Bad Schandaus Luchs wohnt jetzt bei den Bären

Als die Luke der Transportkiste sich öffnet, äugt der Luchs aufmerksam in die neue Umgebung. Ein paar vorsichtige Schritte, dann ist er schon zwischen den Bäumen und Sträuchern verschwunden. Das Tier habe das Angebot des Rückzugsraums sehr schnell angenommen, so beschreibt Christopher Schmidt von der Stiftung für Bären die Ankunft von Luchs Alphons in seinem neuen Zuhause.
Hier, im Alternativen Bärenpark Worbis, im thüringischen Eichsfeld gelegen, stehen dem Luchs, der jahrelang in einem beengten Gehege am Personenaufzug in Bad Schandau lebte, nun ganze zwei Hektar Wald zur Verfügung. Nur wenige Tage nach der Ankunft Ende September wurde der Luchs immer neugieriger und hat seine Streifzüge durch die weitläufige Anlage immer weiter ausgedehnt, berichtet Christopher Schmidt.
Die Wildtierexperten des Bärenparks beobachten den Luchs mit Wildkameras, die in der umzäunten Anlage installiert sind. Persönlich zu Gesicht bekommen sie das Tier nicht mehr allzu oft. Der Luchs ist von Natur aus scheu und nutzt jetzt die Versteckmöglichkeiten, die er sein Leben lang nicht hatte.
Immer wieder Beschwerden von Gästen
Luchs Alphons ist im Mai 2005 im Tierpark Bischofswerda geboren und hat sein gesamtes Leben in Gefangenschaft verbracht, den Großteil davon im Luchsgehege in Bad Schandau. Dass er nun im hohen Alter von 17 Jahren noch einmal deutlich bessere Lebensbedingungen bekommt, ist einer glücklichen Fügung zu verdanken.
Schon mehrfach hatte die Stadt Bad Schandau in der Vergangenheit versucht, ihre beiden Luchse an ein größeres Wildgehege abzugeben. Seit Jahren häufen sich Beschwerden von Gästen, die das Luchsgehege am historischen Personenaufzug nach Ostrau als zu klein kritisieren. In Online-Bewertungen ist von Tierquälerei die Rede.
Tatsächlich werden in Bad Schandau alle gültigen Vorschriften eingehalten, dennoch hielten auch die Tourismusverantwortlichen der Stadt das Luchsgehege längst nicht mehr für zeitgemäß und wollte diese Art der Tierhaltung lieber gestern als heute beenden. Alle Versuche scheiterten jedoch. Da beide Tiere schon sehr alt sind, wären sie anderswo von ihren Artgenossen nicht mehr akzeptiert, sondern totgebissen worden, so die Befürchtung von Experten.
Der erste Luchs im Bärenpark
Im Bärenpark Worbis ist der Luchs nun der erste seiner Art, das ist der Unterschied. Bisher leben dort in mehreren Bereichen insgesamt zehn Bären und zwei Wölfe. Die Stiftung für Bären, die den Park in Thüringen und einen zweiten im Schwarzwald betreibt, versteht sich als Tierschutzorganisation und bietet vor allem Bären, die zuvor in Zirkussen oder als Kampfbären gehalten wurden, ein artgerechtes neues Zuhause.
Die zusätzliche Anlage für den Luchs wurde erst in diesem Jahr eröffnet. Um das Tier hier unterzubringen, mussten die umgebenden Zäune etwa um zwei Meter höher gebaut werden als für Bären und Wölfe, denn im Vergleich zu denen kann ein Luchs besser springen. Der Bärenpark will künftig auch verstärkt als Auffangstation für Wildtiere arbeiten, eine weitere rund 1,5 Hektar große Fläche steht schon bereit.
Der Umzug von Luchs Alphons hat dann aber doch länger gedauert als gedacht. Schon Anfang Juli hatte die Stiftung für Bären eine große Transportkiste im Bad Schandauer Gehege aufgestellt. Darin wurde täglich Futter platziert, um den Luchs hineinzulocken. Nimmt er das Futter, fällt die Klappe herunter und der Luchs ist in der Kiste gefangen. Mehr als zweieinhalb Monate hat es gebraucht, bis Luchs Alphons in diese Falle tappte.
Das ist für Wildtiere durchaus keine Seltenheit, wie Christopher Schmidt von der Stiftung für Bären erklärt. Luchse sind von Natur aus scheue Tiere und selbst wenn sie, wie Alphons aus Bad Schandau, in Gefangenschaft aufwachsen, noch immer sehr vorsichtig und skeptisch. Die Tierschützer haben sich aber bewusst für diese Methode entschieden, da sie am schonendsten ist. Die Alternative wäre gewesen, das Tier per Blasrohr oder Gewehr zu betäuben, was für den Organismus mit deutlich mehr Stress verbunden ist.
Neues Leben, neuer Name
Mit seiner Ankunft im Alternativen Bärenpark Worbis hat der Luchs auch einen neuen Namen erhalten: Alphons heißt jetzt Primus. Primus, weil er der erste Luchs im Bärenpark ist. Die Umbenennung ist für Neuankömmlinge im Bärenpark generell Brauch und hat vor allem symbolische Bedeutung, erklärt Sprecher Christopher Schmidt. Da besonders die Bären oft aus missbräuchlicher und schlechter Haltung gerettet werden, steht der neue Name für den Beginn eines neuen Lebens.
Schon bald soll auch der zweite Luchs aus Bad Schandau, Cinderella, nach Thüringen umziehen. Wann es soweit ist, entscheidet sie selbst, je nachdem, wann sie in die bereitstehende Transportkiste tritt. Wer Cinderella also noch einmal in Bad Schandau sehen will, hat nur noch begrenzt Zeit. Das Luchsgehege wird danach geschlossen, in Zukunft könnte auf dem Gelände am Personenaufzug eventuell ein Waldspielplatz für Kinder entstehen.
Besucht werden können die beiden Luchse auch weiterhin im Bärenpark in Leinefelde-Worbis gemeinsam mit den dort lebenden Bären und Wölfen. Wer möchte, kann die Tiere und die Arbeit der Stiftung für Bären auch mit einer Patenschaft oder einer Spende unterstützen.