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Auf die Pelle gerückt

Nicht nur am Neumarkt stellen sich die Fragen: Wie dicht soll gebaut werden? Und was tun gegen Lärm und Hitze?

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© Archivbild: Youssef Safwan

Von Bettina Klemm

Ein alter Konflikt bricht am Dresdner Neumarkt wieder auf, der Streit um Fenster, die nicht geöffnet werden dürfen. Weil es am Kulturpalast nachts zu laut wird, wenn die Technik nach Konzerten abtransportiert wird, hat die Verwaltung eine sogenannte Festverglasung, wie das im Verwaltungsdeutsch heißt, verlangt. Dagegen klagt Bauherr Michael Kimmerle. Die Klage wurde jetzt abgewiesen. „Das bedeutet, unsere Auflagen sind rechtmäßig“, sagt Arne Rehse vom Umweltamt.

Das sieht Kimmerle jedoch ganz anders. „Es handelt sich lediglich um eine Kompromisslösung. Wir bauen 18 Fenster an der Rosmaringasse und dem Jüdenhof um, aber nur, bis die Baywobau auf dem Nachbargrundstück den Schallschutz errichtet hat. Dafür gibt es jetzt eine Baugenehmigung.“ Er kündigt an, weiter zu klagen, wenn es im Fensterstreit keine Lösung gibt.

Das Umweltamt beruft sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, danach könne es gar nicht anders entscheiden. Kimmerle bedauert: „In der Stadt könnte viel mehr gemacht werden, wenn die Verwaltung den Investoren nicht immer Steine in den Weg legen würde.“

Dresden verfolgt den Grundsatz, möglichst die Innenstadt dichter zu bebauen. Ziel ist es, die vorhandene Infrastruktur zu nutzen und eine weitere Zersiedlung des Umlands einzuschränken. Damit verschwinden aber Grünflächen, Abstände zwischen den Gebäuden werden geringer. Neue Bewohner rücken bisherigen Mietern auf die Pelle. „Weil die Bauflächen weniger werden, entstehen Wohnungen auf früher gewerblich genutzten Brachen. Damit nehmen die Konflikte zu“, sagt Rehse. Aufgabe seines Amtes ist es, die Bevölkerung vor zu viel Lärm zu schützen. Dazu gibt es gesetzliche Regelungen wie die TA-Lärm. Diese fordert, dass der Lärm außen einen halben Meter vor der Fassade gemessen wird. Damit nützen gute Lärmschutzfenster nichts.

Die vor mehr als 40 Jahren beschlossene Lärmverordnung müsse neu geregelt werden, fordert Jörn Walter. Er war von 1991 bis 1999 Chef der Dresdner Stadtplanung und wurde anschließend Oberbaudirektor von Hamburg. Walter war dort maßgeblich am Bau der Hafen-City beteiligt, für die eigens Fenster entwickelt wurden, die selbst in gekipptem Zustand im Inneren die geforderten Lärmschutzwerte einhalten. Kann das ein Vorbild für Dresden sein? Rehse sagt Nein, nicht solange es die gesetzlichen Vorschriften gibt.

Beim Lärm geht es nicht nur um neue Bauprojekte. In der Innenstadt sollen möglichst viele Veranstaltungen stattfinden. Urbanes Umfeld und Eventkultur sind die Schlagworte. Gaststätten locken mit Außenplätzen. Schlecht für die Anwohner in Dresden, die in Ruhe schlafen wollen.

Während Rehse noch auf Verordnungen zum Lärm verweisen kann, hat es seine Kollegin Franziska Reinfried noch schwerer. „Da es keine Grenzwerte fürs Stadtklima gibt, haben wir nur geringe Möglichkeiten, in Bebauungsplänen auf die Klimaanpassung zu verweisen“, sagt sie. Bei der Forderung nach einer kompakten Stadt im ökologischen Netz werde Letzteres eher vergessen. Dabei wünscht sich eine große Mehrheit der Dresdner mehr Grün, beispielsweise auch an Fassaden und Dächern, eine bessere Belüftung der Stadt. Gerade der vergangene Sommer habe gezeigt, wie aktuell das Thema ist. „Wie lange können wir noch gewährleisten, ohne teure, stromfressende Klimaanlagen auszukommen? Eine Gebäudeanpassung von außen wie durch eine begrünte Fassade wäre viel ökologischer“, so Reinfried.

Bei den Umweltgesprächen am 13. November, 19 Uhr, An der Kreuzkirche 6, geht es um die Lebensqualität in der lauten und heißen Innenstadt.