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Ausgewandert nach Amerika

Jane Taubert kam 1990 als Sängerin aus den USA nach Deutschland. Ihre Vorfahren nahmen den umgekehrten Weg – eine Geschichte für die Bühne.

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© Landesbühnen Sachsen

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Sacka/Radebeul. Als Jane Taubert die Theatervorlage des Stückes „In Gottes eigenem Land“ las, stockte ihr der Atem: In diesem historischen Roman von Eberhard Görne ist ja die Auswanderungsgeschichte ihrer eigenen Familie beschrieben! Im Buch geht es um Deutsche, die im 18. Jahrhundert über den Atlantik fuhren, um ein neues Leben zu beginnen. „Mein Vorfahre Michael Braun ging auch 1738 als Fünfjähriger mit Eltern und Geschwistern aus der Pfalz in die englische Kolonie“, erzählt die Sackaerin. „Das war nur vier Jahre vor Pfarrer Mühlenberg – der Hauptfigur unseres Theaterstücks“, ist die Mitarbeiterin der Landesbühnen begeistert. Berührt erzählt sie davon, wie das große Theaterprojekt, das sie gerade beruflich leitet, zur Spurensuche ihrer eigenen Familiengeschichte wurde.

Das Old Stone House beim alljährlichen German Festival. Hier lebte Jane Tauberts Vorfahre Michael Brown, der aus Deutschland nach Amerika ausgewandert war.
Das Old Stone House beim alljährlichen German Festival. Hier lebte Jane Tauberts Vorfahre Michael Brown, der aus Deutschland nach Amerika ausgewandert war. © privat

Familienhaus ist heute Museum

Als Jane Brown kam die 50-Jährige an der amerikanischen Ostküste zur Welt. Ihr Nachname ist die englische Form von Braun. Urahn Michael Braun konnte 1766 in Salisbury ein großes Grundstück kaufen, denn er war Wagner von Beruf. Also Wagenradbauer, der damit in der neuen Welt gutes Geld verdient hat. „Sein Haus errichtete er aus Granitstein, es steht noch heute und ist im Register der historischen Gebäude des Bundesstaates gelistet“, erzählt Jane Taubert stolz. 1807 ist Michael Brown in Rowan County als Vater von zwölf Kindern gestorben. Die Brown-Familie trifft sich jedes Jahr im September in dem Haus, das heute ein Museum ist. Bei der „Family Reunion“ der Nachkommen wird die deutsche Herkunft der Familie gefeiert. Früher war auch Jane Taubert dabei.

Doch die damaligen Auswanderer hatten es nicht leicht. Über Amsterdam und England ging die Reise nach Amerika. Die Überfahrt war mühselig, das jüngste Kind der Familie starb. Weil der Vater die Passage für seine Familie nicht bezahlen konnte, verpflichtete er sich per Knechtschaftsvertrag beim Schiffskapitän, sich bei Ankunft in Philadelphia an den Höchstbietenden als Leibeigener verkaufen zu lassen. „Aber später hatte mein Urahne sogar noch 12 Sklaven, denen er aber vertraglich Bezahlung und Bildung garantierte“, so Jane Taubert.

Verheiratet war er mit einer Tochter weiterer deutscher Auswanderer. Auch mit Indianern, den Ureinwohnern des Landes, musste sich die Familie auseinandersetzen – genau wie im heutigen Theaterstück. Für die Produktion der Landesbühnen hatte Jane Taubert eine Kontaktperson in Amerika organisiert – Lisa Minardi. „Sie schickte zum Beispiel die Vorlage für eine historische Holzwiege, wie sie die Einwanderer damals verwendeten“, erklärt Jane Taubert. Diese Wiege wurde in den Theaterwerkstätten nachgebaut, ist nun Teil einer Ausstellung in den Landesbühnen in Radebeul und kommt als Requisit im Stück ab 29. April zum Einsatz.

Dass diese Lisa Minardi viel von ihrem Vorfahren wusste und über diese Geschichte ebenfalls publiziert hatte, rührte die Landesbühnen-Mitarbeiterin zu Tränen. So stellte sich auch heraus, dass die lutheranische Familie, die in der Pfalz ihren Glauben nicht leben durfte, in Amerika Gottesdienst bei Pfarrer Mühlenberg erlebte – genau jenem Titelhelden aus dem Stück „In Gottes eigenem Land“. Der Stoff ist also verbürgt. Michael Brown gehörte in North Carolina dem Stadtrat und dem Kirchenrat an. Als Großgrundbesitzer schenkte er seiner Gemeinde ein großes Stück Land für den Bau einer lutherischen Kirche.

Warum auch ihr Chor mitsingt

1990 war Opernsängerin Jane Taubert aus Amerika nach Deutschland gekommen, ist heute Assistentin der Intendanz. Vorigen August hatte sie Besuch ihrer amerikanischen Verwandten Bob und Mary Brown. Die Ahnenforschung trieb die Familie auch nach Baumholder in der Pfalz, wo die Auswanderer herstammten. Vom Pfarrer und einem Heimatforscher erhielten sie wichtige Daten über ihre Urahnen. Die Lokalzeitung berichtete darüber. Lächelnd zeigt Jane Taubert den Zeitungsausschnitt. Ihr Vater Bob war außerdem als Soldat der U.S. Air Force von 1958 bis 1960 auf dem Flughafen Hahn stationiert, nicht weit entfernt also von Baumholder. „Auch da hat sich ein Kreis geschlossen“, ist Jane Taubert erfreut. Den Chor, den sie in ihrem heutigen Wohnort Sacka leitet, wollte sie deshalb unbedingt in die internationale Theaterproduktion der Landesbühnen zum Reformationsjubiläum 2017 einbeziehen.