtlinge vorgesehen sind, waren jetzt noch nicht fertig. Deshalb wurde am Donnerstag bereits begonnen, vier Sporthallen zu räumen und für Asylbewerber einzurichten. Die ersten neuen Bewohner sollen morgen einziehen. Es sind die Hallen an der Ginsterstraße, wo 59 Plätze geschaffen werden, am Terrassenufer (40 Plätze), der Schleiermacherstraße (70 Plätze) und der Thäterstraße (59 Plätze).

Anwohner stellen sich in den Weg

Vor der Halle an der Thäterstraße in Übigau stellte sich eine Gruppe wütender Anwohner den Helfern von Stadt und Feuerwehr entgegen. Die Zufahrt zur Halle wurde mit Autos blockiert. Etwa 100 Personen hatten sich dort versammelt. Die Helfer rückten unverrichteter Dinge wieder ab. Später tauchte noch die Ex-OB-Kandidatin von Pegida, Tatjana Festerling, auf und heizte die Stimmung an. Sie behauptete, immer mehr Flüchtlinge würden mit Zügen ankommen. Ein Anwohner rief: „Nach Berlin umleiten.“ Ein anderer Teilnehmer ergänzte: „Nein, nach Auschwitz.“

Einige wollten über Nacht bleiben. Auch Sportler kamen zur Halle, erfuhren erst dort, dass ihr Training ausfällt. Hilbert warb für Verständnis, dass die Hallen benötigt werden. Die Stadt habe sie ausgesucht, weil dort kein Schulsport stattfindet. Betroffen sind allerdings 24 Vereine. „Mir ist bewusst, dass dies für die Vereine einen erheblichen Einschnitt bedeutet. Wir versuchen, freie Kapazitäten in anderen Hallen zu finden. Ich bitte die Verantwortlichen, besonnen mit dieser Situation umzugehen.“ Die Stadt habe keine Alternativen. Hilbert hofft darauf, dass andere Vereine Trainingsgemeinschaften anbieten.

Das Flüchtlingsthema sei eine besondere Situation, die auch der Dresdner Stadtgesellschaft viel abverlange. Aber die Unterbringung sei eine humanitäre Pflichtaufgabe. „Ich hätte mir einfachere und bessere Lösungen gewünscht“, versichert Hilbert. Aber es gehe dieses Mal nicht anders.

OB: Anspannung immer spürbarer

Der OB betonte, dass ihn eine Sorge umtreibe, weil die Anspannung in der Bevölkerung immer spürbarer wird. Gewalttätige Konflikte in Asylunterkünften und rassistische Übergriffe auf Ausländer und Flüchtlingsunterkünfte nehmen zu. „Gewalt in dieser Form – egal von wem und warum – ist mit den Werten unserer Gesellschaft und Verfassung nicht vereinbar“, so Hilbert: „Beides darf von uns nicht toleriert und nicht kleingeredet werden.“ Die Bürger hätten ein Recht darauf, dass gegen solche Vorfälle und die Täter vorgegangen wird. Die staatlichen Institutionen stehen unter einem Druck, den es in der Geschichte der Bundesrepublik kaum gegeben habe.

Aber die Dresdner Bürgerschaft sei stark genug, diese Herausforderung zu meistern. „Das haben die Menschen hier beim Hochwasser 2002 und 2013 gezeigt“, sagt Hilbert. Diese Hilfsbereitschaft solle auch jetzt nicht nachlassen. Außerdem müsse der Staat, inklusive der Stadt, nun beweisen, was er leisten kann. „Die Politik muss Antworten finden, auf praktische Probleme auf allen Ebenen“, so Hilbert. Dennoch wurden die Betroffenen offenbar nicht ausreichend informiert. Es sei aber keine Lösung, Politik und Verwaltung nicht zu trauen. „Es ist keine Lösung, wenn bei Montagsdemonstrationen Angst und Ablehnung gegen den Staat, gegen Medien und gegen Flüchtlinge gepredigt werden und dieses dann sogar in Gewalt umschlägt“, erklärt Hilbert.

Wer Fragen oder Ängste habe, könne sich an den OB wenden. Er werde sich bemühen, darauf zu reagieren. Auch wenn er nicht für alles eine Lösung habe. „Aber ich werde keine rassistischen Wortmeldungen dulden“, so Hilbert. (mit lex)