Klappe auf, Zange rein, Brötchen in die Tüte, Klappe zu. Von Discountern angebotene Backwaren werden immer beliebter. Viele sparen sich mittlerweile den Gang zum Bäcker, erledigen gleich alle Einkäufe auf einmal. Preiswert sind Brot und Brötchen beim Discounter allemal.
Dieser Trend macht vor allem kleineren Bäckereien zu schaffen, zwingt einige sogar zum Schließen. Im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge gibt es heute 65 traditionelle Bäcker. Können die Bäcker der Konkurrenz trotzen? Frank Gröger, Bäcker aus Pirna mit 30 Mitarbeitern und Obermeister der hiesigen Bäckerinnung, spricht dazu im Interview mit der Sächsische Zeitung.
Herr Gröger, was kostet bei Ihnen das normale Weizenbrötchen?
Das kleine Brötchen, also das Kaiserbrötchen, 28 Cent und das doppelte 47 Cent.
Beim Lidl bekommt man das normale Brötchen für 13 Cent. Wie geht das?
Der Personalaufwand ist dort natürlich nicht so hoch, weil alles am Automaten hergestellt wird. Bei uns überwiegt noch die Handarbeit trotz Knetmaschinen und anderer Technik. Die Energiekosten machen bei uns außerdem einen steigenden Anteil an den Gesamtkosten aus – auch, weil wir die sogenannte EEG-Umlage zahlen müssen. Lidl ist als großes Unternehmen davon ausgenommen. Wenn vom Staat so eine Wettbewerbsverzerrung ausgeht, dann verstehe ich das nicht. Und dann ist es natürlich auch möglich, dass der Brötchenpreis bei Lidl mit Absicht klein gehalten wird, um im Wettbewerb mit dem Bäckerhandwerk besser dazustehen. Das ist meine Vermutung. Ich kenne die Preiskalkulation von Lidl aber nicht.
Wie groß ist Konkurrenz für Sie und ihre Kollegen im Landkreis durch Discounter?
Ja, das macht sich schon bemerkbar – gerade bei Brot und Brötchen. Rewe zum Beispiel bietet, ich sehe das nur manchmal in den Werbeblättchen, 750 Gramm Mehrkornbrot für einen Euro an. Das kann ein Handwerksbetrieb einfach nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass das Bäckerhandwerk derzeit eine gute Lobby bei den Kunden hat. Die Kunden halten uns vor allem zum Wochenende hin die Treue. Viele sagen sich: Es ist Wochenende, da leisten wir uns etwas Ordentliches. Auch wenn Feiertage anstehen, wissen die Leute auf einmal, wo sie den Handwerksbetrieb finden. In der Woche ist das anders: Da nehmen die Kunden auch mal gern schnell etwas beim Discounter mit.
Das vielzitierte Bäckersterben gibt es im Landkreis in der Form also nicht?
Na ja, es sind insgesamt schon weniger Bäcker geworden. Aber vielleicht ist es in Sachsen nicht ganz so krass wie in strukturschwächeren Bundesländern. Mir ist nicht bekannt, dass in diesem Jahr in einer unnatürlichen Größenordnung Bäckereien geschlossen haben. Man darf das Schließen einiger Bäcker auch nicht nur auf die Discounter schieben. Es gibt auch Betriebe, die technisch veraltet sind oder wo einfach unmögliche Arbeitsbedingungen herrschen. Da findet sich dann natürlich kein junger Bäckermeister, wenn ein Inhaber in Rente geht. Niemand bindet sich ein Geschäft ans Bein, wo man erst einmal viel investieren muss.
Warum kaufen die Leute Brot und Brötchen im Discounter?
Es ist in erster Linie die Bequemlichkeit. Die Leute sagen sich: Jetzt sind wir sowieso hier, da nehmen wir Brot und Brötchen gleich mit. Dann spielt natürlich der Preis eine Rolle, aber auch die gute Erreichbarkeit. Bei meiner Filiale in der Gartenstraße in Pirna wird gerade der Fußweg gebaut. Da gibt es keinen Parkplatz mehr für die Kunden. Ohne einen Parkplatz stirbt jedes Geschäft. Bei den Discountern gibt es natürlich immer ausreichend Parkplätze.
Liegt es auch daran, weil die Discounter mit ihren Backwaren geschmacklich mithalten können?
Bei Aldi gibt es schon seit vielen Jahren Stollen, 500 oder 750 Gramm. Das würde ich niemals kaufen. Ein Stollen unter einem Kilogramm muss trocken sein, weil einfach die Teigsubstanz fehlt. Irgendwann haben Sie dann nur noch Kruste. Ich will aber die Produkte der Mitbewerber nicht unterbewerten. Das wäre ein ganz großer Fehler. Ich habe dort zwar noch nie etwas gekauft, auch nicht zu Testzwecken, aber ich bin mir ziemlich sicher: es ist bestimmt essbar.
Welche Rolle spielt der Mindestlohn bei Ihrer Preiskalkulation?
Wir mussten unsere Preise zum Jahresanfang erhöhen wegen des Mindestlohns. Bei uns lagen zwar nur drei oder vier Mitarbeiter unter dem Mindestlohn, aber jetzt zahle ich ja dem, der seit einem Jahr ausgelernt hat Mindestlohn. Dann muss derjenige, der seit fünf Jahren ausgelernt hat, ja mehr bekommen. Das Verhältnis muss stimmen. Aber generell finde ich: Die Arbeit muss gut bezahlt werden. Und ich will, dass die Leute Spaß bei ihrer Tätigkeit haben – auch, wenn es 1.30 Uhr nachts bei uns losgeht.
Wie haben die Kunden auf die Preiserhöhung reagiert?
Ich muss sagen, dass das beim Kunden volle Akzeptanz gefunden hat. Das gab es bei anderen Preiserhöhungen so nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, weil auch viele unserer Kunden vom Mindestlohn profitiert haben.
Ein Blick in die Zukunft: Die Konkurrenz mit den Discountern wird nicht nachlassen. Was sollten Bäcker tun, um zu überleben?
Sie sollten versuchen, erstklassige Ware zu liefern. Das heißt vor allem, dass man bei den Zutaten auf keinen Fall sparen darf. Die Materialpreise machen bei dem fertigen Produkt so einen geringen Anteil aus, sodass man nur das Beste vom Besten in die Produkte einfließen lassen kann. Und dann müssen wir uns wieder auf unser altes Know-how besinnen und so arbeiten, wie wir das vor 40 Jahren gelernt haben.
Welche Produkte meinen Sie da konkret?
Den Stollen auf jeden Fall. Das Brot mache ich heute noch so, wie am ersten Tag vor 39 Jahren. Damit bin ich bislang gut gefahren. Bei den Bötchen ist es einfach so, dass wir sie nicht so hinbekommen wie zu DDR-Zeiten, so nicht mehr geht. Das liegt zum großen Teil einfach daran, dass sich die Rohstoffe verändert haben – in dem Fall das Mehl. Wo es keinen zwingenden Grund gibt, sollte man die Dinge aber so lassen wie sie sind.
Also weniger Trends jagen und mehr Tradition im Bäckereihandwerk?
Ja, das würde ich schon so sagen. Vor allem sind aber Qualität und Frische wichtig. Und mindestens den gleichen Stellenwert haben qualifizierte Mitarbeiter im Verkaufsbereich, die unseren Kunden das bieten müssen, was er beim Discounter eher selten findet: umfassende Auskunft und Beratung beim Verkauf unserer Produkte
Ein Preiskampf der Bäcker mit den Discountern wäre also aus Ihrer Sicht falsch?
Das halte ich für völlig falsch. Wer das versucht als Handwerksmeister, das rächt sich, ich bin mir sicher, innerhalb kürzester Frist.
Das Interview führte Tobias Winzer.