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Ausverkauf bei Deutschlands Zahnärzten

Finanzinvestoren kaufen Praxen auf. Die Sächsische Landesärztekammer fürchtet, dass das zulasten der Patienten geht.

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Wer hat da seine Hände im Spiel? Patienten kriegen in der Regel nicht mit, ob ihr Zahnarzt freiberuflich oder angestellt tätig ist.
Wer hat da seine Hände im Spiel? Patienten kriegen in der Regel nicht mit, ob ihr Zahnarzt freiberuflich oder angestellt tätig ist. © Markus Scholz/dpa

Spekulanten, Heuschrecken, Finanzjongleure: Zahnärzte-Vertreter sparen nicht mit starken Worten und Vorwürfen, um einen neuen Wettbewerber zu bekämpfen. Der Grund des Alarms: Finanzinvestoren, die in die Branche hierzulande drängen und niedergelassenen Zahnarztpraxen Konkurrenz machen.

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fürchtet schon einen Ärztemangel auf dem Land, weil Investoren für Versorgungszentren lukrative Städte bevorzugen würden. „Der Ausverkauf der Versorgung an Spekulanten ist die größte Bedrohung, die es im zahnärztlichen Bereich je gab“, warnt KZBV-Vorstandschef Wolfgang Eßer. Der Verband verhandelt mit den Kassen die Vergütungssätze für Zahnärzte. Versorgungszentren hingegen können ihre Preise freier setzen und niedergelassene Ärzte unterbieten. „Wenn Sie in einem bestimmten Gebiet mehr als ein Drittel unter sich haben, bestimmen Sie die Preise“, sagt Dr. Thomas Breyer, Vizepräsident der Sächsischen Landeszahnärztekammer.

Auch Kaffeeröster Jacobs entdeckt Zähne als Investition

In der Tat haben Investoren, die auch schon Pflegeheime betreiben, das Milliardengeschäft der rund 63.000 Zahnärzte in Deutschland entdeckt. Das treibt die Branche um, die sich am Freitag und Sonnabend zum Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt trifft. Die KZBV zählt in einer neuen Analyse sieben aktive Investoren – darunter den Fonds Nordic Capital, der die Kölner Praxis-Gruppe „Zahnstation“ kaufte, und die Frankfurter Quadriga Capital, Besitzer der „Zahnärztlichen Tageskliniken Dr. Eichenseer“ mit 19 Standorten. Auch die Kaffee-Dynastie Jacobs mischt über ihre Investment-Holding mit, unter der Marke „Colosseum Dental Group“.

Einzug gefunden haben die Investoren über eine Gesetzesänderung 2015. „Bis dahin mussten medizinische Versorgungszentren immer fachübergreifend arbeiten“, erklärt Thomas Breyer. „Deshalb war das für Zahnärzte nicht relevant.“ Doch nun sind auch Versorgungszentren mit Ärzten aus einer Fachrichtung erlaubt, etwa um zahnärztliche Behandlungen anzubieten. Das sollte die ländliche Versorgung verbessern. Manche Finanzinvestoren nutzen nun einen Kniff: Sie kaufen Kliniken in Geldnot und verwenden diese als Vehikel, um Versorgungszentren zu gründen und viele Zahnärzte anzuschließen – auch in anderen Gegenden. Solche Investoren zentralisieren bei den Zahnärzten die Verwaltung und Abrechnung mit den Krankenkassen. Sie haben klare Renditeziele – intern ist von acht bis zehn Prozent Gewinn pro Jahr die Rede – und suchen oft mittelfristig den Verkauf. Wer hinter dem Zahnarzt auf dem Behandlungsstuhl steht, ist für Patienten kaum zu sehen.

„Es gibt einen klaren Trend zu Finanzinvestoren in der Zahnarztbranche“, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. Ihr Marktanteil sei bisher aber klein. Die Investoren profitierten davon, dass eigene Praxen von jungen Zahnärzten zunehmend als unattraktiv empfunden werden. „Viele scheuen die hohen Investitionen eines Kaufs und das Risiko der Selbstständigkeit, ziehen einen Angestelltenvertrag vor.“

Denn der Kauf einer Praxis kostet Hunderttausende Euro, und das mühsame Abrechnen von Zahnersatz, Spangen oder Vorsorgekontrollen mit den Krankenkassen schreckt viele junge Ärzte ab. Andere, die ihre Praxen verkaufen möchten, finden wiederum kaum Abnehmer. Die Zahl der angestellten Zahnärzte bei den Versorgungszentren sei so allein 2017 um gut 70 Prozent auf 1 350 gestiegen, so die KZBV.

Noch kein Verbot von Investoren-Praxen geplant

Eine große Zahnarzt-Kette ist „Zahneins“ mit Sitz in Hamburg und 19 Standorten bundesweit. 2017 stieg dort der US-Fonds Summit Partners ein. Geschäftsführer Daniel Wichels hält private Investoren in der Branche für unerlässlich, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. „Anders lässt sich das Nachfolgeproblem der niedergelassenen Zahnärzte auf dem Land nicht lösen“, meint Wichels. 

Den Vorwurf, die Versorgungszentren konzentrierten sich auf Ballungsräume, weist er zurück: „Viele unserer Standorte befinden sich in ländlichen Regionen.“ Dass bundesweit die große Mehrheit der Versorgungszentren in Städten und deren Umland säßen, liege schlicht daran, dass dort die meisten Patienten wohnten. Auch würden mit Versorgungszentren in der Regel nur bestehende Praxen übernommen und lediglich rechtlich anders aufgestellt.

Für Sachsen sei der Angriff der Investoren bislang noch kein Thema, sagt der Meißner Zahnarzt Dr. Breyer. Am ehesten erwarte er diese Entwicklung in Städten wie Leipzig und Dresden. Aber auch er warnt: „Wehret den Anfängen!“

Die KZBV sieht noch ein grundsätzliches medizinisches Problem. Sie wirft privaten Anbietern die Konzentration auf besonders renditestarke Bereiche wie Zahnersatz vor – zulasten eines ganzheitlichen Angebots. Wichels betont dagegen, dass die medizinische Leitung jedes Versorgungszentrums in den Händen der Zahnärzte liege: „Unsere Ärzte legen äußersten Wert auf eine hohe Behandlungsqualität.“

Die Zahnärzte-Vereinigung würde Investoren gern gesetzlich verboten sehen. Davon ist in einem aktuellen Gesetzesentwurf im Bundesrat aber keine Rede. Die KZBV fordert nun, dass nur jene Kollegen Versorgungszentren gründen dürfen, die zahnärztliche Erfahrung haben, und dass die Zentren regional beschränkt bleiben.

Finanzinvestoren dürften sich nach Ansicht von Berater Kaltenbach weiter ausbreiten. „Mittelfristig wird ihr Marktanteil steigen.“ Droht nun ein Zahnärzte-Mangel auf dem Land? Die Zahl der Einwohner je Dentist ist in den vergangenen Jahren nur leicht gesunken. Kaltenbach ist überzeugt: „Wir haben eine gute Versorgung in Deutschland.“ (dpa mit rnw/sk)