Von Ina Förster
Kamenz. Lutz Höfer ist gern Fußballtrainer. Er liebt das, was er tut. Mehrmals die Woche. Seit zehn Jahren. Und seine Mädchen und Jungs der F-Mannschaft Deutschbaselitz / Biehla-Cunnersdorf mögen ihn. Aber manchmal, da bleibt auch bei ihm ein fader Geschmack über, wenn er vom Spiel heimfährt. Wie neulich als seine sieben- und achtjährigen Fußball-Kids auf den SV Bischofswerda trafen. „Auf der Busfahrt diskutierte man fröhlich, wie die nächsten Spiele von Dortmund und Bayern ausgehen werden. Mein Co-Trainer und ich grinsten in uns hinein. Wir zogen uns um und los ging es. Spielstärke Sieben gegen Sieben. Lautstark und mit vielen Gesten gab mein Trainerkollege gegenüber seinen Spielern Anweisungen. Es wurde jede Bewegung bewertet. Das hatte auch Erfolg. Die Gastgeber führten bald 2:0. Für meine Kinder kein Problem, da wir mit dem Motto starten ’Alles ist gut, solange du wild bist‘ und wechselten fleißig durch“, erzählt Lutz Höfer. Das Problem seien allerdings schon bald die Bischofswerdaer Fans und Eltern am Rand gewesen.
Mehr Lob, statt Geschrei
„Einige davon wurden immer lauter und machten blöde Sprüche. Die Nummer 7 von Bischofswerda fing an zu weinen. Ich ließ mich hinreißen und rief: Lauter, lauter! Ein Kind heult ja schon. Auch das half nichts. Die verbalen Entgleisungen gingen weiter, obwohl Bischofswerda führte. Ihre Kinder wurden immer unsicherer, aber auch unsere waren bei dieser Lautstärke kaum noch bei der Sache.“ Lutz Höfer wusste, dass seine Kinder jetzt dringend Unterstützung brauchten. Er ermunterte sie immer wieder. Vielleicht auch etwas lauter als sonst. „Alles gut“, sagte er öfter als nötig und lobte jeden mit Namen. Und sie gaben alles, verkürzten und schossen den Ausgleich. Später noch das Siegtor. „Das haben die Kinder wirklich super gemacht. Warum haben wir aufgeholt? Ich kann es nur vermuten“, sinniert der 48-Jährige. Um die Bemerkungen am Spielfeldrand abzufangen, stellte er sich bewusst zwischen die Kinder und Erwachsenen. Und er fing die verbalen Entgleisungen ab. „Ich habe mich aber auf dieses Niveau herabgelassen und ging auch von meiner gewohnten Wechseltaktik ab. Weil ich denen etwas beweisen und zeigen wollte, dass meine Kinder ebenfalls Fußball spielen können. Obwohl sie schon einen langen Schultag und noch Schwimmunterricht hinter sich hatten. Aber war das wirklich richtig was ich gemacht habe“, fragte sich Lutz Höfer im Nachgang. Eigentlich hätte er das Spiel abbrechen müssen, weiß er heute. „Es ging in meiner zehnjährigen Trainerzeit wahrlich nicht nur um Ergebnisse. Es geht darum, die Kinder zu ermutigen mit dem Ball umzugehen, Tricks zu trainieren und mit Hilfe von Trainern und Eltern Spaß an der Bewegung zu entwickeln“, sagt er. Auch das Selbstwertgefühl soll ja entwickelt werden und braucht besonders in diesem Alter viel Lob und Anerkennung. Ein Konto, von dem die Kinder zehren können. „Denn nach nur einer negativen Bemerkung durch Trainer und Eltern braucht es fünfmal Lob, um das Negativkonto auf Null zu bringen“, weiß er. Also brauchen wir mindestens sechsmal Lob oder anerkennende Worte, um etwas positiv im kindlichen Unterbewusstsein zu erreichen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis scheint nicht weit verbreitet zu sein.“
Dabei gibt es rund ums Thema mittlerweile Dutzende Fachbücher. Der Westlausitzer Fußballverband entwickelte vor Jahren ein extra Konzept dafür. Es titelt mit „Fair-Play-Liga“ und wird zum Teil angewendet. Aber eben leider noch nicht konsequent genug. Das sagt auch Lutz Höfer, der ein leidenschaftlicher Verfechter der Methode ist. Er hat sogar ein Fußball-Tagebuch in Eigenregie entwickelt, in dem die Kinder ihre Erlebnisse, ebenso wie persönlichen Empfindungen aufzeichnen können und sollen. Die Jungs und Mädels haben unterschiedliche Kompetenzen, man muss ihre Stärken heraus kitzeln. Sie dort abholen, wo sie stehen. Ohne Schreien und Leistungsdruck. Eine echte Mannschaftsbildung dauert oft länger, aber es lohnt sich, etwas mehr in die psychologische Führung zu investieren. Es ist das Salz in der Suppe.
Was ist die Fair-Play-Liga?
„Seit zwei, drei Jahren gibt es einen massiven Kinderzulauf beim Fußball. Das ist erfreulich, aber andererseits fehlt es eben an Trainern“, sagt er. Vor allem an Trainern, die bereit sind, sich weiterzubilden – auch auf der pädagogischen Ebene. Den Kindern die Angst vorm Ball nehmen und vor ihren eigenen Ängsten – das sollte das Ziel sein“, sagt er. Um den Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenfußball darzustellen, ist immer noch viel Aufklärung notwendig. Die Ausbildung bedarf immer der Bereitschaft, auch dazu zu lernen.
Denkt Lutz Höfer an das Spiel in Bischofswerda zurück, fühlt er sich unbehaglich. „Fußball kann nicht neu erfunden werden, wir können ihn aber besser machen. Und das fängt eben bei den Kleinsten in der F-Jugend an. So wie das letzte Spiel ablief, brauchen wir uns nicht wundern, dass im Großfeldbereich viele Vereine keine Mannschaften mehr haben und haben werden. Für mich war es, trotz des Erfolges meiner Mannschaft kein guter Tag.“