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Barmherzigkeitsstift wird Millionenprojekt

Nach fast 20 Jahren Leerstand wurde ein Investor gewonnen. Er errichtet 43 Wohnungen für Ältere – mit Betreuung.

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© Matthias Schumann

Von Frank Oehl

Kamenz. Am Ende gab es im Kamenzer Stadtrat sogar Extrabeifall, auch, wenn er nicht einhellig aufbrandete. Endlich, nach fast 20 Jahren des Dahinsiechens gibt es gute Kunde für das von Bönisch 1826 eingeweihte Barmherzigkeitsstift am Fuße des Hutberges. Nach mehreren Ausschreibungsrunden wurde einem Investor aus Bautzen der Zuschlag gegeben. Es handelt sich um die renommierte, ja auch schon 1857 gegründete Firma Hentschke-Bau. Sie macht heutzutage einen Jahresumsatz von bis zu 150 Millionen und hat etwa 700 Leute in Lohn und Brot. Insofern kann ausreichend Potenz für das durchaus schwierige Umbauvorhaben vorausgesetzt werden.

Ein Vertreter von Hentschke-Bau stellte vor der Vergabe das Projekt noch einmal den Stadträten und damit der Öffentlichkeit näher vor. Geplant ist der Erwerb des gesamten, dreigeteilten Grundstückes bis zum kleinen Wäldchen mit dem Bönisch-Mausoleum. Dafür legt Hentschke-Bau 312 000 Euro hin. Ein zweiter Anbieter, der hier Miet- und Eigentumswohnungen errichten würde, war mit seinem Kaufpreisangebot von 230 000 Euro recht deutlich daruntergeblieben. Noch wichtiger war den Stadträten aber die geplante Nutzung. Hentschke-Bau will altengerechtes, barrierefreies Wohnen ermöglichen – mit einem Betreuungsangebot für die Mieter. Für die Betreibung wurden bereits erfahrene Firmen kontaktiert. Man habe mit dem Modell gerade auch in Bautzen bereits gute Erfahrung gesammelt, hieß es. OB Roland Dantz warb ausdrücklich für das betreute Wohnen im und um das Bönischstift. „Es gibt in Kamenz lange Wartelisten bei den jetzigen Anbietern. Der Bedarf ist groß und wird garantiert weiter wachsen.“

Die Projektidee umfasst 19 Wohnungen im jetzigen Altbau und 24 Wohnungen in einem Neubau, der zwischen dem Stift und den neugebauten Eigenheimen entstehen soll. Die Sanierung des Stiftes ist an strenge Denkmalauflagen gebunden. Erste Abstimmungen habe es gegeben, die auch einen veränderten Zuschnitt im Innern möglich machen. Die neuen Wohnungen sollen zwischen 40 und 60 Quadratmeter groß werden. Im Erdgeschoss entstehen 19 Wohnungen, im ersten Stock zehn. Das Dachgeschoss bleibt ausgespart – hier würde der Ausbauaufwand unverhältnismäßig groß sein. Ein Aufzug wird im historisch wertvollen Mittelbau errichtet, die Fluchtweg-Treppen könnten an den Enden der Flügelbauten geschaffen werden. Eine interessante Detailstudie zeigt auch eine mögliche, ausgleichende Verlängerung der beiden Flügel in Richtung Wäldchen. Damit würde ein garten- bzw. parkähnliches Innenareal entstehen, das hohen Verweilcharakter hätte. Der Standort eigne sich sehr gut dafür – die Frage der Finanzierung müsste allerdings noch geklärt werden.

Ehrgeizige Pläne

Weitere zehn Wohnungen entstünden im Erdgeschoss des Neubaues. Hier könnte auch eine Tagespflege realisiert werden, entsprechende Gespräche mit Bewerbern für diese Nutzung gebe es bereits. Im 1. Obergeschoss des Neubaus sind elf Wohnungen geplant, drei weitere noch in einem Staffelgeschoss darüber. Hier ist auch von Dachterrassen die Rede.

Der Umbau - und Neubauaufwand ist erheblich. Hentschke-Bau hat die Finanzierung für 4,5 Millionen Euro offenbar bereits in Sack und Tüten. Entsprechend ehrgeizig ist auch die weitere Zeitschiene. Sobald die Kauf-Beurkundungen durch sind, könne das Bauplanverfahren starten, hieß es. Parallel würde an den Pachtverträgen mit dem oder den Betreibern gearbeitet. „Wenn alles klappt, könnten wir das gesamte Vorhaben bis Ende 2020 abgeschlossen haben.“ Spätestens hier blieb den meisten Stadträten der Mund offen.

Auch Gegenstimmen

Allerdings stimmten nicht alle dafür. Aus der Fraktion der Linken gab es zwei Enthaltungen und sogar zwei Gegenstimmen (Fraktionschefin Marion Junge und Andreas Koch). Junge hatte vorgehabt, einen Rückverweisungsantrag zur Vergabe an Hentschke-Bau einzureichen. Anknüpfend an einschlägige Debatten im Bautzner Stadtrat beklagt man bei Hentschke-Bau Chef Jörg Drews rechten Populismus und Mitgliedschaft in der Gruppe „Wir sind Deutschland“, die sich scharf von der Merkelschen Migrationspolitik abgrenzt und auch Kontakte bis in die Reichsbürgerszene haben soll. Drews hat derartige Anschuldigungen stets zurückgewiesen und hatte in Bautzen auch die Rückendeckung von OB Alexander Ahrens (SPD) erhalten. Im Ältestenrat des Kamenzer Stadtrates hatten sich alle Mitglieder gegen die sich im Linken-Antrag mindestens andeutende Gesinnungsschnüffelei in Richtung Hentschke-Bau und Drews verwahrt. Daraufhin hatte die Linkenfraktion ihren Antrag unmittelbar vor der Stadtratssitzung am Mittwoch zurückgezogen. Eine öffentliche Debatte zum Thema fand nicht statt.