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Bäcker ohne Backmischung

Steve Hauer hat einen 100 Jahre alten Betrieb übernommen. Er setzt auf Arbeit ohne Hilfsmittel.

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© Sven Ellger

Von Sophie Arlet

Es ist seine erste eigene Bäckerei – „und hoffentlich auch die letzte!“, sagt Steve Hauer. Der 28-Jährige steht hinter der Ladentheke, es ist halb zehn, und der Ofen kühlt bereits aus. Die Bäckerei mit Café am Klosterteichplatz existiert schon seit 100 Jahren und war bis vor Kurzem im Besitz der Familie Puneßen. Über die Handwerkskammer hatten die Vorbesitzer einen Nachfolger gesucht. Das traf sich gut, denn just in dem Moment hatte sich auch Steve Hauer nach einem Betrieb umgeschaut, den er übernehmen könnte. „Es sollte auf jeden Fall Dresden sein“, so Hauer. Denn nur hier dürfen Bäcker Original Dresdner Stollen herstellen.

Ab drei Uhr steht der Bäckermeister Nacht für Nacht mit drei bis vier Mitarbeitern in der Backstube und sorgt dafür, dass früh in der Auslage genug Brote, Brötchen und Torten liegen. Trotz der angebotenen Vielfalt haben alle seine Produkte etwas gemeinsam – sie wurden ohne Backmischungen hergestellt. „Ich bin davon überzeugt, dass man gute Backwaren ohne Convenience-Produkte herstellen kann“, so der gebürtige Dresdner. Convenience ist der englische Begriff für Bequemlichkeit und wird beispielsweise für Backmischungen und Fertigprodukte verwendet. Bequem will es Hauer nicht haben und hat es auch nicht nötig. Er kennt sein Handwerk und will es in bester Tradition ausführen. Nach der Lehre in einer Dresdner Bäckerei absolvierte er auch die Meisterausbildung und wurde schließlich Backstubenleiter. Damit ist er eine Ausnahme, sagt Carolin Schneider von der Dresdner Handwerkskammer. Die meisten Bäcker würden die Ausbildung bereits nach der Gesellenprüfung beenden. „Das ergibt sich aus der Struktur des Handwerks, meistens arbeiten mehrere Gesellen im Betrieb des Meisters“, so Schneider.

Wenig Nachwuchs in der Branche

Nach der bestandenen Meisterprüfung wollte Hauer sich weiterentwickeln und ging nach Berlin. Als sogenannter Reisebackmeister besuchte er für eine Backmittelfirma verschiedene Betriebe und hat ihnen die neuesten Produkte vorgestellt oder bei Problemen geholfen. So lernte er alle Vor- und Nachteile von Backmischungen kennen. Nach drei Jahren war ihm dann klar, dass ein Bäcker für gutes Brot keine Hilfsmittel braucht.

Am Klosterteichplatz geht es dörflich zu, die Kunden sind immer dieselben, die meisten kaufen ihre Brötchen schon seit Jahren hier. Jetzt müssen sie sich an das neue Sortiment gewöhnen, aber das läuft ganz gut, so Hauer. 2017 haben in Dresden 75 Bäcker einen neuen Laden eröffnet oder ein bestehendes Geschäft übernommen. In der näheren Umgebung vom Klosterteichplatz gibt es einen Biobäcker und die Filiale einer größeren Bäckerei mit mehreren Geschäften in Dresden. „Aber wer dort kauft, würde sowieso nicht zu uns kommen“, so Hauer. Die verschiedenen Angebote würden sich ergänzen, jeder hat seine Kunden.

Für die Zukunft hat sich Steve Hauer viel vorgenommen. Stollen und Torten sollen die Kunden auch online bestellen können. Außerdem plant er, ein Brot des Monats anzubieten. Bis zum Sommer wird das Eiscafé im Garten um einige Sitzplätze erweitert. Auch die Backstube soll ausgebaut werden. Denn die Nachfrage ist bereits so groß, dass Hauer mehr produzieren muss. Perspektivisch möchte er sein Wissen weitergeben und selbst Lehrlinge ausbilden. Das Interesse an dem Beruf ist bei jungen Leuten allerdings gering.

Nur 15 Azubis haben im vergangenen Jahr in Dresden ihre Lehre zum Bäcker begonnen. Dabei habe das Handwerk viel zu bieten, besonders für Menschen, die gerne mit den Händen arbeiten, sagt Manuela Lohse vom Landesinnungsverband der sächsischen Bäcker. Neben körperlichem Einsatz sei beim Backen viel Präzision und Erfahrung gefragt. Nur, wer sich genau ans Rezept hält, bekommt auch das gewünschte Ergebnis. Andernfalls macht die Hefe, was sie will. „Backen ist ein lebendiger Prozess, man hat es im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Lebensmittel zu tun.“

Die Ausbildung sei von Bäckerei zu Bäckerei sehr unterschiedlich, sagt Hauer. In einigen Betrieben ginge es in erster Linie um die richtige Maschinenführung. Bei ihm hingegen soll das traditionelle Handwerk großgeschrieben werden. Dass die Nachwuchsgewinnung nicht einfach wird, merkt Hauer schon bei der Suche nach Personal für Backstube und Verkaufsraum. „Ein Bäcker kann nicht viel zahlen, dafür will niemand nachts, früh oder am Wochenende arbeiten“, sagt er. Dabei bietet er seinen Angestellten mehr als den Mindestlohn. Momentan springt seine Frau Julia im Verkauf ein. Sie ist Altenpflegerin und arbeitet ausschließlich in der Nachtschicht. Nach Feierabend oder an freien Tagen steht sie in der Bäckerei. Die hat sieben Tage die Woche geöffnet. Mit Vielfalt und Qualität will sich das Ehepaar behaupten. Dass die Bäckerei mit einer langen Familientradition verknüpft ist, zeigt, dass der Beruf noch Zukunft hat. Vorausgesetzt, der Bäcker beherrscht sein Handwerk und übt es mit Leidenschaft aus. Steve Hauer tut das.