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Auf der Wunschliste steht Nachwuchs

Kristina Vogel hat ihr Leben nach dem tragischen Unfall neu geordnet – und war darauf in gewisser Weise sogar vorbereitet.

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Kristina Vogel genießt den Moment bei der Ehrung neben ihrem Partner Michael Seidenbecher.
Kristina Vogel genießt den Moment bei der Ehrung neben ihrem Partner Michael Seidenbecher. © dpa/Patrick Seeger

Von Andreas Zellmer

Das Leben von Kristina Vogel hat sich am 26. Juni auf der Betonpiste von Cottbus von einer Sekunde zur nächsten auf brutalste Weise geändert. Lähmung vom siebten Brustwirbel abwärts – so lautete die niederschmetternde Diagnose, nachdem die Doppel-Olympiasiegerin mit einem niederländischen Nachwuchsfahrer in hohem Tempo zusammengeprallt war. Ihr neues Leben begann im Berliner Unfall-Krankenhaus Marzahn, in dem die 28-Jährige täglich in der Reha schwitzt. Über die Weihnachtsfeiertage kehrt Vogel zur Familie und ihrem Freund nach Erfurt zurück.

Die ehemalige Ausnahme-Sportlerin hat ihr Schicksal schnell angenommen. Im September stellte sie sich neun Wochen nach dem Unfall der Öffentlichkeit – in ihrem Rollstuhl. „Der Tag ist nach wie vor hart. Aber ich bin bereit, die Situation anzunehmen und was daraus zu machen“, sagte sie bei ihrem ersten Auftritt nach der Tragödie. Zuletzt erklärte sie in einem „L’Équipe“-Interview aber auch: „Ich will nicht lügen: Natürlich hasse ich es manchmal, was mir passiert ist. Und ich bin auf die eifersüchtig, die einfach so die Straße lang laufen können.“ Pläne einer möglichen Paralympics-Karriere schob Kristina Vogel vorerst in weitere Ferne. Sie ist aber neugierig darauf, was der Sport für sie noch bereithalten könnte.

Erst Anfang März hatte die Erfurterin ihren elften WM-Titel gewonnen. Bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres kam sie nur knapp hinter Angelique Kerber auf Platz zwei, auch weil viele bewundern, wie sie mit ihrem Schicksal umgeht.

Bereits 2009 hatte Kristina Vogel einen schweren Trainingssturz. Der damals 18-Jährigen hatte ein Kleinbus die Vorfahrt genommen. Sie flog mit Tempo 50 durch die Heckscheibe, lag zwei Tage im Koma, erlitt zahlreiche Brüche am Brustwirbel, an der Hand, am Arm, am Kiefer und verlor fast alle Zähne. Noch heute sind die Narben in ihrem Gesicht zu sehen. Vielleicht sei dieser Unfall die „Vorbereitung auf jetzt“ gewesen, sagte sie. „Die Kraft, die ich 2009 dadurch erlangt habe“, erzählte sie neun Jahre später, die habe ihr nun geholfen.

Über Amputation nachgedacht

Bei ihrem ersten Besuch im Aktuellen Sportstudio des ZDF hatte Kristina Vogel bereits am Sonnabendabend einen starken Auftritt. Sie ließ dabei auch heikle Themen nicht aus. Sie habe sogar über eine Bein-Amputation nachgedacht, sagte sie: „In der Zeit, in der ich angefangen habe, zu sitzen und versucht habe, mich zu duschen oder mich im Bett zu wenden, habe ich festgestellt: Die Beine sind schon echt schwer. Ohne Beine würde es doch leichter gehen“.

Es habe „ein, zwei Momente“ gegeben, „in denen ich dachte: ‚Jetzt abmachen, das wäre leichter.‘ Aber die Beine gehören ja zu mir. Sie haben mich 28 Jahre lang getragen und ich würde sie schon schmerzlich vermissen. Von daher ist dieser Gedanke ganz schnell weggegangen und ich bin froh, dass sie da sind“, erklärte die Thüringerin, die auch über Selbstmordgedanken sprach: „Die hatte ich nie. Daran darf man auch nicht denken“.

Aber auch über weniger schöne Phasen redete sie. „Natürlich gibt es auch schwarze Momente. Aber das Leben geht ja weiter und es ist trotzdem schön. Ich kann immer noch schöne Sachen machen – nicht mehr als Fußgänger, aber im Rollstuhl“, sagte Vogel. Sie wünscht sich nun Nachwuchs, lautete die Ansage im Beisein ihres Partners Michael Seidenbecher, der unter den Zuschauern saß und schmunzelte. (dpa)