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Auf ein Kakao mit der Königin des Schnees

SZ-Adventskalender: Jeden Tag ein neues Türchen - Zum Auftakt die Geschichte von der rätselhaften Enkelin.

Von Peter Ufer
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Emma Lou Enke ist das Gesicht im Pirnaer Adventskalender am 1. Dezember. Als Schneekönigin besucht sie jemanden und erlebt eine Überraschung.
Emma Lou Enke ist das Gesicht im Pirnaer Adventskalender am 1. Dezember. Als Schneekönigin besucht sie jemanden und erlebt eine Überraschung. © Marko Förster

Gleich um die Ecke in der kleinen Straße gegenüber dem Park wohnt in einem der Mietshäuser ein älterer Mann. Ich weiß nicht wie er heißt, er hat keinen Namen an sein Klingelschild im dritten Stock geschrieben. Es ist einfach mein Nachbar. Manchmal sehe ich ihn, wie er zum Gemüsehändler läuft, sich Äpfel und Möhren kauft, wie er sich beim Bäcker ein Brot holt und beim Fleischer Salami.

Vergangene Woche sah ich ihn nicht. Er lief weder zum Gemüsehändler noch zum Bäcker, auch nicht zum Fleischer. Irgendetwas musste passiert sein. Das beunruhigte mich. Ich schloss die Augen, vielleicht, dachte ich, kann ich ihn so sehen. Das ist natürlich Unsinn, aber manchmal treffe ich jemanden in meinen Träumen. Doch nur zu träumen hilft nicht, wenn es einem Nachbarn schlecht geht. Dann muss man einfach hingehen.

Ich ging also gestern in die kleine Straße gegenüber dem Park in das Miethaus, wo der alte Mann im dritten Stock wohnt. Ich drückte auf den Knopf an dem Klingelschild ohne Namen. Hinter der Tür hörte ich ein Dingdong. Der alte Mann öffnete die Tür. Ich entschuldigte mich für die Störung. „Sie sind mein Nachbar, ich wollte nur mal sehen, wie es Ihnen geht“, sagte ich. Er lächelte und bat mich in seine Wohnung. Es duftete nach Räucherkerzen, überall brannten kleine Lichter. „Mir geht es gut, ich bereite gerade alles vor“, sagte er. „Was bereiten sie denn vor?“, fragte ich.

Er erzählte mir, dass gleich seine Enkelin zu Besuch kommen würde. Sie käme nicht oft, aber immer wenn sie ihn besuche, schreibe sie vorher einen Brief und stellte ihm ein kleines Rätsel. Wenn sie dann hier in der Wohnung sei, würden sie zusammen Kakao trinken, Kuchen essen und er müsse das Rätsel lösen. Diesmal habe er sehr schnell gewusst, was sie meint und deshalb habe er die Stube dekoriert. Wir gingen in das Zimmer. Weiße Kristalle glitzerten auf dem Tisch, vor den Fenstern hingen weiße Tücher, in einer Ecke stand ein Berg, der aussah wie vom Polarkreis importiert.

Plötzlich klingelte es. Die Enkelin meines Nachbarn kam herein. Sie trug einen Eisstern in den Haaren, einen Pelz um die Schultern, der heller leuchtete als der Pelz eines Eisbären. Sie ging in die Stube. Mein Nachbar zog an einer Leine und von der Decke flogen Flocken herunter. Ich ging, denn ich wollte die Königin des Schnees und ihren Großvater auf keinen Fall stören.