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Auch für einen Euro unverkäuflich

Baubürgermeister Tilo Hönicke wundert sich nicht darüber, dass die Siegelhaus-Versteigerung geplatzt ist. Es gab ein Indiz.

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© Brühl

Großenhain. Die Versteigerung des Siegelhauses musste jetzt abgesagt werden. Der Grund: Das Amtsgericht Dresden konnte den jetzigen Besitzer nicht ausfindig machen. Die Hoffnung, dass sich ein neuer Investor dieses Schandfleckes in der Großenhainer Innenstadt annimmt und ihn beseitigt, sind vorerst dahin. Die SZ sprach mit Baubürgermeister Tilo Hönicke über das stadthistorisch wertvolle Siegelhaus und eine weitere vertane Chance.

Herr Hönicke, das Siegelhaus konnte nicht versteigert werden, weil der Besitzer nicht auffindbar war. Passiert so was öfter?

Es ist nicht an der Tagesordnung, aber so was passiert. Wir kennen den Besitzer. Er wohnt in Italien, hat aber in Deutschland, bei uns in der Nähe, eine Postanschrift. Aber dort ist er nicht zu erreichen. Deshalb ist es auch sicherlich fürs Gericht schwierig gewesen.

Wie geht es jetzt weiter mit dem Siegelhaus?

Das obliegt einzig und allein dem Eigentümer. Er ist dafür verantwortlich und hat seine Rechte und Pflichten.

Aber ärgern Sie sich nicht als Baubürgermeister darüber, wenn da wieder so eine Stadtruine nicht an den Mann gebracht wird?

Keine Frage. Natürlich ärgert das die Stadtverwaltung. Uns ist es lieber, wenn Menschen aktiv sind und etwas aus so einer Ruine machen.

Der Italiener ist demnach nicht aktiv?

Das zu behaupten ist sicherlich übertrieben. Als Stadt bieten wir Interessenten solcher Ruinen das Gespräch an, damit sie wissen, was sie bei einem Kauf erwartet. Wenn aber Grundstücke gekauft werden, ohne vorher mit uns Kontakt aufgenommen zu haben, dann ist das für uns immer ein Indiz, dass es schwierig wird.

Hat der Italiener mit Ihnen Kontakt aufgenommen?

Nie. Auch der Vorbesitzer nicht und der Vorvorbesitzer ebenfalls nicht.

Also sind Ruinen wie das Siegelhaus leider nur Spekulationsobjekte?

Das erschließt sich mir nicht, weil das eine Denkweise ist, die ich nicht verstehen kann. Das sieht man schon am Kaufpreis. Der eine Euro, für den das Siegelhaus jetzt angeboten wurde, steht in keinem Verhältnis zu den Nebenkosten für Notar und Grundbucheintragung.

Wie sieht es denn prinzipiell aus in Großenhain? Das Siegelhaus ist ja nicht die einzige Ruine.

Wenn man den Vergleich zur Zeit vor der Wende zieht, dann können wir doch sehr zufrieden sein. Denn in der DDR sahen fast alle Häuser in der Innenstadt grau und verfallen aus. Da hat sich zum Glück in den letzten 25 Jahren vieles zum Positiven verändert. Umso mehr fallen solche Bauruinen wie zum Beispiel in der Meißner Straße oder in der Siegelgasse auf.

Dass viel getan wurde, kann ja nun kein Beweggrund sein, sich mit den noch vorhandenen Ruinen abzufinden.

Also sich mit etwas abfinden, ist nie richtig. Da gebe ich Ihnen recht. Aber das öffentliche Augenmerk konzentriert sich auf die wenigen Schandflecke, die noch vorhanden sind. Darum müssen wir uns kümmern. Und da ist ganz besonders unser Stadtplaner Stefan Patschger mit seinem Brachflächenkataster hinterher. Wir arbeiten an dem Problem also ständig. Aber wir sind nicht die Protagonisten, die handeln können, weil wir nicht die Eigentümer sind.

Oftmals empfinden mögliche Käufer den Denkmalschutz als Hemmnis. Sehen Sie das auch so?

Nein. Überhaupt nicht. Wenn ich in einer historischen Innenstadt ein Haus kaufen und sanieren möchte, dann weiß ich, dass der Denkmalschutz ein Wörtchen mitzusprechen hat. Sehr oft hilft ein klärendes Gespräch mit der unteren Denkmalschutzbehörde, was denn eigentlich erhalten bleiben soll. Manchmal ist es nur ein Schlussstein oder ein historisches Fenster. Bei der Siegelgasse 11 ist es eigentlich nur die Geschichte, dass es mal das Siegelhaus war. Da gilt es lediglich, eine gewisse Gebäudestruktur zu erhalten. Mehr nicht. Zudem gibt es Förderprogramme für denkmalpflegerische Baumaßnahmen. Ich würde also vehement verneinen, dass der Denkmalschutz ein großes Problem ist.

Kann man das Siegelhaus, so wie es ist, erhalten?

Das muss der Eigentümer wissen. Und er muss sicherlich in diesem Fall auch einen Statiker heranziehen. Denn da sind Setzungsrisse drin, die meiner Meinung nach gefährlich sind. Aber da kommen wir wieder auf die Frage zurück, ob sich das Siegelhaus als Spekulationsobjekt lohnt.

Wieso?

Ganz einfach. Wenn man spekuliert, muss man auch ein Entwicklungspotenzial sehen. Und ganz ehrlich: Dieses Potenzial sehe ich beim Siegelhaus allein nicht. Da sollte die angrenzende Bebauung mitbetrachtet werden.

Gespräch: Jörg Richter