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Asylskeptiker bleiben zu Hause

Kontroverse Diskussionen beim Asylforum? Fehlanzeige. Aber jetzt ist klar, wohin Asylbewerber verschwinden.

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© André Braun

Döbeln. Beim Thema Asyl schlagen die Emotionen hoch. Normalerweise. Nach der Veranstaltung zum Asyl am Mittwochabend in Döbeln wunderte sich Andreas Tietze von der Landeszentrale für politische Bildung: „Das war eine der ruhigsten Veranstaltungen, die wir bisher moderiert haben.“ Wutbürger, Asylskeptiker, Asylgegner? Fehlanzeige. Im Nachgang wirkte Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer fast ein wenig enttäuscht, dass es nicht zu einer etwas kontroverseren Diskussion zum Thema Asyl gekommen war.

Etwa 100 Leute waren zu dem Forum in der Aula des Gymnasiums gekommen – in der Mehrzahl eher Leute, die sich für die Asylsuchenden engagieren. Und solche, die professionell mit ihnen zu tun haben. Diese gaben einige erhellende Einblicke ins Innere dieser doch etwas fremden Welt der Aufnahmeeinrichtungen. Wohin verschwinden quasi über Nacht 230 Leute aus der Erstaufnahmeeinrichtung, fragte Ulla Otto, die ehrenamtlich in der Kleiderkammer des Bündnisses „Willkommen in Döbeln“ arbeitet. Das sei ein bundesweites Phänomen, sagte Jens Löschner von der Landesdirektion Sachsen. „Viele betrachten Deutschland offenbar nur als Transitland. Andere suchen ihre Familien oder Freunde in den großen Städten und Ballungsräumen auf.“

Döbelns Polizeichef André Wagner wusste es noch ein bisschen genauer. „Wir hatten eine Anfrage aus Kassel, wo sich Asylbewerber mit DRK-Ausweisen aus Döbeln gemeldet haben. Auch aus dem Norden Deutschlands sind Anfragen gekommen. Dort gibt es derzeit einen Stau, weil die skandinavischen Länder die Aufnahme von Asylbewerbern eingeschränkt haben.“ Wagner hält es für nicht sehr wahrscheinlich, dass die Leute in Deutschland untertauchen, dafür sei das Sicherheitsnetz zu eng gestrickt. Fest steht auch: Wer nach Deutschland illegal einreist und sich hier ohne Papiere bewegt, ist nach deutschem Recht ein Straftäter. „Das Gesetz ist nicht außer Kraft gesetzt. Es gibt einen Verfolgungszwang“, sagte Katja Stolzenberg von der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge. „Aber das heißt nicht, dann man die Leute festhalten kann.“

Keine Sonderregelung für Babys

Wer aus der Erstaufnahmeeinrichtung verschwindet, verletzt seine Mitwirkungs- und Aufenthaltspflichten, machte Löschner klar. „Aber wir können und wollen sie nicht festhalten. Das sind freie Menschen.“ Derzeit sind 252 Asylbewerber in der Döbelner Erstaufnahmeeinrichtung im ehemaligen Werk von Autoliv untergebracht. Sie werden von 37 Mitarbeitern des Roten Kreuzes betreut. Mittlerweile wurden auch zwei Kinder geboren. Eine der Frauen soll in einer privaten Wohnung untergekommen sein. Löschner machte aber auch klar, dass Sonderregelungen für Leute mit Neugeborenen in Erstaufnahmeeinrichtungen eigentlich nicht vorgesehen sind. „Wir können das Verfahren beschleunigen, damit schnell eine Umsetzung in Einrichtungen der Landkreise erfolgen kann“, sagte er. Dort gebe es bessere Möglichkeiten, Schwangere und Kranke angemessen unterzubringen. Allerdings seien aufgrund der vielen Asylbewerber die Spielräume kleiner geworden, so Dieter Steinert von der Stabsstelle Asyl des Landratsamtes.

1 000 Leute pro Monat

Die Zahl der Asylbewerber steigt weiter. Steinert rechnet damit, dass der Landkreis Mittelsachsen allein im Januar rund 1000 Leute zugewiesen bekommt. Mittlerweile würden sogar beheizte Bushallen als Notquartiere in die Suche einbezogen. Steinert gab sich überzeugt, dass auch in den ländlichen Gebieten durchaus Asylbewerber untergebracht werden können. Bisher seien von den Bürgermeistern rund 450 Wohnungen unterschiedlicher Qualität gemeldet worden. Döbeln ist derzeit einer der Konzentrationspunkte mit einer überdurchschnittlichen Anzahl von Asylbewerbern. Rund 500 leben in der Stadt. „Und es werden mehr werden. Aber irgendwo müssen die Menschen hin“, so Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer.

„Viele Bürger haben Angst, dass Schulen und Sporthallen belegt werden. Das ist das Letzte, was wir tun werden. Aber es ist auch nicht auszuschließen“, so Dieter Steinert. Er zweifelt nicht daran, dass die Aufgabe gelöst wird. „Aber wir müssen ehrlich sein. Es kann passieren, dass es zeitlich beschränkt Einschränkungen gibt.“ Durch beschleunigte Asylverfahren, Abschiebung und auch durch freiwillige Ausreise werde es aber eine Entspannung geben. „Da ist etwas in Bewegung“, so der Stabsstellenchef.

Eigentlich war das Forum im Döbelner Gymnasium als eine öffentliche Sitzung des kriminalpräventiven Rates der Stadt gedacht. Aber um Kriminalität ist es nicht gegangen – obwohl das eine der größten Ängste vieler Bürger ist. Gibt es mehr Kriminalität? Ein Trend sei nicht zu erkennen, sagte Döbelns Revierleiter René Wagner. „Es klauen Deutsche und Asylbewerber.“ Polizeieinsätze in der Erstaufnahmeeinrichtung und auch im Notquartier an der Bahnhofstraße seien bisher noch nicht nötig gewesen. Anders ist es im Heim an der Friedrichstraße, wo es ab und zu Streit zwischen alteingesessenen und neuen Asylbewerbern gibt.

Kein Zutritt zu Erstaufnahme

Die Hilfsbereitschaft vieler freiwilliger Helfer ist ungebrochen. Und auch die Spendenbereitschaft ist hoch – das Lager von „Willkommen in Döbeln ist gut gefüllt. Allerdings fehlen Socken, Unterwäsche, Schuhe und kleine Jacken für Männer. Auch Hygieneartikel werden noch gern genommen, sagte Ulla Otto. Manches Hilfsangebot kommt aber nicht an. Eine Bürgerin berichtete, dass eine Bekannte an der Erstaufnahmeeinrichtung abgewiesen wurde, als sie dort mit Malzeug auftauchte, um die Kinder zu beschäftigen. Kai Kranich vom Roten Kreuz macht klar, warum das so ist. „Es kommen nicht nur Menschen mit guten Absichten. Ein NPD-Abgeordneter wollte schon mal als Pfarrer verkleidet in eine Einrichtung hineinkommen.“ Das DRK arbeite vor allem mit den Netzwerken zusammen, um die Hilfe zu organisieren.