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Ermittlungspannen bei Autoschieber-Prozess

Mit einem Freispruch und sehr milden Strafen endete am Landgericht Dresden der Prozess gegen drei Mitglieder einer Bande aus Polen.

Von Alexander Schneider
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Der mutmaßliche Mit-Anführer einer Autoschieberbande wurde nun am Landgericht Dresden freigesprochen.
Der mutmaßliche Mit-Anführer einer Autoschieberbande wurde nun am Landgericht Dresden freigesprochen. © SZ/Alexander Schneider

Dresden. Sieben Jahre Haft hatte die Staatsanwaltschaft noch am Vormittag für den Hauptangeklagten und einen der mutmaßlichen Anführer einer professionellen Autoschieberbande aus Polen gefordert. Tomasz S. (44) und seine beiden Mitangeklagten sollen 2017 in wenigen Monaten rund 25 Autos gestohlen haben – in Sachsen, Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die Bande hatte sich auf die Marken Ford, Mazda und Opel spezialisiert. Am Nachmittag kam dann die Überraschung: S. wird freigesprochen und seine beiden Mitangeklagten wurden zu deutlich niedrigeren Strafen verurteilt, als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Es knirschte im Gebälk

Der Grund dafür ist vor allem in den Ermittlungen zu suchen. Anfang Januar hatte der Prozess am Landgericht Dresden begonnen und schon damals knirschte es im Gebälk. So kam heraus, dass die Staatsanwaltschaft der jüngsten Angeklagten Marta C. (28) erhebliche Zugeständnisse gemacht hatte, damit sie gegen Hintermänner aussagt: Mehr als 20 Vorwürfe waren gegen die einschlägig vorbestrafte Frau eingestellt worden. Allerdings, jetzt kommt das Gebälk, war die Beschuldigte nicht darüber belehrt worden, dass Zusagen der Staatsanwaltschaft gegenüber der drogensüchtigen Autodiebin für das Gericht nicht bindend sind. Im Prozess wiederholte C. die Anschuldigungen gegen Tomasz S. nicht.

Darüber hinaus gab es weitere Ermittlungspannen, wie einen nicht eingeholten richterlichen Beschluss zur Durchsuchung eines Autos, weshalb eine Liste zu stehlender Fahrzeuge – der einzige erdrückende Beweis für eine Reihe von Taten – nicht verwertbar war, wie die Vorsitzende Richterin Monika Müller in ihrer Urteilsbegründung sagte. 

Mehr als ein Dutzend Mitglieder

Bei dem Hauptangeklagten Tomasz S. soll es sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft nämlich um einen von mehreren Anführern der äußerst professionell und arbeitsteilig operierenden Bande handeln. Insgesamt rechnen die Ermittler dieser Gruppierung rund ein Dutzend weitere Mitglieder und weitere Anführer zu. Tomasz S. verbüßt derzeit eine Haftstrafe wegen einschlägiger Vorwürfe. 

Im Februar 2019 wurde er von Polen nach Sachsen ausgeliefert. In seiner Heimat gibt es noch ein anhängiges offenes Verfahren, wie in dem Prozess bekannt wurde. Der Mitangeklagte Marzin W. (44) sitzt seit Mitte 2019 in Untersuchungshaft. Er lebt in Görlitz und ist bislang nicht als Autodieb aufgefallen. 

Im Februar 2019 wurde auch die 28-jährige Marta C. verhaftet. Um ihre Drogen zu finanzieren nahm die Mutter von mehreren Kindern wiederholt an Diebestouren teil. Ende 2016 war sie zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden - und war dennoch bereits nach wenigen Monaten im Frühjahr 2017 wieder mit von der Partie. Eine Frau als Beifahrerin sollte gegenüber einer möglichen Polizeikontrolle wohl den Argwohn der Beamten betäuben.

Es blieben Zweifel

Das Landgericht sprach den Hauptbeschuldigten Tomasz S. frei und folgte damit dem Plädoyer seiner Verteidigerin Gesa Israel. Das Gericht hatte nicht den leisesten Zweifel, dass es sich bei der Bande um äußerst professionelle Täter handelt. Allerdings habe es Zweifel gegeben, S. zu verurteilen. Auch seine Rolle in der Gruppierung sei nicht klar geworden, sagte die Vorsitzende.

Marcin W. (44) erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen - der Staatsanwalt hatte für ihn viereinhalb Jahre Haft gefordert.

Marta C. erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung, ebenfalls wegen schweren Bandendiebstahls. Sie muss auch mit dem Widerruf ihrer früheren Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren rechnen. Sie ist drogensüchtig und es bestehe die Gefahr, dass sie wieder straffällig wird, um an Betäubungsmittel zu kommen.

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