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Aus Kirche wird Kletterhalle

Ein Verein will die leerstehende Pirnaer Hospitalkirche anmieten und ausbauen. Vorher muss aber noch eine Frage geklärt werden.

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© Norbert Millauer

Von Mareike Huisinga

Pirna. Das Projekt Kletterkirche Pirna geht in die nächste Etappe. Momentan führen Fachleute in der Hospitalkirche an der Siegfried-Rädel-Straße diverse Bau-Untersuchungen durch. Akribisch wird geprüft, welche Festigkeit der Boden hat und welche Belastung er verträgt. Das Ziel ist gleichermaßen ehrgeizig wie ungewöhnlich: Die leerstehende Hospitalkirche nahe der Altstadt soll zu einem Kletterzentrum umgebaut werden. Dafür hat sich extra der Verein Bergsport Pirna gegründet, der das Gebäude anmieten will. Das Gotteshaus wurde bereits 2002 entweiht.

Jens Geisler führt in der Hospitalkirche eine Baugrundanalyse durch.
Jens Geisler führt in der Hospitalkirche eine Baugrundanalyse durch. © Daniel Schäfer

Vorgesehen ist, dass Kletterwände parallel zu den Außenwänden aufgestellt werden. Eine Herausforderung dabei ist der Denkmal-Staus des Gebäudes. „Eine Befestigung der Kletterwände direkt an den Mauern ist nicht zulässig“, sagt Vereinsvorsitzender Christian Walter. Heißt im Umkehrschluss: Die Kletterwände werden ausschließlich im Boden verankert, weshalb auch die aktuellen Untersuchungen stattfinden. Insgesamt sollen 300 Quadratmeter Kletterwände und ein separater Kletterturm im Eingangsbereich errichtet werden. Die Höhe beträgt acht Meter. „Wir gehen bis an die Decke des Gebäudes ran, alles andere wäre Verschwendung“, erläutert Walter. Steht der Entwurfsplan, soll die Baugenehmigung bei der Stadt Pirna eingereicht werden. Zeitgleich muss der Verein Fördermittel beantragen.

Walter rechnet mit Gesamtkosten in Höhe von 120 000 Euro. Die Stadt Pirna habe bereits 20 000 Euro Unterstützung in Aussicht gestellt, sagt er. 10 000 Euro kommen hoffentlich von dem Deutschen Alpenverein, und 50 000 Euro stellt der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) dem Projekt als Darlehen zur Verfügung. Ein kurzer Weg, denn Walter ist nicht nur Vorsitzender des Vereins Bergsport Pirna, sondern auch Geschäftsführer des SBB. Die restliche Finanzierung soll über Kredite und Spenden erfolgen.

Läuft alles rund, dann könnte ab Frühjahr 2019 in der Hospitalkirche geklettert und gebouldert werden. Nutznießer sind hauptsächlich die Mitglieder der SBB Ortsgruppe Pirna. Bisher konnten sich die Sportler in der ehemaligen Gauß-Turnhalle auf dem Sonnenstein an Kletterwänden austoben. „Doch wir waren dort nur Untermieter und die Heizkosten zogen wegen unzureichender Dämmung immer mehr an“, sagt Walter. Deshalb zogen die Kletterer bereits im Januar 2016 aus. Hauptsächlich ist die Kletterkirche für den Vereinssport vorgesehen. Aber Schulen können sich auch anmelden, sagt Walter.

Die Hospitalkirche gehört zu den jüngsten Kirchen Pirnas und schaut auf eine interessante Vergangenheit zurück. 1914 bis 1916 wurde sie als ein Teil des Gebäudekomplexes der Hospitalstiftung errichtet. 1957 übernahm die damalige Pirnaer Kirchgemeinde St. Marien das Gotteshaus in Erbpacht für 99 Jahre. „Die Kirche wurde als Winterkirche genutzt“, berichtet Thomas Albrecht, Kirchner der evangelischen Kirchgemeinde Pirna, in der die Gemeinde St. Marien aufgegangen ist. Denn die Hospitalkirche war im Gegensatz zur Marienkirche an die Fernheizung angeschlossen.

Ab Ende der 1950er-Jahre wurde die Hospitalkirche erweitert. Unter anderem vergrößerten Bauleute die Orgelempore, sanierten die Toilettenanlagen und bauten eine Küche unter der Empore ein. Da es keine festen Kirchenbänke in dem Haus gab, sondern loses Gestühl, konnte die Gemeinde den Raum auch für Veranstaltungen nutzen. Die Kurrende und die Kantorei probten hier, ebenso fanden Kirchenbezirksversammlungen statt.

Im Laufe der Zeit bekam die Hospitalkirche allerdings Konkurrenz. 1988 wurde das Gemeindezentrum auf dem Sonnenstein errichtet, 2000 das Diakonie- und Kirchgemeindezentrum in Copitz. Schließlich brachte das Hochwasser von 2002 die endgültige Entscheidung, sich von der Hospitalkirche zu trennen. „Das Wasser stand damals 1,50 Meter hoch. Wir haben alles beräumt und konnten die Kirche der Stadt Pirna vor Ablauf des Erbpachtvertrages zurückgeben“, sagt Albrecht.

Bisher fanden in der Hospitalkirche in unregelmäßigen Abständen unter anderem Ausstellungen und Chorkonzerte statt. Selbst die Linkspartei hatte keine atheistischen Berührungsängste und lud vor einigen Jahren in das ehemalige Gotteshaus zu einem Vortrag ein.