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Auf Zypern stürmt es

Bestürzung, Wut und Schlangen vor Geldautomaten – so reagieren die Menschen im Inselstaat auf das Rettungspaket.

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Von Andreas Krause

Katastrophe: Genau so lautete am Wochenende das auf Zypern am häufigsten zu hörende Wort. Später kam das Wort „Dilemma“ dazu. Es beschreibt die Alternativen: Zusammenbruch des Bankensystems mit einem ungeordneten Staatsbankrott oder schmerzhafte Einschnitte – Bankkunden sollen für das Zypern-Rettungspaket zur Kasse gebeten werden.

Als am Sonnabend in den frühen Morgenstunden der Beschluss der Eurogruppe bekannt wurde, dass ausnahmslos alle Bankeinlagen mit einer Sonderabgabe belastet werden sollen, versuchten Hunderte Bürger ihr Geld abzuheben. Das ging aber nur am Geldautomaten bis zum Tageslimit. Wer seinen Kontostand abfragte, musste außerdem feststellen, dass die der Abgabe entsprechende Summe bereits fehlte: Sie wurde eingefroren – auch wenn das Parlament darüber erst am Montag entscheiden soll. Überweisungen und Online-Banking sind seit Sonnabend auch nicht möglich.

Entsprechend groß ist die Wut der Bürger. Die meisten fühlen sich getäuscht, nachdem die zyprische Regierung in allen Tönen versichert hatte, dass die Bankguthaben nicht angetastet würden. „Wir arbeiten, legen etwas zurück, und jetzt nehmen sie unser Geld. Das ist ungerecht, sehr ungerecht“, kritisierte eine Frau im staatlichen zyprischen Fernsehen RIK. Der Ingenieur Andreas Stylianou aus Nikosia sagte in Anspielung auf die Versicherung von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, man habe Zypern nicht bestraft: „Aber sie bestrafen uns einfache Zyprer.“ Zypern sei das Versuchskaninchen in einem nie da gewesenen Experiment, sagte der Zahnarzt Marinos Theodorou.

Schätzungsweise ein Drittel der Einlagen bei Banken auf Zypern besitzen Ausländer, unter ihnen viele reiche Russen und Briten. Zypern steht im Ruf, ein sicherer Hafen für Schwarzgeld zu sein und wenig gegen Geldwäsche zu unternehmen. Die Zwangsabgabe trifft alle und damit auch diese Ausländer. Die Euro-Finanzminister hatten nach langen Verhandlungen in der Nacht zu Sonnabend das Rettungspaket für Zypern beschlossen. Dazu zählt: Bei Bankeinlagen unter 100 000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Beträgen sind es 9,9 Prozent. So sollen geschätzt 5,8 Milliarden Euro zusammenkommen, wie Dijsselbloem sagte. Insgesamt soll das Hilfspaket ein Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro haben.

Die Kritik auf Zypern aber ist groß. „Zypern wurde geschlachtet“, titelte am Sonntag die Zeitung „Charavgi“. „Horrorszenarien für die Wirtschaft“, hieß es in der Zeitung „Fileleftheros“. Die Wochenzeitung „Machi“ sah in ihrer Schlagzeile eine „Solidaritäts-Guillotine“ über die Bankkunden niedersausen und die „Simerini“ titelte: „Ungeordneter Rückzug angesichts des ungeordneten Bankrotts“. Harte Kritik kam auch vom Erzbischof der Insel, Chrysostomos. Er sprach von einer „Gemeinheit der Europäer“ gegenüber seinem Land. Es müssten die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden, sagte das Kirchenoberhaupt in seiner Sonntagspredigt: „Das Volksempfinden verlangt, dass einige ins Gefängnis gehen.“ Zugleich empfahl er den Gläubigen, Ruhe zu bewahren.

Auch die Parteien wollen den Beschluss nicht ohne Wenn und Aber mittragen. Ihre Ablehnung bekundeten bereits die beiden größten Oppositionsparteien, die linke AKEL und die sozialdemokratische EDEK Da die Regierung im Parlament mit 28 von 56 Sitzen über keine Mehrheit verfügt, muss Präsident Nikos Anastasiades noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten.

Für den Fall der Fälle bemühte man sich bereits um Schadensbegrenzung. Wie der staatliche Rundfunk meldete, sollen die Banken auch am Dienstag und sogar darüber hinaus geschlossen bleiben, sollte es keine Entscheidung geben. Damit soll ein befürchteter Massenansturm auf die Einlagen verhindert werden. (dpa)