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Bagatellfälle blockieren Notaufnahme

Die Patientenzahlen in der Dippser Klinik steigen seit Jahren. Viele gehen lieber ins Krankenhaus statt zum Hausarzt.

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© Weißeritztal-Kliniken

Von Carina Brestrich

Freital/Dippoldiswalde. Volle Warteräume, gestresste Krankenschwestern und Ärzte, die von einem Behandlungszimmer zum nächsten eilen: Wer in die Notaufnahme eines Krankenhauses kommt, der muss meist Geduld mitbringen. Vor allem an den Wochenenden, wenn die Arztpraxen geschlossen haben, sind die Notfallambulanzen erste Anlaufstelle für Patienten. So auch in Freital und Dippoldiswalde. In den Notaufnahmen der beiden Weißeritztal-Kliniken wurden im vergangenen Jahr fast 30 000 Menschen behandelt. Das Problem: Nicht jeder Patient ist tatsächlich ein Notfall. Welche Folgen das hat und welche Lösung es gibt, erklärt die SZ in einem Überblick.

Wie viele Patienten kommen in die Notaufnahme?

Die Mitarbeiter in der Notfallambulanz des Klinikums in Freital haben gut zu tun: Täglich behandeln sie bis zu 50 Patienten – mit steigender Tendenz. Allein in den vergangenen fünf Jahren registrierten die Weißeritztal-Kliniken in ihren Notaufnahmen 21 Prozent mehr Patienten. Die Gründe sehen die Kliniken in der zunehmenden Alterung der Bevölkerung. Doch nicht nur das: „Es gibt auch eine Zunahme an Patienten, die wir nicht primär als Notfallpatient für ein Krankenhaus sehen“, sagt Heike Klameth, Sprecherin der Weißeritztal-Kliniken. So suchen beispielsweise immer öfter Menschen mit Erkältungen Hilfe in der Notaufnahme. Als weitere Beispiele für Bagatellfälle nennt die Sprecherin Patienten, die nicht so lange auf einen Facharzt-Termin warten wollen oder die ein neues Rezept für Medikamente brauchen.

Ein Einzelfall sind die Weißeritztal-Kliniken mit diesem Problem nicht. Das auf das Gesundheitswesen spezialisierte Forschungsinstitut Aqua hat für den Verband der Ersatzkassen, zu der unter anderem die Techniker Krankenkasse und die Barmer gehören, eine Studie angefertigt. Demzufolge lassen sich jährlich 20 Millionen Menschen in einer Notaufnahme behandeln. Bis zu zwei Drittel von ihnen sei genauso gut auch bei einem niedergelassenen Arzt aufgehoben.

Warum kommen so viele Patienten mit leichten Erkrankungen?

Die Autoren der Studie begründen das Problem unter anderem mit den Wissenslücken der Patienten. „Früher hat die Großmutter bei einem fiebernden Kind Wadenwickel gemacht. Heute weiß niemand mehr, wie man so was macht“, sagt Aqua-Geschäftsführer Joachim Szencseny. Auch dass Hilfe durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst möglich ist, wissen viele nicht. Dieser sichert die ambulante medizinische Versorgung außerhalb der Sprechzeiten und an Sonn- und Feiertagen ab.

Die Weißeritztal-Kliniken selbst können die Gründe nur vermuten. So etwa sei ein großer Bedarf an ambulanten Haus- und Fachärzten da. Dazu kommt das häufige lange Warten auf einen Termin. Im Krankenhaus dagegen werden die Patienten viel schneller behandelt. „Dafür wird aber natürlich auch rund um die Uhr eine deutlich aufwendigere Infrastruktur und Medizintechnik vorgehalten“, beschreibt Heike Klameth das Problem.

Welche Folgen haben solche Bagatellen für tatsächliche Notfälle?

Der Verband der Ersatzkassen warnt vor den Folgen durch verstopfte Notfallambulanzen: Lebensbedrohlich erkrankte Patienten drohen, zu spät behandelt zu werden. Die Weißeritz-Kliniken sehen die zunehmende Überfüllung ebenfalls kritisch, können diese Befürchtung allerdings nicht bestätigen. Als Reaktion auf die steigende Patientenzahl setzen die Krankenhäuser in Freital und Dippoldiswalde seit 2013 auf ein spezielles System. Dabei werden die Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung in Gruppen eingeteilt – und dementsprechend an die Reihe genommen. „Ist jemand lebensgefährlich verletzt, wird er selbstverständlich auch sofort behandelt“, sagt Heike Klameth. Wer dagegen nur eine leichte Erkrankung aufweist, muss bei größerem Patientenaufkommen auch mal mit langen Wartezeiten rechnen.

Wie wirken sich solche Bagatellfälle auf die Krankenhäuser aus?

Mit der steigenden Zahl an Patienten wird in erster Linie die Belastung für die Mitarbeiter größer. Für die Krankenhäuser selbst haben die Bagatellfälle zudem finanzielle Folgen. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft ist die Notfallversorgung in den Kliniken ein milliardenteures Minusgeschäft.

Der Grund: Pro ambulantem Fall bekommen Krankenhäuser wie in Freital oder Dippoldiswalde unter 40 Euro. Die tatsächlichen Behandlungskosten liegen in der Regel aber weitaus höher, meist bei mehr als 100 Euro. Die Folge ist eine Finanzierungslücke, die mit den Einnahmen aus anderen Bereichen gedeckt werden muss und durch die Bagatellfälle immer größer wird. Deshalb gibt es die Forderung nach einem neuen Vergütungssystem. Krankenhäuser, Kassen und Ärzte verhandeln derzeit. Laut Krankenhausgesellschaft stünden Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung aber auf der Bremse.

Welche Lösung ist denkbar, um die Notaufnahme zu entlasten?

Die Ersatzkassen fordern, sogenannte Portalpraxen an den Krankenhäusern einzurichten. Diese sollen die erste Anlaufstelle für Notfallpatienten und mit einer ambulanten Notfallpraxis verknüpft sein. Das Prinzip: Nach einer ersten, raschen Begutachtung werden die Patienten eingeteilt. Je nach Schwere der Erkrankung werden sie dann entweder in die Notaufnahme, zu einem niedergelassenen Arzt außerhalb des Krankenhauses oder in die angeschlossene ambulante Notfallpraxis weitergeleitet. Ziel ist es, die Patienten in den richtigen Behandlungspfad zu lotsen.

Die Portalpraxen sind bereits Teil der Klinikreform der Großen Koalition. Eine Verpflichtung für Krankenhäuser gibt es aber nicht. Unter niedergelassenen Ärzten sind die Portalpraxen nicht unumstritten.

Wohin sollen die Patienten, wenn nicht in die Notaufnahme?

Ein wichtiger Schritt wäre aus Sicht der Weißeritztal-Kliniken schon getan, wenn mehr Patienten den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst nutzen würden. Wer mit seinen Erkrankungen normalerweise zum niedergelassenen Arzt gehen würde, aber nicht bis zum nächsten Tag warten kann, der kann sich an die bundesweit einheitliche Rufnummer Tel. 116117 wenden. Dort erfahren Patienten, welche Praxis Dienst hat. In schwierigeren Fällen können auch Hausbesuche organisiert werden.

Im Zweifelsfall: Wann sollte man in eine Notaufnahme?

Eine pauschale Antwort kann die Sprecherin der Weißeritztal-Kliniken, Heike Klameth, auf diese Frage nicht geben. Grundsätzlich werde kein Patient weggeschickt. Lässt sich eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht ausschließen, so sollte jedoch unbedingt die Notaufnahme angesteuert oder der Rettungsdienst gerufen werden. Als Symptome nennt die Klinik etwa neurologische Ausfallerscheinungen, Brustschmerzen oder Atemnot. Auch bei akuten Verletzungen wie einem Bruch, rät die Klinik zur Notaufnahme. Schon lange bestehende Beschwerden wie Rückenschmerzen sind dagegen bei einem niedergelassenen Arzt besser aufgehoben. (mit dpa)