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Bashars Traum

Bashar Ali Al Shame kam vor drei Jahren als Flüchtling nach Freital. Bis er eine Ausbildung beginnen konnte, war es ein langer Weg.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Einen deutschen Begriff müsse er noch mehr beherzigen, sagt Brigitt Reuter und schaut zu Bashar Ali Al Shame. „Er hat so einen Ehrgeiz und so einen starken Willen. Da muss man ihm manchmal sagen, dass es auch so etwas wie Freizeit gibt, dass man auch einmal abschalten muss“, sagt die 41-jährige Sozialpädagogin. Bashar antwortet mit einem Lächeln. „Aber erst, wenn ich meine Ziele erreicht habe.“

Auf dem Weg dahin ist der 23-Jährige Syrer, der vor drei Jahren über den Libanon nach Deutschland und nach Freital gekommen ist, nun ein Stück vorangekommen. Im August beginnt er eine Ausbildung als Tischler bei den Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau, einem der renommiertesten Unternehmen in der Region. Seine Geschichte zeigt aber auch, woran es bei der Integration ehemaliger Asylbewerber in den Arbeitsmarkt noch hakt.

„Das ist eine besondere Firma“, sagt Bashar über seinen künftigen Arbeitgeber. Die Deutschen Werkstätten, deren Einbaumöbel zu DDR-Zeiten begehrte Mangelware waren, haben sich auf Luxusprodukte spezialisiert. In dem Werk werden unter anderem Einbauten für millionenteure Luxusjachten hergestellt. Bashar freut sich vor allem über die guten Ausbildungsmöglichkeiten mit fünf anderen Lehrlingen. „Wir können dort viel voneinander lernen“, sagt er.

Dass er einmal bei den Deutschen Werkstätten landet, daran war vor einem Jahr noch nicht zu denken. Bashar war 2010 noch vor dem Beginn des Bürgerkriegs aus Syrien in den benachbarten Libanon gezogen. Dort fand er eine Anstellung bei einem Tischler, arbeitete sich vom Gehilfen zum Gesellen hoch. Weil er im Libanon nur einen begrenzte Aufenthaltsgenehmigung hatte, drohte die Rückkehr nach Syrien. Dort herrschte aber mittlerweile Krieg und Bashar wäre zum Militärdienst eingezogen worden. Der junge Mann floh nach Deutschland.

Hier hat er nun eine befristete Aufenthaltsgenehmigung und große Pläne. Die deutsche Sprache brachte sich Bashar größtenteils selbst bei. Mittlerweile kann er sich flüssig verständigen. Mit mehreren Praktika bei Tischlern in Dresden und Freital versuchte er, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Doch als es im vergangenen Jahr trotz der vielen Referenzen bei hundert Bewerbungen nicht mal zu einem Vorstellungsgespräch reichte, verzweifelte er fast.

Hilfe bekam er schließlich bei der Mobilen Kompetenzberatung in Freital, die im Regenbogen-Familienzentrum angesiedelt ist. Brigitt Reuter und eine Kollegin kümmern sich dort um derzeit 31 Jugendliche. Ihr Ziel: Sie sollen gezielt Hilfe bekommen, um letztlich einen Job oder einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Finanziert wird das Projekt vom Bund und Landkreis. Es wird unter anderem mit dem Jobcenter und der Arbeitsagentur zusammengearbeitet.

Hilfe bei der Bewerbung

Brigitt Reuter merkte schnell, dass Bashar vor allem Hilfe bei seinen Bewerbungsunterlagen braucht. Dabei ging es um scheinbar kleine Dinge, wie ein Foto auf der Titelseite. „Oder um gewisse Formulierungen, die man nicht kennen kann, wenn man aus einer anderen Kultur kommt“, sagt Reuter. Hilfreich sei auch gewesen, dass sie als Ansprechpartnerin für die Unternehmen zur Verfügung gestanden habe. „Das hilft auch, Vorurteile abzubauen.“ Mit den überarbeiteten Bewerbungsunterlagen hatte Bashar Erfolg. Neben den Deutschen Werkstätten wurde er noch zu einem weiteren Vorstellungsgespräch eingeladen.

Trotz Fachkräftemangels läuft die Arbeits- und Ausbildungssuche längst nicht bei allen Flüchtlingen so gut. Laut Arbeitsagentur sind derzeit 635 Flüchtlinge im Landkreis arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet. Bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit seien lediglich 15 Bewerber für Berufsausbildungsstellen gemeldet. Gerade einmal 60 Asylbewerber befanden sich Anfang 2018 in Arbeitsmaßnahmen wie Weiterbildungen oder solchen Beratungsangeboten, wie sie Bashar wahrgenommen hat.

Um den Flüchtligen den direkten Kontakt zu Unternehmen zu ermöglichen, setzt die Arbeitsagentur unter anderem auf Stellenbörsen für Flüchtlinge und Unternehmen. Wie eine Sprecherin mitteilt, sei der zweite Stellenmarkt dieser Art im März auf sehr gute Resonanz gestoßen. Im Herbst ist die nächste Ausgabe geplant.

Bashar weiß, wie schwer es ist, sich auf die deutsche Berufswelt einzustellen. Der Syrer musste sich selbst erst an das System gewöhnen. Dass man schnell und unbürokratisch einen Job bekommt, ist nur schwer machbar. Für alles sind Nachweise nötig, ein Schritt nach dem anderen. „Viele Flüchtlinge wollen einfach nur arbeiten und Geld verdienen“, sagt Bashar. Er geht einen anderen Weg. Dass er trotz seiner Vorerfahrungen noch eine dreijährige Ausbildung braucht, hat er akzeptiert.

Und obwohl bis zum Ende der Ausbildung noch ein bisschen Zeit vergeht, hat Bashar schon Träume für die Zeit danach. „Ich will Tischlermeister werden“, sagt er selbstbewusst. Seine Aufenthaltsgenehmigung jedoch läuft erst einmal nur bis zum Ende der Lehre. Wie und wo es danach weitergeht, ist unklar. „Ich will auf jeden Fall in Deutschland bleiben“, sagt der Neu-Freitaler, der nach der Flucht endlich ankommen will.