Leipzig
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Aus der Kindheit auf die Bühne gestolpert

Udo Lindenberg präsentiert seinen biografischen Film „Mach dein Ding!“ mit viel Swag in Leipzig.

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Udo Lindenberg (v) wird von Jan Bülow gespielt.
Udo Lindenberg (v) wird von Jan Bülow gespielt. © Caroline Seidel/dpa

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Das Panikorchester spielt schon Andrea Doria, als Udo Lindenberg völlig betrunken aus den Kulissen steigt, die Showbühne runterstürzt und benommen liegen bleibt. Totenstille im Saal. Udo stiert an die Decke, denkt an seine Kindheit, setzt den dicken Goldring seines toten Trinker-Vaters auf – und rockt los. Es ist 1973, die Bühnenpremiere des neuen deutschen Poprockers.

Die Szene beendet seinen ersten biografischen Film „Lindenberg! Mach dein Ding“, der seine frühen Jahre erzählt, mit viel Unterhosen und mit viel Unterhaltungswert. Diese Woche kommt das Opus in die Kinos, Montagabend präsentiert ihn der Panikrocker schon in einem Leipziger Innenstadt-Kino. Mit großem Tamtam natürlich, auch mit 73: Posieren für die Handys der Fans und für die Kameras vom Fernsehen, coole Gesten, Eierlikör, Udo-Gramme. Und aus dem Nähkästchen plaudern. „Die Leute dachten damals, als ich von der Treppe fiel, das sei eine super Choreografie, wie jahrelang geprobt“, erzählt er. „Die hatten keine Ahnung, dass ich voll besoffen war von 15 Doppelkorn im Kopp, dem Lampenfieber und den grellen Scheinwerferspots.“

Tatsächlich wollte Lindenbergs Vater im westfälischen Gronau seinen Udo ebenfalls zum Klempner machen damals. Er stand für die alte bleierne Zeit der 50er Jahre, den Muff aus den Mänteln der Wehrmacht. Doch dann kamen erst der Jazz und dann der Rock ’n’ Roll. Sie beendeten das Schweigen der zerstörten Seelen, sagt Udo, der früh das Trommeln lernt und der raus will aus dem grauen Gronau, um ein Star zu werden. „Wir wollten alle Stars werden“, erzählt er. „Ich, Westernhagen und die anderen. Aber keiner wusste, wie das geht.“

Das Ding mit den Beinen

Doch klar war auch, der Pionier des deutschsprachigen Rock wollte in seiner Muttersprache singen, die seinerzeit noch als die Sprache der Nazis und der Täter galt. „Wir mussten die deutsche Sprache wiederfinden“, sagt Udo vor dem Filmstart in die Mikros. Ob er keine Existenzangst hatte, fragt ein Reporter. Und Udo bringt die Mach-dein-Ding-Botschaft rüber. „Wenn du es in dir spürst, musst du es machen.“ Er habe viel zum Film beigetragen, berichtet Udo auf Nachfrage, habe den Filmleuten die Story und das Drehbuch erzählt. Regisseurin Hermine Huntgeburth, 62, wie er aus der Enge Westfalens nach Hamburg geflohen, habe die Geschichte wunderbar inszeniert. „Sie hat einen Weg gefunden, es zu machen, ohne die Story einfach zu kopieren und wie eine billige Kopie auszusehen.“

Gespielt wird Udo von Hauptdarsteller Jan Bülow, der eben erst die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin absolviert und kaum eine Handvoll Filme gedreht hat. „Wir sind wie seelenverwandt“, sagt Udo. „Er ist so authentisch, er ist wie ich, verrückt, ein bisschen schüchtern und er macht das Ding mit den Beinen genau wie ich“, sagt Udo. „Schatz, wir könnten bald heiraten!“ Vor und während der Dreharbeiten hat der 23-Jährige täglich Schlagzeugspielen geübt, um den Altrocker besser imitieren zu können. „Irgendwann hat der Lehrer gesagt: Du kannst einigermaßen spielen. Aber du musst dabei auch im Gesicht so aussehen, als ob du es kannst“, erzählt Bülow. Auf der Leinwand sieht es nun tatsächlich so aus.

„Der Film flasht mich total“, sagt Lindenberg. „Ich habe ganz viel wiederentdeckt. So Dinge, die wusste ich gar nicht mehr.“ Und was kann noch kommen, wenn das eigene Leben schon verfilmt ist? „Ein Oscar und ein Grammy“, witzelt Udo. Wenn die Premiere ein Erfolg wird, verrät er, bleibt es nicht bei diesem Auftakt. Dann soll es einen Teil 2 und vielleicht einen Teil 3 geben. Sie sollen erzählen, wie sein Leben weiterging nach dem erfolgreichen Treppensturz von 1973.